Polizei : Newsletter Nr. 64, Mai 2004

 1)   Police Futurists International (PFI)
 2)   Wie man den “Mitt-Semester-Blues” überwinden kann
 3)   Compstat überall in den USA?
 4)   Gewalt in der Familie und Kollektivwirksamkeit
 5)   Analyse polizeilicher Pressearbeit
 6)   Die Öffentlichkeit mit einbeziehen: Die Rolle von Polizeibehörden
 7)   Mitarbeiterkriminalität in Unternehmen
 8)   Internet-Infoportal zum Thema Kriminalität
 9)   Medienchefs für Mordaufrufe von UN-Gerichtshof verurteilt
10)  Zehn Jahre Kampf gegen Korruption
11)  Allianz-Studie zum Zusammenhang zwischen Wohneigentum und Kriminalität
12)  Migration, Flüchtlinge und Integration
13)  (Lehr)-Bücher zur Kriminalistik im Überblick
14)  Kriminologische Einzelfallanalyse interaktiv auf CD-Rom
 
1) Police Futurists International (PFI)
PFI entstand in den frühen 90er Jahren durch die Initiative von Vollzugsbeamten aus aller Welt. Sie sehen ihre Mission darin, die „Qualität der Polizeiarbeit durch die Förderung und Anwendung der Zukunftsforschung“ zu erhalten. In PFI arbeiten Vollzugspraktiker, Ausbilder, Forscher, private Sicherheitsfachleute und Technologie-Experten sowie weitere Profis zusammen, um die Straf- und Sozialgerichtsbarkeit durch Professionalisierung der Polizeiarbeit zu verbessern. Die Organisation entstand aus Kursen der FBI National Academy in Quantico bei Washington DC. Weitere Informationen auf der Website http://www.policefuturists.org/. Zukunftsforschung (Langzeitplanung und Voraussagen) ist die Grundlage der PFI-Philosophie. Die Werkzeuge und Techniken dieser Disziplin werden eingesetzt, um die Entwicklung des Vollzugs genauer voraussehen und sich besser auf die Situation in 10, 20 oder gar 50 Jahren vorbereiten zu können. Zukunftsforschung bietet sowohl philosophische als auch methodologische Werkzeuge für Analyse, Voraussage und Planung, wie sie in der Polizeiarbeit bisher kaum zu finden waren.
 
 
2) Wie man den “Mitt-Semester-Blues” überwinden kann
Erfahrungen in der Lehre an Hochschulen zeigen, dass die Aufmerksamkeit der Studierenden zu Mitte des Semesters entscheidend nachlässt – und zwar unabhängig davon, wie lange das Semester dauert. Vor allem die schwächeren Studierenden verlieren in dieser Zeit das Interesse an der Lehrveranstaltung und danach oft den Anschluss. Wichtig ist es also für Lehrende, nicht nur den Beginn einer Lehrveranstaltung gut vorzubereiten, sondern sich auch darüber Gedanken zu machen, wie man dem „Mitt-Semester-Blues“ entgegnen kann. Dies kann zum Beispiel durch offene Diskussionen, aber auch durch Einbeziehung neuer (medialer) Unterrichtsmethoden geschehen. Quelle: M.J. Bolton, Overcoming Inertia: Guiding Criminal Justice Students Through Mid-Semester Slump. In:  Journal of Criminal Justice Education, 14, 2, 2003, S. 355-370.
 
 
3) Compstat überall in den USA?
Diese Dokumentation liefert die erste nationale Beschreibung der Compstat Programme, die bei der strategischen Problemlösung vermutlich eingesetzt werden. Ausgehend von einer Übersicht der amerikanischen Polizeidienststellen, untersuchen wir die Verbreitung von Compstat Programmen und die Art von Compstat Modellen in ganz USA. Im weiteren Sinne untersuchen wir auch, inwieweit Modelle der strategischen Problemlösung in die amerikanische Polizeiarbeit Eingang gefunden haben. Unsere Ergebnisse dokumentieren eine rasante „Innovationsverbreitung“ von Compstat-ähnlichen Programmen in größere Polizeidienststellen. Gleichzeitig zeigen unsere Daten, dass viele Elemente der strategischen Problemlösung dort schon angewandt wurden, bevor Compstat als programmatische Einheit bekannt wurde, und dass diese Elemente auf breiter Basis akzeptiert wurden. Quelle: D. Weisburd, S. Mastrofski et al., Reforming to Preserve: Compstat and Strategic Problem Solving in American Policing. In: Criminology and Public Policy 2, 3, 2003, p.421-456
 
 
4) Gewalt in der Familie und Kollektivwirksamkeit
Die Studie mit dem Titel "Behind Closed Doors“ (Hinter verschlossenen Türen) untersucht, ob eine bessere Kollektivwirksamkeit und Gemeinschaftsfähigkeit im Umfeld einer missbrauchten Frau eine positive Auswirkung auf deren Fähigkeit, Hilfsangebote in Anspruch zu nehmen, hatte und die Wahrscheinlichkeit erhöhte, die Gewalt zu reduzieren oder zu stoppen – unter Berücksichtigung anderer Faktoren in der Situation der Frau, die die Beendigung der Gewalttätigkeit mehr oder weniger wahrscheinlich erscheinen ließen. Die Studie ergab, dass missbrauchte Frauen, die in einer gut organisierten Nachbarschaft mit großer Kollektivwirksamkeit leben, der Gewalttätitigkeit ihres Intimpartners nicht leichter entkommen und die bestehenden Hilfsangebote nicht leichter annehmen als andere Frauen. http://www.ncjrs.org/pdffiles1/nij/grants/194711.pdf
 
 
5) Analyse polizeilicher Pressearbeit
Obwohl Polizeipressestellen seit den 70er-Jahren existieren, gibt es bisher kaum Analysen der polizeilichen Pressearbeit. Dabei kommt der Polizeipressestelle zumindest für die lokale Berichterstattung über Kriminalität ein Monopol als Nachrichtenquelle zu, da sie über den unmittelbaren Zugang zu Informationen über Kriminalität verfügt. Anhand von Ergebnissen einer Inhaltsanalyse von Polizeipresseinformationen zeigt der vorliegende Beitrag, dass die Polizeipressestelle die Medienberichterstattung über Kriminalität weitgehend vorwegnimmt. Dies betrifft vor allem die zeitliche Verteilung der Informationen (Berichterstattung in Wellen) und die Struktur der Delikte. Im Vergleich mit der Polizeilichen Kriminalstatistik fallen hier erhebliche Verzerrungen auf, die sich tendenziell ebenfalls auf den Umgang mit Informationen bezüglich der Tatverdächtigen erstrecken, auch wenn der Persönlichkeitsschutz der Beteiligten insgesamt (Tatverdächtige und Opfer) eingehalten wird. Schäfer, Anne, Polizeiliche Pressearbeit und ihr Umgang mit der Kriminalstatistik In:  Monatsschrift für Kriminologie 1, 85, 2002, S. 55-67 (abstract von der website der Monatsschrift)
 
 
6) Die Öffentlichkeit mit einbeziehen: Die Rolle von Polizeibehörden
David Dalgleish, Maria Docking, Andy Myhill, Oliver Sindall und Stella Yarrow führten Untersuchungen über die öffentliche Wahrnehmung von polizeilicher Verantwortlichkeit und Entscheidungsfindung sowie über die Rolle von Polizeibehörden in der öffentlichen Verpflichtung durch. Eine Zusammenfassung der Ergebnisse der Studien einschließlich Schlussfolgerungen und Empfehlungen ist unter

http://www.homeoffice.gov.uk/rds/whatsnew1.html

(On-line Report 37/03 - The role of police authorities in public engagement (4.11.03)) zu finden. Der Abschlußbericht beider Untersuchungen kann im Ganzen unter http://www.homeoffice.gov.uk/rds/whatsnew1.html

(On-line Report 37/03 - The role of police authorities in public engagement (4.11.03)), (On-line Report 38/03 - Public perceptions of police accountability and decision-making (4.11.03)) nachgelesen werden.
 
 
7) Mitarbeiterkriminalität in Unternehmen
Betrug, Diebstahl, Unterschlagung: In deutschen Unternehmen grassiert die Mitarbeiterkriminalität. Ob in der Chefetage, im Büro oder in der Lagerhalle: Veruntreuungsschäden gibt es in allen Ebenen - mit zunehmender Tendenz. Bei etwa 40 Prozent der Betrugs-, Diebstahl- und Unterschlagungsdelikte sind die Täter eigene Mitarbeiter der betroffenen Unternehmen. Der Anstieg der Verluste durch Mitarbeiterkriminalität hält ungebrochen an. Im vergangenen Jahr entstanden deutschen Firmen auf diese Weise Schäden in Höhe von rund 3 Milliarden Euro. Die wenigsten Unternehmen haben sich gegen dieses Risiko versichert: Aus der Vertrauensschadenversicherung wurden daher in den vergangenen Jahren pro Jahr kaum mehr als 50 Millionen Euro Schadensleistungen fällig. Quelle: GdV-Presseforum Mai 2003 unter http://www.gdv.de/presseservice/21725.htm
 
 
8) Internet-Infoportal zum Thema Kriminalität
Vornehmlich an Journalisten richtet sich ein im November 2003 neu eingerichtetes „Informationsportal zum Thema Kriminalität“. Unter www.journascience.org werden Beiträge zu verschiedenen Themen aus dem Bereich der Kriminalitätsbekämpfung und –analyse bereitgestellt. Links sowie eine „Expertenübersicht“ und ein Glossar sollen das Angebot abrunden.
 
 
9) Medienchefs für Mordaufrufe von UN-Gerichtshof verurteilt
In den USA sind polemische Talk-Shows (auch) heute nichts ungewöhnliches und in unstabilen Ländern wird im Radio und in Zeitungen auch schon mal offen zu Mord und Völkermord aufgerufen. In Ruanda hetzten "Radio Machete" und "Hate Radio" sowie die zweiwöchentlich erscheinende radikale Kangura-Zeitung 1994 kräftig gegen die größte Einwohnergruppe der Tutsi und die vermittelnd eingreifenden Hutu. Mit Erfolg: Über 800.000 Tutsi wurden von ermordet. Da die Medienmacher ihre Propaganda ausdrücklich als "Krieg mit Worten, um den Krieg mit Kugeln zu unterstützen" organisiert hatten, wurden sie nun von der UN, genauer dem Internationalen Kriegsverbrecher-Gericht für Ruanda (ICTR), verurteilt: Wegen Völkermord, Anstiftung zum Völkermord, Verschwörung, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Verfolgung und Ausrottung der Tutsi wurde der Gründer und Chefideologe der RTLM, zu lebenslänglicher Haft verurteilt. Der ausführliche Artikel zu finden unter: http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/co/16251/1.html
 
 
10) Zehn Jahre Kampf gegen Korruption
Seit 1993 prangert Transparency International (http://www.transparency.org ) Korruption weltweit an. Im Sommer diesen Jahres hat die Organisation nun das erste „Globale Korruptions Barometer“ herausgegeben, gemeinsam entwickelt mit Gallup International. In drei von vier Ländern sind die politischen Parteien die Institutionen, die von der Bevölkerung am ehesten von Korruption befreit sehen möchten, am auffälligsten ist dies in Argentinien und Japan. Danach folgen die Gerichte, vor allem in Peru und Indonesien. Hiernach folgt dann schon die Polizei. In Deutschland sehen übrigens 76% der Befragten Korruption als nicht signifikantes Problem an. Demgegenüber stehen 6,6% sehr signifikant. Das Barometer ist zu finden unter (PDF-File in Englisch, Französisch oder Spanisch): http://www.transparency.org/surveys/index.html
 
 
11) Allianz-Studie zum Zusammenhang zwischen Wohneigentum und Kriminalität
Eine aktuelle Studie der Allianz Lebensversicherungs-AG stellt eine starke negative Korrelation zwischen der Wohneigentumsquote und der Kriminalitätsrate in Deutschland fest. Statistisch wird belegt, dass in Bundesländern mit einer höheren Wohneigentumsquote die Kriminalität gemessen an der Zahl polizeilich erfasster Delikte grundsätzlich geringer ist. Gleiches gilt für Wohnungseinbruchdelikte. Eine abschließende Ursache-Wirkungs-Analyse ist jedoch nicht Inhalt der Untersuchung. Quelle: Allianz Lebensversicherungs-AG, Unternehmenskommunikation, Reinsburgerstraße 19, 70178 Stuttgart. Quelle: DFK-Newsletter, www.kriminalpraevention.de
 
 
12) Migration, Flüchtlinge und Integration
Die Schriftenreihe „Migration, Flüchtlinge und Integration“ liefert Hintergrundinformationen zu Fachthemen des Asyl- und Ausländerrechts und beleuchtet Fragen aus dem Umfang Einwanderung und Migration. Band X trägt den Titel: Wanderungsbewegungen. Pro Band wird eine Schutzgebühr von 3,00 EUR incl. Porto erhoben. Weitere Informationen zu diesem Thema finden Sie auf der Website des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge www.bafl.de. Quelle: Bundesministerium des Innern, Email: poststelle@bmi.bund.de , Internet: www.bmi.bund.de. Quelle: DFK-Newsletter, www.kriminalpraevention.de
 
 
13) (Lehr)-Bücher zur Kriminalistik im Überblick
Im Buchbesprechungs-Teil des Polizei-Newsletter unter

www.polizei-newsletter.de/books_german.php steht eine Sammelbesprechung der wichtigsten Kriminalistik-Lehrbücher bereit. Vorgestellt und kommentiert werden u.a. die Bücher von Hans Walder, „Kriminalistisches Denken“ aus dem Kriminalistik-Verlag, von Rolf Ackermann, Horst Clages und Holger Roll das „Handbuch der Kriminalistik“ aus dem Richard Boorberg-Verlag), das Buch „Kriminalistik – Grundlagen der Verbrechensbekämpfung“ von Wolf-Dietrich Brodag (ebenfalls Richard Boorberg-Verlag) und schließlich das Lehrbuch von von Robert Weihmann „Kriminalistik - ein Grundriss für Studium und Praxis“ aus dem Verlag deutsche Polizeiliteratur.
 
 
14) Kriminologische Einzelfallanalyse interaktiv auf CD-Rom
Eine Ende letzten Jahres erschienene CD-Rom betritt Neuland: Sie vermittelt einen umfassenden Überblick über die kriminologische Einzelfallanalyse. Im Methodikteil werden die Erhebungen zum Täter in seinen sozialen Bezügen, die Analyse der Lebensbereiche, die kriminologische Diagnose, die Kriminalprognose einschließlich Früherkennung krimineller Gefährdung, und die Kriminalprävention eingehend dargestellt. Im Didaktikteil enthält die CD interessante Einzelfälle, vorbildliche Gutachten unterschiedlich arbeitender Sachverständiger und aufschlussreiche Stellungnahmen erfahrener Praktiker. Die CD bietet für Studierende und Lehrende sorgfältig aufbereitete Powerpointpräsentationen und über 100 Prüfungsfragen zur kriminologischen Einzelfallmethodik mit Hinweisen zur Beantwortung. Prüfungsgespräche vermitteln einen unmittelbaren Eindruck von Prüfungen über Fälle bzw. Probleme der kriminologischen Einzelfallmethodik. Nicht zuletzt will die CD auch „Edutainment“ bzw. Infotainment sein. So findet man im Unterhaltungsteil Musik, Videoclips, Pausenspiele und weitere überraschende Elemente, zum Teil mit kriminologischem Bezug. Die KrimCD ist die erste deutschsprachige Kriminologie-CD-ROM und geht völlig neue Wege. Durch die Möglichkeit, BiId, Ton und Text auf einem Medium zu speichern und vorzustellen, ist die CD-ROM dem herkömmlichen Buchdruck — gerade für den vorliegenden Zweck — weit überlegen (z.B. Videoclip einer kriminologischen Exploration). Ausgewählte Texte zur kriminologischen Einzelfallanalyse findet man hier ohne lästiges und mühseliges Suchen in Bibliotheken. Die KrimCD enthält — in anonymisierter Form — lehrreiche Fälle Explorationen, Gutachten und Stellungnahmen, auf die man sonst keinen Zugriff hätte. Die Dokumente der KrimCD sind durch interne Hyperlinks (sprung- und wortgenau durch Textmarken) verbunden und werden durch ein verlinktes Inhalts- und Stichwortverzeichnis erschlossen. Die KrimCD kann für 8 € beim Verfasser bestellt werden: Dr. Rüdiger Wulf, Justizministerium Baden-Württemberg, Schillerplatz 4, 70173 Stuttgart, wulf@jum.bwl.de www.jura.uni-tuebingen.de/wulf