Christine Lehmann – Die Affen von Cannstatt

353) Lehmann, Christine; Die Affen von Cannstatt; Ariadne Kriminalroman 1195, Argument-Verlag Hamburg, 2013, ISBN 978-3-86754-195-4, 285 S., 12.- €

affen_von_cannstatt

Schon mal im Knast gesessen? Wenn nicht, dann lohnt es sich, diesen Kriminalroman zu lesen. Aber nicht nur dann…

Dieser Krimi ist anders – schreibt die Autorin dazu auf ihrer website. „Er fängt da an, wo andere aufhören. Deshalb musste auch ich zu anderen Mitteln greifen.“[1]

Diese „anderen Mittel“ ziehen den Leser recht schnell in seinen Bann, wobei es nicht nur die Tatsache ist, dass es sich um einen in sich spannenden Krimi handelt; vielmehr wird hier (indirekt) auch ein Stück Knastrealität dargestellt, und zwar ohne spektakuläre Ereignisse, dafür aber mit vielen subtilen und gut beschriebenen (und daher nachvollziehbaren und unter die Haut gehenden) Details. Wie fühlt sich jemand, der plötzlich von der Außenwelt isoliert ist, zuvor aber ein einigermaßen geordnetes Leben geführt hat? Die Protagonistin des Romans landet ebenso unvermittelt im Knast, wie der Leser von ihren Eindrücken dort überwältigt wird. Camilla sitzt im Frauengefängnis Schwäbisch Gmünd, auch Gotteszell genannt, in U-Haft. Sie darf mit niemandem, außer ihrem Anwalt, über den Fall reden. Dabei braucht sie draußen dringend jemanden, der sich ihrer Sache annimmt. Denn die Beweise sind erdrückend, eigentlich unwiderleglich. Und was die Polizei zusammengetragen hat, kann man nicht so ohne weiteres entkräften. Sie schreibt: „Ich bin die Tochter einer Kindsmörderin. Das klebt an mir. Immer fürchte ich, dass man es mir ansieht, dass die Art, wie ich spreche, wie ich mich anziehe, mich verrät …“ Eine übergriffige Journalistin, die Camilla verführt und sich ihr Vertrauen erschlichen hat, liefert sie ans Messer – und wer glaubt schon der gehemmten Tochter einer gesuchten Kindsmörderin, dass sie unschuldig ist?

Der Roman springt immer wieder mit als „Haftbuch“ überschriebenen Kapiteln, in denen Camilla ihre Befindlichkeit und die Entwicklungen im Knast beschreibt, und Kapiteln, die mit „Verteidigung Camilla Feh“ überschrieben sind, die sich mit dem Versuch beschäftigen, die Beweise der Polizei zu entkräften und den „eigentlichen“ Täter zu überführen.

Alle Jura-Studenten, die sich mit dem Thema Strafvollzug beschäftigen, sollten diesen Krimi lesen (nicht nur, weil Camilla auch eine Studentin ist/war). Für Fachbücher zum Strafvollzug ist danach immer noch Zeit.

[1] http://christine-lehmann.blogspot.de/2013/06/die-affen-von-cannstatt.html

Rezensiert von: Thomas Feltes