Manfred Rolfes – Kriminalität, Sicherheit und Raum

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Rolfes, Manfred; Kriminalität, Sicherheit und Raum; Humangeografische Perspektiven der Sicherheits- und Kriminalitätsforschung; Franz Steiner Verlag Stuttgart 2015. 211 S., ISBN 978-3-515-10635-1, 24,90 Euro

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Nicht erst seit der Diskussion um „predictive policing“ und der Kritik an dem „New Yorker Modell“, das wesentlich auf regionalen Kriminalitätsanalysen basierte, beschäftigt sich die Kriminologie mit dem Zusammenhang zwischen Raum und Kriminalität. Denn spätestens seit der sog. „Chicagoer Schule“ weiß man, dass sog. sozialökologische Ansätze, die sich mit Relationen zwischen Stadtraum, Nachbarschaften und den dort lebenden Menschen beschäftigen, nicht nur für die Erklärung von Kriminalität relevant sind, sondern vor allem auch für präventive Maßnahmen.Insofern ist es nicht verwunderlich, dass die umfangreichen, leider aber weder methodisch noch inhaltlich koordinierten Studien zur Kommunalen Kriminalprävention ebenfalls diesen Aspekt in den Vordergrund gestellt haben.

Für die Polizeiwissenschaft ist das Thema zwar neuer, aber dennoch höchst relevant. Denn die räumliche Verteilung von polizeilichen Ressourcen ist ein ebenso beständiger Kritik- und Diskussionspunkt wie die Frage, mit welchen präventiven oder repressiven Mitteln man darauf reagieren sollte – denn dass es hier keine multifunktionalen Lösungen gibt, wird (leider erst allmählich) erkannt. Weder kann man den Personalbestand ausschließlich an der Zahl der Einwohner oder an der Kriminalitätsrate festmachen, noch kann man Präventionsmaßnahmen einheitlich überall einsetzen. Es sind vielmehr maßgeschneiderte Lösungen erforderlich, und diese wiederum verlangen eine genaue Kenntnis und vor allem eine solide Bestandsaufnahme und anschließende Analyse der lokalen Situation.

Leider fehlt es an umfassenden interdisziplinären Ansätzen, um solche Erhebungen durchzuführen und die Ergebnisse angemessen zu interpretieren. Der Polizei-Newsletter hat dazu Bücher vorgestellt, die sich – aus unterschiedlichen Perspektiven – mit den Themen Nachbarschaft beschäftigt haben (z.B. zuletzt Wade, Mikrokosmos Stadtviertel. Lokale Partizipation und Raumpolitik; s. den Buch-Blog. Erstmals liegt nun für den deutschsprachigen Raum ein „geographisches Lehrbuch“ vor, das sich in kompakter Form mit den Zusammenhängen von (Un-) Sicherheit, Kriminalität und Raum befasst. Manfred Rolfes stellt darin die zentralen Aspekte einer humangeographischen Sicherheits- und Kriminalitätsforschung dar. Dabei werden traditionelle und zeitgenössische Ansätze der Kriminalgeographie werden ebenso kritisch in den Blick genommen wie Methoden zur Beobachtung und Analyse des Zusammenhangs von Sicherheit, Kriminalität und Raum, raumorientierte Präventionspolitiken und Sicherheitsproduktionen oder Beobachtungen über urbane (Un-) Sicherheiten.

Einzelne Themen sind u.a. Subjektive Sicherheit und ihre Bestimmungsfaktoren; (Un-)Sicherheitskommunikation; Kriminalität und ihre sozialen Bedingungen; Kriminalgeographie in Deutschland in den 1970er und 1980er Jahren; Raumkonzeptionelle Überlegungen im Themenkontext von Sicherheit und Kriminalität; Raumbezogene Kriminalitäts- und Sicherheitsanalysen sowie Crime Mapping und der Einsatz von Karten und Geographischen Informationssystemen zur Kriminalitätsanalyse. Im Bereich der Prävention geht es u.a. um Strategien und Mechanismen urbaner Sicherheitsproduktion.

Das Buch von Rolfes gibt tatsächlich erstmals einen umfassenden und interdisziplinären Überblick über die Diskussionen im Zusammenhang mit räumlichen Phänomenen der Kriminalität. Es ist, auch aufgrund der didaktisch klugen Aufbereitung, jedem zu empfehlen, der sich einen Eindruck von der Komplexität dieses Themas machen will. Und dass diese Komplexität einfache Antworten und einfache Präventionsansätze verbietet, versteht sich eigentlich von selbst. Entsprechend ist das Buch „Pflicht“ für all diejenigen, die wissen, das Kriminalität räumlich unterschiedlich verteilt ist , die wissen wollen, warum das so ist und die sich mit der Frage beschäftigen, welche kriminalpräventiven Schlussfolgerungen man daraus ziehen kann.

Rezensiert von: Thomas Feltes