Don Winslow – Das Kartell

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Winslow, Don;
Das Kartell; Erschienen bei Droemer Knaur 2015, ca. 17€, ISBN 978-426-30429-7, ca. 800 Seiten

Das_Kartell

Am Abend des 11. Juli 2015 brach Joaquín Guzmán aus dem mexikanischen Hochsicherheitsgefängnis El Altiplano aus, in dem er kaum mehr als ein Jahr eingesessen hatte. Guzmán, genannt „El Chapo“, der Kleine, ist der Kopf des Sinaloa-Drogenkartelles und gilt als einer der mächtigsten Drogenbosse der Welt. Seine Flucht glückte ihm durch einen über einen Kilometer langen Tunnel der neben einem Belüftungssystem zudem mit einem umgebauten Schienen-Motorrad ausgestattet war. Zuvor war ihm bereits im Jahre 2001 die Flucht aus dem Hochsicherheitsgefängnis Puente Grande gelungen, angeblich in einem Wäschetransporter. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass er einfach zur Gefängnistür herausspazierte, unbehelligt von den Wachen deren Kooperation er sich zuvor durch üppige Geldzahlungen gekauft hatte. Auch bei seiner jetzigen Flucht ist davon auszugehen, dass er eine Reihe von Helfern und mächtigen Unterstützern hatte. Manche sagen sogar, dass die Flucht von der mexikanischen Regierung gebilligt wurde um das durch die Festnahme Guzmáns entstandene Machtvakuum zwischen den rivalisierenden Drogenkartellen aufzulösen und der damit einhergehenden Eskalation des Drogenkrieges Herr zu werden. In weiten Teilen der mexikanischen Bevölkerung hingegen wird Guzmán als eine Art Robin Hood verklärt der mit Lobeshymnen den sog. narcocorridos gepriesen und verehrt wird.

Als Europäer könnte man geneigt sein über dieses groteske Possenspiel mit geradezu shakespearschen Zügen zu schmunzeln, wäre da nicht die brutale Realität des mexikanischen Drogenkrieges dem in den vergangenen Jahren bis zu 50.000 Menschen zum Opfer fielen. Allein 2000-3000 Tote sollen allein auf das Konto von El Chapo gehen. Wer ein umfassendes Bild von der Situation in Mexiko bekommen möchte, wer einen Einblick in die harte Realität des Drogenkrieges, in die zersetzenden Mechanismen von Korruption, Erpressung und Mord erlangen will und sich dabei auch für das enorme Leid der Bevölkerung interessiert, der sollte Don Winslows ‚Das Kartell‘ lesen. Der hervorragend recherchierte Roman beschreibt auf 800 Seiten verschiedene Facetten einer Gesellschaft die an dem Würgegriff sich bis aufs Blut bekämpfender Drogenkartelle langsam zu ersticken droht. Winsolw zeichnet ein schonungsloses Bild des täglichen Kampfes gegen die Drogen, der in seiner menschenverachtenden Brutalität bisweilen nur schwer erträglich ist und einen erschütterten und ratlosen Leser zurücklässt. Obwohl und vielleicht gerade weil es sich bei ‚Das Kartell‘ um ein fiktives Werk handelt, welches jedoch von den tatsächlichen Geschehnissen inspiriert ist der Eindruck des Buches ungleich tiefer als dies etwa ein wissenschaftliche Abhandlung beim Leser hinterlassen könnte. Allen denjenigen, die sich für Drogenpolitik, für organisierte Kriminalität und die zersetzendende Kraft von Korruption aber auch die Konsequenzen für die Gesellschaft interessieren, sei dieses Buch ans Herz gelegt.

Rezensiert von: Robin Hofmann