Polizei : Newsletter Nr. 186, Juni 2015

 1)   Häusliche Gewalt und Krigsveteranen
 2)   Kleider machen Leute (Ärzte, Polizisten...)
 3)   Was “funktioniert” in der Polizeiarbeit - Systematische Übersichten helfen
 4)   Geld macht wohl doch glücklich
 5)   „FCK CPS“ keine Beleidigung
 6)   National Rural Crime Network (NRCN) in Großbritannien
 7)   Durchreisende, Sinti und Roma in den Strafjustizsystemen Europas
 8)   Broken Windows - tested in Germany
 9)   Gesellschaftliche Auswirkungen von Überwachung und technischer Innovation
10)  Polizeiliche Kennzeichnungspflicht – eine Übersicht
11)  Ethnisches Profiling in Europa
12)  Vertrauen in die Polizei nach wie vor hoch
13)  Vertrauen in die Polizei und wahrgenommene Ansprechbarkeit
14)  Newsletter “BALKAN CRIMINOLOGY NEWS”
15)  Effizienzsteigerung der Polizeiarbeit durch Modell zur Erklärung der Verteilung von „kriminellen Gelegenheiten“
16)  Regionale Kriminalitätsbelastung und Kriminalitätsfurcht
17)  Sicherheitsempfinden in sozialen Medien und Suchmaschinen
18)  Aggression und Gewalt gegen Ärzte
 
1) Häusliche Gewalt und Krigsveteranen
Eine Studie untersucht attributionale Prozesse der polizeilichen Entscheidungsfällung bei Reaktionen auf Situationen häuslicher Gewalt mit Veteranen und Nichtveteranen, die Anzeichen psychischer Krankheiten aufweisen. Die Ergebnisse zeigen, dass Veteranen als weniger verantwortlich für störendes Verhalten, aber auch als gefährlicher wahrgenommen werden. Der Veteranenstatus der Verdächtigen hat eine bedeutende Wirkung auf die Beamten insofern, als dass sie eine psychologische Behandlung einer Verhaftung vorziehen und ein Teil der Wirkung des Veteranenstatus auf die Reaktion der Beamten wird durch innere und äußere Attribution für problematisches Verhalten und durch die Wahrnehmung von Gefährlichkeit herbeigeführt. Markowitz/Watson: Police Response to domestic violence: Situations involving veterans exhibiting signs of mental illness. In: Criminology 53, 2, 2015, S. 231 ff.
 
 
2) Kleider machen Leute (Ärzte, Polizisten...)
Eine Metastudie zeigte, dass in 21 von 30 Studien (70 %) von einer Vorliebe oder einem positiven Einfluss der Ärztebekleidung auf die Patientenwahrnehmung berichtet wurde. Formelle Bekleidung und weiße Mäntel mit anderer, unspezifischer Bekleidung wurden in 18 von 30 Studien (60 %) vorgezogen. Obwohl die Patienten oft formelle Ärztebekleidung bevorzugen, wird die Bekleidungswahrnehmung durch Alter, Örtlichkeit, Rahmen und Behandlungssituation beeinflusst. Politikbasiertes Eingreifen, um solche Faktoren anzugehen, scheint notwendig zu sein. Quelle: http://bmjopen.bmj.com/content/5/1/e006578.full . S. dazu die Studie von Max Hermanutz zur Kleidung von Polizisten: Polizeiliches Auftreten - Respekt und Gewalt. Eine empirische Untersuchung. Frankfurt 2013.
 
 
3) Was “funktioniert” in der Polizeiarbeit - Systematische Übersichten helfen
Diese umfassenden Übersichten benutzen ganz bestimmte Kriterien, um Ergebnisse aus relevanten Studien zu finden, zu bewerten und zusammenzuführen und stellen sie manchmal zu einer einzigen, viel größeren Studie zusammen. Die schnelle Beweisbewertung (rapid evidence assessment – REA) funktioniert nach einer ähnlichen Methode, aber ist weniger umfassend, sodass die Literatur schneller zusammengefasst und verfügbar gemacht werden kann. Die Internetseite befindet sich noch im Aufbau, ist aber doch schon nützlich. http://whatworks.college.police.uk/Research/Pages/Published.aspx Ein Bericht von ICPR und UCL zu Fehlverhalten von leitenden Beamten wurde gerade von dem College of Policing veröffentlicht. Er befindet sich hier: http://whatworks.college.police.uk/Research/Documents/150317_Chief_officer_misconduct_FINAL_%20REPORT.pdf
 
 
4) Geld macht wohl doch glücklich
Je niedriger das Gehalt, desto unglücklicher sind die Menschen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie, die auf Daten von fast 13.000 Personen in den USA basiert. Quelle: http://spp.sagepub.com/content/early/2015/01/08/1948550614568161?papetoc
 
 
5) „FCK CPS“ keine Beleidigung
Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass diese Abkürzung keine Beleidigung darstellt, da eine entsprechende Verurteilung in die Freiheit der Meinungsäußerung eingreift. Das Tragen des Ansteckers mit der Aufschrift „FCK CPS“ fällt in den Schutzbereich des Grundrechts. Meinungen sind im Unterschied zu Tatsachenbehauptungen durch die subjektive Einstellung des sich Äußernden zum Gegenstand der Äußerung gekennzeichnet. Der Aufdruck „FCK CPS“ ist nicht von vornherein offensichtlich inhaltlos, sondern bringt eine allgemeine Ablehnung der Polizei und ein Abgrenzungsbedürfnis gegenüber der staatlichen Ordnungsmacht zum Ausdruck. Es handelt sich um eine Meinungsäußerung im Sinne des Art. 5 Abs. 1 GG. http://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2015/02/rk20150226_1bvr103614.html
 
 
6) National Rural Crime Network (NRCN) in Großbritannien
Das National Rural Crime Network (Nationales Netzwerk für ländliches Verbrechen) setzt sich für ein besseres Verständnis für Verbrechen in ländlichen Gegenden ein und für neue, wirkungsvolle Methoden, um dazu beizutragen, ländliche Gemeinden sicherer zu machen. NRCN arbeitet darauf hin, mehr Anerkennung und Verständnis für die Probleme und die Wirkung von Verbrechen in ländlichen Gegenden zu bekommen, damit mehr für die Sicherheit der Menschen getan werden kann. Gehen Sie auf www.NationalRuralCrimeNetwork.net Das NRCN ist auch auf Twitter https://twitter.com/NationalRCN
 
 
7) Durchreisende, Sinti und Roma in den Strafjustizsystemen Europas
Ein vom Europarat finanzierter Bericht stellt die Ergebnisse einer Thementagung in London vor. Im Bericht geht es hauptsächlich um Polizeiarbeit, aber auch um Gesundheitsfürsorge. Die Adresse für den Bericht und die Zusammenfassung ist http://bucks.ac.uk/research/research_institutes/idrics/Current_Projects/Bridging_the_Gap/
 
 
8) Broken Windows - tested in Germany
Auch harmlose Übertretungen wie Graffiti oder das Liegenlassen von Müll können den Boden bereiten für weit schlimmere Taten – so die Broken-Windows-Theorie. Soziologen der Uni München zeigen jetzt, dass sich damit keine Politik der harten Hand begründen lässt. Broken-Windows-Signale haben nur einen Einfluss auf vergleichsweise schwache Normverletzungen und bereiten nicht den Boden für Kriminalität. Source: Keuschnigg/Wolbring: Disorder, social capital, and norm violation: Three field experiments on the broken windows thesis. Rationality and Society 2015, Vol. 27(1) 96 – 126; s.a. https://www.uni-muenchen.de/forschung/news/2015/keuschnigg_broken_windows.html
 
 
9) Gesellschaftliche Auswirkungen von Überwachung und technischer Innovation
Die Ergebnisdokumentation des XI. Workshops es Forschungsforums öffentliche Sicherheit mit dem Titel: „Überwachung: Die Bedeutung technischer Innovationen und ihre gesellschaftlichen Auswirkungen“ steht im Internet zur Verfügung: http://www.sicherheit-forschung.de/workshops/workshop_11/doku_xi/index.html Die in Zusammenhang mit dem Workshop entstandene Expertise von Nils Zurawski ist sowohl als Print wie auch als Online Version verfügbar: http://www.sicherheit-forschung.de/schriftenreihe/index.html 
 
11) Ethnisches Profiling in Europa
Ethnisches Profiling in Europa durch die Polizei ist eine weitverbreitete Art der Diskriminierung, die menschliche Grundrechte verletzt. Zudem ist ethnisches Profiling ineffizient: Es führt dazu, dass die Polizei sich auf ethnische Züge konzentriert statt auf tatsächliche Verdachtsanzeichen und dadurch werden eine große Zahl unschuldiger Menschen angehalten und durchsucht. Glücklicherweise gibt es bessere Alternativen – Polizeiarbeitsmethoden, die gerechter und wirkungsvoller sind. Dieses Handbuch dokumentiert diese Methoden und gibt Rat, wie man Diskriminierung verringern und die Wirksamkeit der Polizei erhöhen kann. Das Handbuch „Reducing Ethnic Profiling in the European Union: A Handbook of Good Practices" (dt. Ethnisches Profiling in der Europäischen Union verringern: Ein Handbuch bewährter Praktiken) (März 2013) steht unter http://www.opensocietyfoundations.org/publications/reducing-ethnic-profiling-european-union-handbook-good-practices zur Verfügung.
 
 
12) Vertrauen in die Polizei nach wie vor hoch
97 % der Bundesdeutschen vertrauen „voll und ganz“ oder „überwiegend“ der Feuerwehr, 91% Piloten (die Befragung fand vor dem Absturz der Germanwings-Maschine statt) und jeweils 81% Landwirte und Polizisten. Am Ende der Skala stehen – wie üblich – Politiker mit 15%. Das zeigen die Ergebnisse der neuesten Studie der GfK „Trust in Professions“ (2014). Quelle: http://www.gfk-verein.de/sites/default/files/medien/558/bilder/gfk_verein_vertrauen_in_berufe_rgb_0.jpg bzw. http://www.gfk-compact.com/compact/fokusthemen/sicherheit-die-zukunft
 
 
13) Vertrauen in die Polizei und wahrgenommene Ansprechbarkeit
Die Ergebnisse einer Studie in Belgien zeigen, wie wichtig verfahrensrechtliche Gerechtigkeit ist, um in europäischen Ländern die Vertrauenswürdigkeit der Polizei zu begründen. In Belgien scheint die wahrgenommene Ansprechbarkeit das Fundament einer starken Vertrauensbeziehung zu sein. Quelle: Maarten Van Craen, Wesley Skogan: Trust in the Belgian police: The importance of responsiveness. In: European Journal of Criminology March 2015 12: 129-150.
 
 
14) Newsletter “BALKAN CRIMINOLOGY NEWS”
Die Max-Planck Gruppe für Balkan Kriminologie betreibt eine website und hat bereits zwei Ausgaben ihres Newsletters „BALKAN CRIMINOLOGY NEWS“ ins Netz gestellt. Der Newsletter soll als Forum fungieren, in welchem Informationen über die neuesten Entwicklungen ausgetauscht werden können, die relevant für kriminologische Forschung im Balkan sind. http://balkan-criminology.eu/en/
 
 
15) Effizienzsteigerung der Polizeiarbeit durch Modell zur Erklärung der Verteilung von „kriminellen Gelegenheiten“
Basierend auf empirischer Forschung wurde ein mathematisches Modell entwickelt, welches zur Erklärung der Verteilung von „kriminellen Gelegenheiten“ sowie zu den Entscheidungsprozessen der Täter diese Gelegenheiten wahrzunehmen beiträgt. Der Artikel demonstriert, inwieweit die Anwendung des Modells eine Effizienzsteigerung der Polizeiarbeit mit sich bringt. Nagin, D. S., Solow, R. M. and Lum, C. (2015), Deterrence, Criminal opportunities, and Police. Criminology 53, 1, 2015 http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/1745-9125.12057/pdf
 
 
16) Regionale Kriminalitätsbelastung und Kriminalitätsfurcht
Die Frage, inwieweit Kriminalitätsfurcht sich mit der regionalen Kriminalitätsbelastung deckt, ist umstritten. Eine Untersuchung des DIW kommt zu dem Ergebnis, dass sich ein deutlicher statistischer Zusammenhang zwischen regionaler Kriminalitätsbelastung und Kriminalitätsfurcht zeigen lässt. Eine weitere Studie des DIW zeigt dass die Faktoren Alter, Einkommen, Geschlecht, Bildungsniveau und Migrationshintergrund eine geringere Bedeutung für Kriminalitätsfurcht haben, als bisher angenommen wurde. Quellen: http://www.diw.de/sixcms/detail.php?id=diw_01.c.498853.de sowie http://www.diw.de/documents/publikationen/73/diw_01.c.498292.de/15-12-4.pdf
 
 
17) Sicherheitsempfinden in sozialen Medien und Suchmaschinen
Um die subjektive Kriminalitätsfurcht der Bevölkerung zu messen, werden bislang vor allem Befragungen durchgeführt. Es könnten aber auch Daten aus sozialen Medien und Suchmaschinen genutzt werden. Ein Beitrag zeigt, dass die Auswertung solcher Daten zwar nicht geeignet ist, die tatsächliche Kriminalitätsbelastung in Deutschland widerzuspiegeln. Sie kann aber durchaus als kosten günstige Ergänzung der bisherigen Erhebungsmethoden dienen. Quelle: http://www.diw.de/documents/publikationen/73/diw_01.c.498290.de/15-12-3.pdf
 
 
18) Aggression und Gewalt gegen Ärzte
In einer bundesweiten Befragungsstudie wurde die Prävalenz der (wahrgenommenen) Gewalt gegen Ärzte untersucht. 91 % gaben an, im Verlauf ihrer hausärztlichen Tätigkeit mit aggressivem Verhalten konfrontiert gewesen zu sein. Schwerwiegende Aggression beziehungsweise Gewalt haben 23 % in ihrer Laufbahn und 11 % (95-%-KI: 8–13) in den letzten 12 Monaten erlebt. In ihren Praxisräumen fühlt sich die überwiegende Mehrheit der Antwortenden sicher. Quelle: F. Vorderwülbecke u.a. in: Deutsches Ärzteblatt, 10, 2015, S. 159 ff. Eine vergleichbare Fragestellung wurde von Feltes und Schmidt untersucht (Gewalt gegen Rettungskräfte): Schmidt J, Feltes T: Gewalt gegen Rettungskräfte 2012. Verfügbar unter http://www.unfallkasse-nrw.de/fileadmin/server/download/PDF_2012/Gewalt_gegen_Rettungskraefte.pdf