Clemens Lorei (Hrsg.) – Studien zur Eigensicherung: Neue Studien zur Polizei im Jagdfieber

334)
Lorei, Clemens (Hrsg.); Studien zur Eigensicherung: Neue Studien zur Polizei im Jagdfieber; Polizeiwissenschaftliche Analysen, Band 27, Verlag für Polizeiwissenschaft, Frankfurt 2015, ISBN 978-3-86676-201-5, 260 Seiten, 24.90 €

studien_zur_Eigensicherung

In unseren Studien zu „Police Use of Force“[1] haben wir 2009 den „Jagdinstinkt“ als wichtiges, auch im internationalen Vergleich häufig vorhandenes Element benannt, das immer dann eine Rolle spielt, wenn eine bestimmte Eskalationsstufe polizeilichen Handelns erreicht wird. In der Diskussion des Szenarios, die der Studie weltweit zugrunde gelegt wurden, spielte das u.a. im Zusammenhang mit der Verfolgung eines flüchtenden Fahrzeuges und der „Verfolgung bis zur letzten Konsequenz, inklusive Rammen aufgrund des aufkommenden“ eine Rolle und wurde von uns als „Jagdfieber“ beschrieben. Ebenso haben wir den Verstoß gegen den Grundsatz, sich niemals vom Streifenpartner zu trennen, das Prinzip „Jeder schnappt sich einen” aufgrund des Jagdfiebers (Emotion) anhand von Zitaten aus den Interviews mit Polizeibeamten beschrieben.

Im meinem Beitrag von 2011[2] habe ich verschiedene Fälle solcher Verfolgungsfahrten, die Ausdruck dieses Jagdfiebers sind, beschrieben und analysiert. Im Gegensatz zum Herausgeber dieses Bandes, der der Auffassung ist, dass das so genannte Jagdfieber oder der Jagdtrieb nicht als Erklärung herangezogen werden kann, wenn polizeiliches Handeln übertrieben oder unverhältnismäßig erscheint, weil „mit diesem Zirkelschluss … nichts erklärt“ sei, bin ich allerdings der Auffassung, dass die von uns beschrieben und analysierte psychologische Komponente des Jagdfiebers (also jemanden, der sich – angeblich – strafbar gemacht hat, nicht ungestraft davonkommen lassen zu können, weil damit ein (subjektiv empfundener) Autoritätsverlust einhergeht) sehr wohl eine relevante Dimension zur Erklärung darstellt. Auch kann der Auffassung (so der Verlag auf seiner Website) nicht gefolgt werden, dass „Paradox zu der Bedeutung dieses Phänomens … der wissenschaftlich gesicherte Kenntnisstand“ erscheint – womit wohl gemeint sein soll, dass dieser dürftig ist, was gerade nicht der Fall ist.

Daher meint der Verlag auch, diesem „Mangel“ mit der Forschungsreihe „Abhilfe schaffen“ zu müssen. Der vorliegende Sammelband stelle neben theoretischen Annäherungen einige Studien vor, die Ursachen, Einflüsse und insbesondere Interventionsmöglichkeiten diesbezüglich untersuchen. Letzteres ist sicherlich richtig, und es ist in jedem Fall sinnvoll, sich mit den Beiträgen zu beschäftigen – auch, wenn die Autoren sich vielen der Beiträge im Wesentlichen selbst zitieren und ausländische Literatur und entsprechende Studien kaum zur Kenntnis genommen werden.

[1] Eine Übersicht findet sich z.B. hier: Astrid Klukkert, Thomas Ohlemacher, Thomas Feltes: Torn between two targets: German police officers talk about the use of force. Crime Law and Social Change 08/2009; 52(2); verfügbar unter http://www.researchgate.net/publication/47746876_Torn_between_two_targets_German_police_officers_talk_about_the_use_of_force. Deutsche Veröffentlichungen dieser Autoren: Die diskursive Rechtfertigung von Gewaltanwendung durch Polizeibeamtinnen und -beamte ­– Methoden und Ergebnisse eines empirischen Forschungsprojektes. In: Polizei & Wissenschaft 2008, S. 20-29 sowie „…, dann habe ich ihm auch schon eine geschmiert.“ Autoritätserhalt und Eskalationsangst als Ursachen polizeilicher Gewaltausübung. In: MSchrKrim 4/2007, S. 285-303

[2] Polizeiliche Verfolgungsfahrten und der „Jagdinstinkt“. Kriminologisch-polizeiwissenschaftliche Anmerkungen zu einem wenig beachteten Phänomen. In: Polizei & Wissenschaft 2011, S. 11-23

Rezensiert von: Thomas Feltes, November 2015