Polizei : Newsletter Nr. 179, November 2014

 1)   Deterministen neigen zu milderen Strafurteilen
 2)   Alle zufrieden? Lebensverhältnisse in Deutschland gleichen sich an
 3)   Centre for Security and Society an der Universität Freiburg
 4)   Psychopathen fürchten nicht die Folgen ihres Tuns
 5)   Sozial-emotionale Auswirkungen von Gewaltkriminalität
 6)   Bislang kein empirischer Beweis für effektiveren Polizeieinsatz durch GIS-Systeme
 7)   Personengebundene Hinweise (PHW) in polizeilichen Informationssystemen
 8)   Predictive Policing - Neue Methoden zur Kriminalitätsbekämpfung
 9)   Polizeiarbeit und Fehlurteile
10)  Campussicherheit
11)  Das Nationale Justizinstitut (NIJ) der USA sowie das Labor des Bundesuntersuchungsbüros (FBI) sind eine Partnerschaft eingegangen
12)  Bewerbung für den englischsprachigen Masterstudiengang „Criminal Justice, Governance and Police Science“
13)  Kritik an Plänen zur Pönalisierung von Sportdoping
14)  Strafrechtspflege und Internet
15)  Lebenswerter öffentlicher Raum. Überlegungen in Baden-Württemberg
16)  Buchbesprechungen M. Richter
17)  Buchbesprechung J. Kruse
18)  Bochumer Masterarbeiten in Kriminologie und Polizeiwissenschaft online
 
1) Deterministen neigen zu milderen Strafurteilen
Wenn Strafrichter davon ausgehen, dass menschliches Handeln nur in begrenztem Maße auf einen freien Willen zurückzuführen ist, so neigen sie offenbar zu milderen Sanktionen. Dies legen Ergebnisse einer Studie der University of Oregon nahe. Die Forscher schließen, dass schon simple Lernprozesse die Bildung moralischer Urteile beeinflussen können. Quelle: http://pss.sagepub.com/content/early/2014/06/09/0956797614534693
 
 
2) Alle zufrieden? Lebensverhältnisse in Deutschland gleichen sich an
25 Jahre nach dem Fall der Mauer haben sich die Lebensverhältnisse in Ost- und Westdeutschland noch nicht vollständig angeglichen. Die vom DIW Berlin in Zusammenarbeit mit TNS Infratest Sozialforschung erhobenen Daten der Langzeitstudie Sozio-ökonomisches Panel (SOEP) zeigen, dass Menschen in Ostdeutschland im Jahr 2013 weniger zufrieden sind als in Westdeutschland, obwohl ihre Zufriedenheit so hoch ist wie noch nie seit 1990. Die Menschen in Ostdeutschland sorgen sich stärker um die eigene wirtschaftliche Situation und um Kriminalität. Gleichzeitig werden beim Bruttoinlandsprodukt je Einwohner in Ostdeutschland nur 71 Prozent und bei der Produktivität etwa drei Viertel des westdeutschen Niveaus erreicht. Der Aufholprozess kommt demnach nur langsam voran. Quellen: http://www.diw.de/sixcms/detail.php?id=diw_01.c.483744.de sowie http://www.diw.de/sixcms/detail.php?id=diw_01.c.483724.de
 
 
3) Centre for Security and Society an der Universität Freiburg
Seit 2009 besteht an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg das Centre for Security and Society. Es bietet eine Plattform zur Bündelung unterschiedlicher Tätigkeiten im Bereich der Sicherheitsforschung. Beteiligt sind die Rechtswissenschaftliche, Philosophische und Technische Fakultät sowie die Philologische und Wirtschafts- und Verhaltenswissenschaftliche. Ziel ist es, ein fundiertes Orientierungswissen für die Entwicklung zuverlässiger Sicherheitsarchitekturen zu schaffen. Mehr Informationen zu dem Center: http://www.sug.uni-freiburg.de/
 
 
4) Psychopathen fürchten nicht die Folgen ihres Tuns
Neueren Untersuchungen zufolge ist es nicht der Mangel an Empathie, der Psychopathen auszeichnet, sondern die Tatsache, dass sie keine Ängste in bestimmten Situationen entwickeln können. Diese „Angstfunktionskreise“ im Gehirn können jedoch angeregt werden, wie Neurowissenschaftler behaupten. Ein Überblick über entsprechende Studien findet sich hier: J. Zittlau: Das Gehirn kann alles – außer aufgeben. In: Psychologie Heute 9/2014, S. 60 ff.
 
 
5) Sozial-emotionale Auswirkungen von Gewaltkriminalität
Mehr als zwei Drittel der Opfer von schweren Gewalttaten leiden an emotionalen oder physischen Symptomen als Folge der Tat länger als einen Monat. Die hat eine Studie des Bureau of Justice Statistics in den USA festgestellt. Emotionale Probleme für mindestens einen Monat berichten 91% der Opfer, mehr als 60% haben auch physische Probleme wie Schlafstörungen. Dabei sind Opfer von Partnergewalt besonders betroffen: Die berichten mehr als fünfmal so oft von sozio-emotionalen Auswirkungen der Tat als Opfer von fremden Tätern. Frauen erleben 2,6x so oft solche Nachwirkungen. Quelle: http://www.bjs.gov/content/pub/pdf/sivc.pdf
 
 
6) Bislang kein empirischer Beweis für effektiveren Polizeieinsatz durch GIS-Systeme
Die GIS-Technologie (also der Einsatz geodatenbasierter Informationen) gilt als neue Methode zur Kriminalitätsanalyse und zur Optimierung des Personaleinsatzes (s. Meldung XXX). Allerdings fehlt es bislang an empirischen Nachweisen, dass GIS tatsächlich positive Auswirkungen hat. Einen Überblicküber die bisherigen Studien geben Y. Zhang u.a.: Geographic Information System Effects on Policing Efficacy: An Evaluation of Empirical Assessments. In: Applied Geospacial Research, 2014, Volume 5, Issue 2. Abstract available at http://www.igi-global.com/article/geographic-information-system-effects-on-policing-efficacy/111099
 
 
7) Personengebundene Hinweise (PHW) in polizeilichen Informationssystemen
Auf eine kleine Anfrage des Bundestagsabgeordneten Hunko veröffentlichte des BMI am 23.09.2014 eine Liste, aus der hervorgeht, wie viele Personen beim BKA „zum Schutz dieser Person oder zur Eigensicherung der Beamten“ gespeichert sind. Demnach werden in INPOL über eine Million BTM-Konsumenten gelistet, zudem 86 „Land/Stadtstreicher“ und 8.118 als „geisteskrank“. 3.500 Personen sind als potentielle „Straftäter links“ einordnet, 10 Personen als „Straftäter rechts“. Am Tag darauf korrigierte das BMI: Durch ein „Büroversehen“ seien in der Antwort teilweise falsche Zahlen aufgeführt worden. Die Gesamtsumme von über 1,5 Millionen stimme zwar. Die Anzahl gespeicherter „Rocker“ und „Prostituierter“ wurde nach unten korrigiert und die Zahl der „Straftäter rechts“ betrage nicht 10, sondern über 20.000. Quelle: http://www.andrej-hunko.de/presse/2181-geisteskranke-auch-beim-bundeskriminalamt-betroffene-muessen-benachrichtigt-werden (der link zu der Antwort des BMI findet sich am Ende der Seite). Detailliertere Zahlen für Berlin finden sich hier: http://pardok.parlament-berlin.de/starweb/adis/citat/VT/17/SchrAnfr/S17-14376.pdf.
 
 
8) Predictive Policing - Neue Methoden zur Kriminalitätsbekämpfung
Das Thema Predictive Policing sorgte im Herbst 2014 für eine ganze Sammlung von Beiträgen in den Medien. Unter anderem wird die Anwendung von neuen Technologien im Rahmen von BigData diskutiert, dem sich auch eine kritische Reflexion der damit verbundenen Kontrollmechanismen anschließt. Es soll künftig möglich sein, mittels statistischer Auswertung durch ein spezielles Computerprogramm Zusammenhänge zwischen verschiedenen Vorkommnissen aufzuzeigen und hierdurch künftige Straftaten wie bspw. Einbrüche vorherzusagen. S. http://www.sueddeutsche.de/thema/360%C2%B0_Predictive_Policing
 
 
9) Polizeiarbeit und Fehlurteile
Wenige Ereignisse unterwerfen das Strafjustizsystem einer so intensiven Diskussion in Medien und Öffentlichkeit wie die Entlastung eines zu Unrecht verurteilten Angeklagten. Das mehrere Millionen Dollar schwere Übereinkommen im Fall der „Central Park Five“, das kürzlich von der Stadt New York bekannt gegeben wurde, hat wieder einmal die Diskussion um Fehlurteile angeheizt. In diesem Fall wurden fünf schwarze und lateinamerikanische Jugendliche auf der Grundlage falscher Geständnisse der brutalen Vergewaltigung einer jungen Joggerin im Central Park beschuldigt. Alle wurden Jahre später entlastet, als der wirkliche Täter das Verbrechen gestand – ein Geständnis, das durch eine DNA-Probe bestätigt wurde. Quelle: Policing and Wrongful Convictions (NIJ), August 2014, https://www.ncjrs.gov/pdffiles1/nij/246328.pdf
 
 
10) Campussicherheit
Jedes Jahr werden Studenten in den gesamten USA Opfer von Stalking, sexuellen Übergriffen, Raub, Totschlag und anderen Verbrechen. Mit den Schwierigkeiten von Persönlichkeitsrechten nicht zusammenzustoßen, akademische Freiheit zu wahren, sich an die bürgerlichen Rechte zu halten und gleichzeitig einen sicheren Campus und Arbeitsplatz zu gewährleisten, sind keine einfachen Aufgaben. Bemühungen für einen sicheren Campus sind am erfolgreichsten, wenn die Gemeinschaft Hochschulmitarbeiter, Verwaltung, Studenten, Eltern und Gruppierungen zur Zusammenarbeit ermuntert. Quelle: The Campus Safety Special (September 2014) (NCJRS) https://www.ncjrs.gov/campussafetyawareness/
 
 
11) Das Nationale Justizinstitut (NIJ) der USA sowie das Labor des Bundesuntersuchungsbüros (FBI) sind eine Partnerschaft eingegangen
Das Nationale Justizinstitut (NIJ) der USA sowie das Labor des Bundesuntersuchungsbüros (FBI) sind eine Partnerschaft eingegangen, um eines der schwierigsten und komplexesten Probleme, dem sich das Strafjustizsystem des Landes gegenübersieht, anzugehen: nicht eingereichte Kits bei sexuellen Übergriffen (häufig auch als ungetestet bezeichnet). Das FBI wird ein zentrales Testlabor für Kits bei sexuellen Übergriffen (meistens Vergewaltigungskits genannt) sein, die von den Strafverfolgungsbehörden und öffentlichen Forensik-Laboren dorthin weitergeleitet werden sollen. Quelle: http://nij.gov/topics/law-enforcement/investigations/sexual-assault/Pages/nij-fbi-sak-initiative.aspx?utm_source=eblast-ncjrs&utm_medium=eblast&utm_campaign=nij-fbi-sak
 
 
12) Bewerbung für den englischsprachigen Masterstudiengang „Criminal Justice, Governance and Police Science“
Am Lehrstuhl für Kriminologie der Ruhr-Universität Bochum (RUB) wird der berufsbegleitende Masterstudiengang „Criminal Justice, Governance and Police Science“ angeboten. Der englischsprachige Online-Studiengang wird in Kooperation mit dem GaPS-Institut „Governing and Policing Security“ der Ghent University durchgeführt und richtet sich an Bewerber, die auf internationaler Ebene im Bereich von Sicherheitspolitik, Kriminalitätsbekämpfung, (internationaler) Strafverfolgung und des Menschenrechtsschutzes aktiv werden wollen oder bereits sind. Bewerbungen für den Jahrgang 2015 (Beginn 1.5.2015) werden ab dem 15. September 2014 angenommen. Für weitere Informationen zum Studiengang, zum Zulassungsverfahren und zu Stipendien: http://www.macrimgov.eu
 
 
13) Kritik an Plänen zur Pönalisierung von Sportdoping
Anlässlich von Plänen der Bundesregierung zu einem Anti-Doping-Gesetz setzt sich Arthur Kreuzer in der „Kriminalistik“ (06/2014) mit der Sinnhaftigkeit von strafrechtlichen Sanktionen gegenüber dopenden Sportlern auseinander. Dabei kritisiert er, dass wieder einmal versucht werde, mittels des vermeintlichen Allheilmittels Strafrecht gesellschaftlichen Missständen und Widersprüchen (Leistungssport und Gesundheitsideal) Herr zu werden. Letztendlich würden aber nur neue Probleme und doppelte Moral geschaffen. Der Autor trägt zudem verschiedene verfassungsrechtliche Bedenken vor (u.a. Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot) und warnt vor einem staatlichen „Krieg gegen Doping“, der lediglich illegale Märkte und Gewalt stimuliere und damit zum Scheitern verurteilt sei (Kriminalistik 06/14, S. 358-362).
 
 
14) Strafrechtspflege und Internet
Am 17.11.2014 findet die 24. Fachtagung des Schleswig-Holsteinischen Verbands für soziale Strafrechtspflege; Straffälligen- und Opferhilfe e.V.: "Soziale Strafrechtspflege im Zeitalter des Internets" im Landeshaus Kiel statt. Programm und Anmeldung unter http://www.soziale-strafrechtspflege.de/fachtagung/257-24-fachtagung-soziale-strafrechtspflege-im-zeitalter-des-internets.html
 
 
15) Lebenswerter öffentlicher Raum. Überlegungen in Baden-Württemberg
Insbesondere attraktive Innenstädte haben mit nächtlichem Lärm, Körperverletzungen durch Alkoholisierte und deren Hinterlassenschaften zu kämpfen. Der Runde Tisch „Lebenswerter öffentlicher Raum“ setzte deshalb in Baden-Württemberg eine Arbeitsgruppe unter der Leitung des Innenministeriums ein, um Maßnahmen zu diesem Phänomen zu entwickeln. Eine wissenschaftliche Begleitung war gewünscht. Ein Bündel mit meist präventiven Maßnahmen war das Ergebnis, welches dem Runden Tisch vorgestellt wurde. Ein Verbot des Konsums von Alkohol in der Öffentlichkeit ist dabei nicht erste Wahl. Quelle: http://www.taz.de/Alkohol-in-Baden-Wuerttemberg/!140477/
 
 
16) Buchbesprechungen M. Richter
Leben im Ausnahmezustand - Terrorismus und Personenschutz in der Bundesrepublik Deutschland (1970 – 1993). Mit den Themen der Entwicklung und Arbeitsweise des Personenschutzes beschäftigt sich Maren Richter in einer neuen Studie. Nach Jörn Olhöft zeigt die Studie vor allem, "dass es eine absolute Sicherheit allen Vorkehrungen zum Trotz nicht gibt." http://www.polizei-newsletter.de/books/2014_Leben_im_Ausnahmezustand_Rezension.pdf
 
 
17) Buchbesprechung J. Kruse
Qualitative Interviewforschung. Ein integrativer Ansatz. Als einen „Reader der über Jahre gepflegt, geprüft, überarbeitet und erweitert wurde. Er ist sehr eindrücklich und einleuchtend“ bezeichnet der Rezensent Rüdiger Schilling das Werk, Die Besprechung findet sich hier: http://www.polizei-newsletter.de/books/2014_Rezension_Kruse_Qualitative_Interviewforschung.pdf
 
 
18) Bochumer Masterarbeiten in Kriminologie und Polizeiwissenschaft online
Ab sofort stehen ausgewählte Masterarbeiten aus dem Jahr 2014 des Bochumer Masterstudienganges „Kriminologie und Polizeiwissenschaft“ auf der Website des Felix-Verlages online kostenlos zur Verfügung. Es muss lediglich vorab ein Passwort angefordert werden, und zwar per Email an: pdf@felix-verlag.de. Dazu sind Name und der Zweck anzugeben, für den man die Datei verwenden will (z.B. wissenschaftl. Arbeit, Lehre). Quelle: http://www.felix-verlag.de/index.php?option=com_content&view=article&id=177&Itemid=66