Maximilian Edelbacher / Peter C. Kratcoski / Bojan Dobovšek (Hrsg.) – Corruption, Fraud, Organized Crime, and the Shadow Economy

351) Edelbacher, Maximilian[1] / Kratcoski, Peter C.[2] / Dobovšek, Bojan[3] (Hrsg.); „Corruption, Fraud, Organized Crime, and the Shadow Economy“[4]; (ISBN: 978-1-4822-5531-7, 212 Seiten, CRC Press, Taylor & Francis Group,  Boca Raton, Florida, US, „Advances in Police Theory and Practice Series“[5], 2016, 63,99.- £)

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Der Verlag bewirbt den Sammelband mit 18 Beiträgen von 22 Autoren nebst einer Einführung und Schlussfolgerungen / einem Ausblick der Herausgeber einleitend:

„Fueled by corruption, fraud, and organized crime, the shadow economy – also known as the informal, black market, illegal, or underground economy – is currently on the rise worldwide. Corruption, Fraud, Organized Crime, and the Shadow Economy addresses shadow economies and the players involved by examining various aspects of criminal law and prosecution (…).“

Die durchgängig kurzen Aufsätze und Beiträge beleuchten verschiedene Problem­stellungen dieses Themen­bereiches phänomenologisch, ätiologisch und individual-psycho­logisch aus unter­schiedlichen internationalen, interdiszi­plinären Perspektiven, z. B. aus dem Blickwinkel einiger europäischer Staaten (Österreich, Rumänien, Serbien, Slowenien), der Ver­einigten Staaten von Amerika, China und Japan.

Der Gedanke zu dem Buch, folgt man den einführenden Worten der Herausgeber, entstand im Jahr 2014, am Rande des jährlichen Treffens der „Commission on Crime Prevention & Criminal Justice“ des „United Nations Office on Drugs and Crime“ (UNODC), im Büro der UN-Organisation in Wien. Yuri Fedotov, der Executive Director von UNODC und Generaldirektor des „United Nations Office in Vienna“ UNOV) bat die Mitglieder einer informellen interdisziplinären Arbeitsgruppe[6], bestehend aus Wissenschaftlern und Prak­tikern (darunter auch die Herausgeber) um eine Aktualisierung der offiziellen Position des UN-Office zu den Phänomenen „Organisierte Kriminalität“ (OK) und „Schattenwirtschaft“.

Einführend definieren die Herausgeber, die allesamt mit eigenen (z. T. mehreren) Aufsätzen[7] in dem Sammelband vertreten sind, die Begrifflichkeiten, was auch angesichts des weltweit sehr unterschiedlichen semantischen Verständnisses, z. B. nur des Begriffs der „Schattenwirtschaft“, durchaus erforderlich ist und setzen insbesondere letztere in Bezug zu Deliktsfeldern der OK, wie dem Menschenhandel und der Korruption. Dabei gehen sie zurecht nicht mehr von dem archaischen Bild krimineller Organisationen aus, sondern identifizieren die Gefahr für die Volkswirtschaften weltweit insbesondere auch durch einen kriminell (ggf. sogar organisiert im Unternehmensansatz) zu nennenden Speku­lationskapitalismus, der zugunsten weniger mit den immer knapper werdenden Ressourcen vieler aus schlichter Profitgier und zur Befriedigung einer beinahe pathologischen „Zockermentalität“  „spielt“.

Gerade die weltweite Finanzkrise, beginnend im Jahr 2008, so die Autoren resümierend, zeigte die Relevanz gerade der Finanzmärkte für die weltweite Sicherheitsarchitektur. Die Zusammenhänge zwischen einer informell gestalteten „Schattenwirtschaft“, Korruption und organisierter Kriminalität sind fließend und nicht nur wegen ihrer Internationalität sondern auch wegen ihrer in vielen Staaten der Welt traditionell / kulturell bedingten Anlage sehr komplex. Kriminalität in einer international derart strukturell inhomogenen Erscheinung macht es sehr schwer, Lösungen nach einheitlichen legislativen oder anderen gesellschaftlichen Regularien zu finden und zu implementieren. Eine Standardisierung, die es ggf. ermöglichen könnte im Zuge internationaler Übereinkommen rechtshilfefähige und Maßnahmen auslösende nationale justizielle Beschlüsse oder Verwaltungsakte weltweit justiziabel zu machen, scheint mangels Kooperationsbereitschaft der Beteiligten, eigener Markt- und Wachstumsinteressen und lobbyistischer Aktivitäten der Profiteure nur schwer entwickelbar.

Insofern zeigt dieses Buch durch die Internationalität der Autorengemeinschaft genau solche unterschiedlichen Perspektiven, die dadurch vorhandene Komplexität der Problematik und evtl. Lösungsansätze und die Spielräume krimineller Unternehmungen recht anschaulich auf. In dieser Komplementarität, nicht in der Tiefe der einzelnen nationalen Beiträge, liegt also der Mehrwert des Werkes. Es wird deutlich, dass die immer noch in weiten Teilen nationalstaatlich organisierte „Law Enforcement Power“ bis jetzt nicht an­nähernd mit dem Tempo der ökonomischen Globalisierung Schritt zu halten vermag. Am Beispiel einiger weniger ausgewählter Aufsätze aus dem Werk kann dies verdeutlicht werden.

Der an der Norwegian Business School in Oslo lehrende Wirtschafts- und Sozialwissenschaftler Petter Gottschalk greift sich in seinem Aufsatz „The Role of Lawyers as Defenders of White Collar Criminals“ (S. 71 – 80) ein unabhängiges Organ der Strafrechtspflege in diesem Themenfeld heraus. In Tradition von Sutherlands Untersuchung zu diesem Phänomen (erstmals veröffentlicht in der American Sociological Review, Vol. 5, No. 1, Feb. 1940) stellt er diesen Tätertypus als privilegierten Angehörigen einer  Finanzelite dar, der illegale Finanztransaktionen als Teil seiner Profession betrachtet und sich nötigenfalls allerbester Verteidigung bedient, also auch vor Gericht insofern in der Regel gegenüber wirtschaftlich Benachteiligten Straftätern prozesstaktisch privilegiert ist und dadurch auch gemessen an seinem Vergehen und dem damit verursachten volkswirtschaftlichen Schaden durchschnittlich milder bestraft wird.

In seinem zweiten Aufsatz in diesem Buch „Hells Angels in the Shadow Economy“ (S. 159 – 165) thematisiert Petter Gottschalk die Rolle des Hells Angels Motorcycle Club (HAMC) in der Schattenwirtschaft (die er in Anlehnung an den Aufsatz von Dobovšek / Slak: „The Informal Economy and Organized Crime“ nochmals in die Bereiche „Gray Informal Market“ und „Black Informal Market“ unterteilt und die Geschäfte des HAMC eindeutig dem „Schwarzmarkt“ zuweist). Er bezeichnet den weltweit in teilautonomen Chaptern organisierten Club als kriminelle Matrix-Organisation, der „Marke“ beinahe den Bekanntheitsgrad internationaler Handelsmarken wie Coca Cola, McDonalds oder Nike erreiche! In der Übersicht Table 15.1 zeigt er eine aussagekräftige siebengliedrige[8] Gegenüberstellung der Charakteristika krimineller und legaler Geschäftsorganisationen.

Besonders interessant scheinen trotz der dargestellten internationalen phänomenologischen Perspektive, schon wegen der unmittelbaren Nachbarschaft zu Österreich, die Beiträge von Dr. Martin Meissnitzer, Rechtswissenschaftler und Lehrbeauftragter an der Universität Wien, „Construction Mafia?“ Social Fraud and Organized Crime – The Austrian Perspective (S. 91 – 96) und dem Mitherausgeber Edelbacher, „Organized Crime and the Informal Economy: The Austrian Perspective“ (S. 97 – 110).

Meissnitzer thematisiert in seinem Beitrag die Baumafia in Österreich, ein inzwischen weltweit organisiertes und nicht nur in unserem Nachbarland höchst ausbeuterisches, durch abenteuerliche Firmenkonstuktionen und Subunternehmerkontrakte undurchsichtiges Geschäft auf dem Rücken zahlloser Arbeiter, die sehr häufig unversichert gegen alle gesundheitlichen und sozialen Risiken mit ihrer Hände Arbeit „sklavengleich“ den Profit der Projekte maximieren. Ähnlich wie in Österreich haben der Ausbau der Arbeitsschutzvorschriften, die Erhöhung der Kontrollkapazitäten beim Zoll (der in Deutschland i. R. d. „Finanzkontrolle Schwarzarbeit“ für die Kontrolle von Baustellen zuständig ist und u. a. die Einführung der Strafbarkeit des Menschenhandels zur Arbeitsausbeutung  im Jahre 2005 in § 233 StGB dieses Problem offenkundig nicht unter Kontrolle bringen können. Die Anwendungsfälle des § 233 StGB in der PKS umfassen z. B. in der PKS 2014 in allen Fallkonstellationen weniger als 200 Fälle.

Edelbacher legt in aller Kürze einen sehr gut gegliederten Parforce-Ritt zu den Verflechtungen der OK und der Schattenwirtschaft dar, wer im Einzelnen profitiert, wer die Kosten zahlt und wie sich Transparenz und Prävention auszahlen könnten.

Wie bereits weiter oben erwähnt zeigt dieses Buch durch die Internationalität der Autorengemeinschaft und Beiträge unterschiedliche Perspektiven des Phänomens, die dadurch vorhandene Komplexität der Problematik, die dadurch nur schwer zu definierenden und implementierbaren Lösungsansätze und die Spielräume krimineller Unternehmungen recht anschaulich auf. In dieser Komplementarität, nicht in der Tiefe der einzelnen nationalen Beiträge, liegt also der Mehrwert des Werkes.

[1] Kurzvita Maximilian Edelbacher

[2] Seit 1997 Prof. em. an der Kent State University, Ohio/US, zuletzt Chairman of the Department of Criminal Justice Studies der Universität.

[3] Lehrstuhl Dobovšek „Criminal Justice und Security“ an der Universität Maribor

[4] Siehe Hinweis auf der Verlags-Website von CRC Press und Inhaltsverzeichnis des Buchs sowie nochmals (vgl. Fn. 1 – 3) die Kurzbiografien der drei Herausgeber.

[5] In der Serie „Advances in Police Theory and Practice“ sind zum Zeitpunkt der Rezension 31 Titel erschienen

[6] Neben den Herausgebern gehören dieser Arbeitsgruppe im Kern Prof. Dr. Arije Antinori, ein Kriminologe der Fakultät für Kommunikation und Sozialforschung der Sapienza-Universität in Rom, Prof. Dr. Branislav Simonovic von der Juristischen Fakultät der Universität Kragujevac in Serbien, Prof. Dr. Michael Theil von der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien, Ass.-Prof. Dr. Gilbert Norden vom Institut für Soziologie der Universität Wien und der österreichische Psychotherapeut und Coach Christian Felsenreich.

[7] Dobovšek / Slak mit „The Informal Economy and Organized Crime“ (S. 7 – 18); Kratcoski mit „The Informal Economy: The Connection to Organized Crime. White Collar Crime and Corruption“ (S. 53 – 64); Edelbacher: „Organized Crime and the Informal Economy: The Austrian Perspective“ (S. 97 – 110); Dobovšek / Eman / Furdi / Hacin: A Discourse on the Gray Economy, Corruption and Organized Crime in Slovenia“ ( S. 167 – 180).

[8] Mit den Markern „Management“, „Organization“, „Recruitment“, „Leadership“, „Re­lationships“, „Finance“ und „Marketing“.

Rezensiert von: Holger Plank