Steven P. Lab – Crime Prevention. Approaches, Practices, and Evaluations

361) Lab, Steven P. [1]; „Crime Prevention. Approaches, Practices, and Evaluations“ [2]; ISBN: 978-0-323-35772-2 für die Paperback-Ausgabe, 452 Seiten, Routledge / Taylor & Francis Group, Abingdon / Oxfordshire / UK, 9. Auflage 2016, £ 49,99 – £ 175.- als Hardback

Lab_Crime Prevention

Das Werk, erstmals aufgelegt im Jahr 1988, ist 2016 bei Routledge in der 9. Auflage erschienen. Es beschäftigt auf 353 Textseiten (und knapp 100 Seiten Glossar, Literatur-, Namens- und Stichwortverzeichnis) über insgesamt 17 Kapitel (davon 3 einleitende, die übrigen 14 Kapitel sind dreigeteilt unter den jeweiligen Leitthemen Primär- [6], Sekundär- [5] und Tertiärprävention [3]) mit höchst unterschiedlichen programmatischen Themenstellungen aus dem großen und tiefen Sam­mel­becken der „Prävention“, allerdings in eher beschreibender denn in vertiefender Weise. Die jeweiligen Unterkapitel sind dementsprechend kurz gehalten. Es schließt sich ab Seite 353 ein 20seitiges Glossar mit typischen (größtenteils anglo-amerikanischen) Begrifflichkeiten und Abkürzungen aus dem Bereich der Prävention an.

Der Autor,  Dr. der Kriminologie, ist zur Zeit als „visiting Professor“ im „Bil­dungsurlaub“ („sabbatical study leave“) am Jill Dando Institute[3] of Security and Crime Science am University College in London (UCL)[4], hauptamtlich ist er Inhaber eines „Criminal-Justice“-Lehrstuhls an der Bowling Green State University, Ohio/US[5] und Coordinator des „Criminal Justice Program“[6] am dortigen „Department of Human Services“. Insofern konzentriert er sich auf kriminalpräventive Maßnahmen und Techniken, die vor allem im anglo-amerikanischen Sprach­raum, speziell im Vergleich zwischen den USA und Großbritannien, ge­bräuchlich und erfolgreich eingeführt sind. Lab bilanziert selbst (S. 352), es sei ein Ziel seines Buches, auf die Vielfalt der Maßnahmen und Techniken der Kriminalprävention hinzu­weisen, obgleich auch seine Auswahl hierzu nur selektiv sei.

In Fortschreibung der ebenfalls bei Routledge im Jahr 2013 erschienenen achten Auflage des Buches vertieft Lab speziell seine Ausführungen zu „CPTED“ (vgl. Fn. 10), zur „Neighborhood Crime Prevention“ (NCP) und zu sozialräumlichen Kriminalitätsentstehungs- und Motiva­tions­theorien. Neu aufgenommen ist ein Teilkapitel „Social Media / Crime and Crime Prevention“. Im primärpräventiven Kontext ist im Kapitel 8 „Developmental Crime Prevention“ nun auch ein Abschnitt zu Mentoring-Programmen verfügbar. Deutlich ausgebaut wurde mit der Vertiefung der Elemente „Kriminalprognose / Risk-Assessment“ und „Predictive Policing“ („hot spots, hot products and prospective mapping“) das Kapitel 10 unter dem Leitbegriff „Sekundärprävention“. In einem Lehrbuch aus dem anglo-amerikanischen Sprachraum dürfen im Kapitel 11 – „Situational Crime Prevention“ natürlich auch pragmatische, eingängige und formelhafte Fortent­wicklungen bestehender taktischer „Enforcement“-Akronyme wie „SARA“[7] über die 5Is[8] hin zu den 11Ds[9] nicht fehlen. In den Kapiteln 13 („Drugs, Crime und Crime Prevention“) und 14 („The School and Crime Prevention“) wurden neue und Fortschreibungen bestehender Programme ergänzt.

Rich­tigerweise legt Lab großen Wert auf die Evaluation kriminalpräventiver Maßnahmen als „Dreh- und Angelpunkt“ („pivotal issue“) des Erfolges im Umgang mit Kriminalität und Kriminalitätsfurcht, wenngleich das Kapitel 3 („Evaluation and Crime Prevention“) im einleitenden Teil des Buches gemessen an dieser Absicht etwas kurz und definitionslastig ausfällt. Notwendige politische Rahmenbe­dingungen gelungener Kriminal­prävention bleiben hingegen in dem Buch weit­gehend un­behandelt.

Das Buch ist in seinem didaktischen Aufbau (Festlegung der Lernziele zu Beginn jedes Kapitels, kurze Zusammenfassungen zum Abschluss der Kapitel verbunden mit der Darlegung von „Schlüsselbegriffen“, im Textfluss Dar­bietung zahlreicher Übersichten und Flussdiagramme) sowohl ein akade­misches Lehrbuch zum Einstieg in das Thema „Kriminalprävention“, bietet aber auch einen guten ersten Überblick zu wichtigen Rahmenbedingungen für den Praktiker im Feld. Es enthält, durch optische Marker gekennzeichnet, zahlreiche Verweise auf weiterführende Lite­ratur im WorldWideWeb. Sehr ansprechend ist die vom Verlag zur Verfügung gestellte „Companion Website“ zum Buch mit zahl­reichen begleitenden bzw. weiter­führenden, weit­gehend kostenlos zur Verfügung gestellten Materialien, gegliedert nach den Buchkapiteln (zu erreichen über den allerdings etwas versteckt platzierten Menü-Button links oben auf der Website).

Auffallend ist auf den ersten Blick, dass sich der Präventionsbegriff im anglo-amerikanischen Kontext vom Modell im deutschsprachigen Raum, wenn auch nur geringfügig auf der Definitionsebene, unterscheidet. So definiert Wiebke Steffen in ihrem Gutachten für den 19. Deutschen Präventionstag im Jahr 2014 (S. 65 ff.) die Präventionswirkungsbereiche inzwischen alternativ in die universelle oder soziale („primäre“), die selektive oder situative („sekundäre“) und die indizierte („tertiäre“) Prävention um. Wenngleich sich dieser Ansatz in Literatur und Praxis (noch) nicht durchgesetzt hat, fällt auf, dass bspw. in Deutschland eindeutig „situative“, also der Sekundärprävention zugeordnete Momente, wie etwa die Erhöhung des Tataufwandes und des Ent­deckungsrisikos bzw. die Minderung des Tatertrags durch entsprechende Verände­rungen der Tatgelegenheitsstrukturen in der Darstellung von Lab, modellhaft dort u. a. als „CPTED“[10] (S. 55 ff.) oder auch „NCP“[11] (S. 86 ff.) bezeichnet, der Primär-Prävention zugeordnet werden. Allerdings bleibt er hierbei nicht durchgängig schlüssig, da in den Kapiteln 11 („Situational Crime Prevention“ – Grundlagen) und 12 („Partnerships for Crime Prevention“) unter dem Leitbegriff „Sekundärprävention“ spezifische Ausführungen folgen.

Eine weitere kleine Auffälligkeit ist, dass die Hilfe für Opfer von Straftaten mit dem Ziel, eine erneute Opferwerdung und v. a. eine sekundäre Viktimisierung durch entsprechende Reaktionen der Instanzen sowie des sozialen Umfelds zu verhindern, welche im deutschsprachigen Raum der „indizierten“ (tertiären) Prävention (vgl. Steffen, 2014, S. 68) zugerechnet werden, bis auf einen kurzen einleitenden Vermerk (Kapitel 1 – „Costs of Crime/Victimization“) bei Lab fehlt.

Verwunderlich ist ferner bei einem Fachbuch zur Kriminalprävention aus dem Jahr 2016 das völlige Fehlen (selbst einführender Worte) zum weitgefächerten „Dunstkreis“ der Terrorismusprävention (Stichworte „Deradikalisierung“, interkultureller Dialog etc.). Aber, wie der Autor treffend bemerkt (S. 348), das mag auch daran liegen, dass „indeed, no two individuals will necessarily see or define crime prevention in exactly the same way!“

Das Buch zeigt wie so häufig erneut den erfreulich unkomplizierten, undogmatischen anglo-amerikanischen Ansatz hinsichtlich des Themas „Kriminalprävention“ nach dem Muster „Do it – Check it – If you can`t improve it, scrap it“. Evaluation ist wichtig, schon ob des Nachweises eines sinnvollen, zweckgerichteten Einsatzes öffentlicher Mittel, aber es ist auch klar, dass „the extent of crime prevention`s impact (…) varies across time and place, als well as from one approach to another. Indeed, not every program has the same impact in every situation“ (S. 349). Wo es im deutschsprachigen Raum oftmals langatmige programmatische Diskussionen bezüglich der (Haupt-) Verantwortung, des Ob und Wie der Bürgerbeteiligung, der gesamt­gesellschaftlichen (kriminal-)präventiven Rolle / Verantwortung einzelner staatlicher / kommunaler Behörden, Dienststellen bzw. Agenturen oder be­züglich der Finanzierung kriminalpräventiver Projekte gibt, schöpft der anglo-amerikanische Kulturkreis mit seiner eher praxisorientierten, zupackenden „trial-and-error“-Mentalität beständig neue institutionelle und zivilgesell­schaftliche/n) Kraft / Schub im kreativen Umgang mit dem ubiquitären Phänomen Sicherheit und Ordnung (Kriminalität) und Prävention. Nach einer sehr intensiven Debatte gerade zum Thema „Kommunale Kriminalprävention“ Mitte – Ende der 1990er Jahre kann ich mich im Moment des Eindrucks nicht erwehren, dass sich dieses Thema trotz der immer größeren gesellschaftlichen (sozial- und kriminalpolitischen) Herausforderungen (gerade in Bezug auf den „bröselnden“ gesamtge­sellschaftlichen sozialen Zusammenhalt) im Moment keiner überragenden Beliebtheit erfreut.

[1] https://www.routledge.com/products/9780323357722

[2] Siehe Beschreibung auf der  Verlags-Website von Routledge / Taylor & Francis Group.

[3] http://www.ucl.ac.uk/jdi

[4] http://www.ucl.ac.uk/jdi/people/associates/stephen-lab,

[5] http://www.bgsu.edu/health-and-human-services/faculty-and-staff.html

[6] BGSU, College of Health and Human Services, Criminal Justice Program, Message from the Coordinator

[7] Scanning – Analysis – Response – Assessment

[8] Intelligence (umfasst Scanning und Analysis von SARA) – Intervention – Implementation – Involvement (diese drei Elemente reflektieren auf  das SARA-Element „Response“) – Impact (entspricht dem Element „Assessment“ von SARA).

[9] Defeat – Disable/Deny – Direct/Deflect – Deter-known – Deter-unknown – Discourage – Demotivate – Deceive – Disconcert – Detect – Detain.

[10] „Crime Prevention Through Environmental Design“

[11] „Neighborhood Crime Prevention“

Rezensiert von: Holger Plank