Gary W. Cordner – Police Administration

362) Cordner, Gary W. [1]; „Police Administration“ [2]; ISBN: 978-1-138-90323-4 – Paperback, 516 Seiten, Routledge / Taylor & Francis Group, Abingdon / Oxfordshire / UK, 9. Auflage 2016, £ 59,99 – £ 125.- als Hardback

Cordner_Police Administration

Das Werk, in der ersten Auflage bereits im Jahr 1979 bei Addison-Wesley erschienen, in der achten Auflage zuletzt 2014 bei Elsevier/Anderson publiziert, wird nun 2016 erstmals bei Routledge in der 9. Auflage herausgegeben. Gemessen an der Zeitspanne seiner Existenz und der Anzahl der Auflagen darf es als „gut eingeführt“ gelten. Cordner ist Mitautor eines zweiten themenbezogenen Buches, „Police & Society“, zuletzt 2014 in 6. Auflage bei Oxford University Press erschienen, in dem er sich teilweise mit ähnlichen Themenstellungen auseinandersetzt, allerdings seine Schwerpunkte mehr im Bereich der Strategie und Taktik, bei den (Mis-)Conducts of Police Behavior, der Personalauswahl, individuellen Stressfaktoren und der Gewalt gegen Polizeibeamte setzt.

Es beschäftigt sich in dem vorliegenden Werk auf 478 Textseiten (und ergänzenden knapp 20 SeitenCase Studies“) und in insgesamt 15 Kapiteln sehr fundiert (unter den 4 Leitthemen „Grundüberlegungen“ [„Basic Considerations“ – 4], „Traditionelle Perspektiven“ [3], „Der Mensch in der Organisation“ [3] und „Strategisches Management“ [4]) mit der Rolle, dem Selbstverständnis, erfolgversprechenden Strategien und Taktiken, den Aspekten effektiver und moderner Führung und Organisationsentwicklung und dem Aspekt der Vernetzung von kommunalen, regionalen und landesweit aufgebauten Polizei- und Sicherheitsbehörden in den USA.

Der Autor, selbst ehemaliger Polizeibeamter, nach der Promotion Wechsel in eine akademische Laufbahn, Prof. em. eines „Criminal-Justice“-Lehrstuhls an der Kutztown University of Pennsylvania, bis vor kurzem Commissioner in der Akkreditierungsagentur „CALEA“[3], langjähriger inter­nationaler Polizeiberater für „ICITAP“[4] und eifriger Blogger[5], greift in der Neuauflage von „Police Administration“, neben den bislang bewährten Ausführungen, vor allem das aktuelle institutionelle Spannungsfeld zwischen kommunaler Polizeiarbeit und des Organisations- und Informationsverbundes innerhalb der „U.S.-Homeland-Security“ auf.

Die didaktische Aufbereitung und Darbietung der Inhalte ist vorbildlich. Jedes Kapitel beginnt mit der Darstellung der Lernziele, enthält zahlreiche, optisch ansprechend gestaltete „Informationsboxen“, Hinweise auf begleitende Blogs und Materialien und endet mit einer Kurzzusammenfassung des Kapitelinhalts, Kontroll- und Diskussionsfragen, begleitenden Literatur­empfehlungen sowie einem Verzeichnis der im jeweiligen Kapitel verwendeten Literatur und sonstiger Quellen. Routledge bietet auch für dieses Werk (vgl. auch Besprechung des Buches von Steven P. Lab, Crime Prevention, im PNL) begleitend eine sogenannte „Companion Website“, auf der für Studenten einige kostenlose Begleitmaterialien, u. a. Antwortvorschläge zu den „Case Studies“ in dem Buch, bereitgehalten werden. Für Lehrende und Ausbilder besteht unter gewissen Bedingungen die Möglichkeit, kursbegleitend „complimentary exam copies“ zu beziehen und kennwortgeschützten Online-Zugriff auf ergänzende Materialien für Dozenten / Ausbilder auf der Companion Website zu erhalten.

Das Lehrbuch, spezialisiert auf die Sicherheitsarchitektur in den Vereinigten Staaten, reicht hinsichtlich seiner Themenbreite und Tiefe insofern weit über die Inhalte entsprechender deutschsprachiger, polizeibezogener Management-Lehrbücher hinaus. Diese behandeln i. d. R. sehr tiefgehend und theoretisch, aber zumindest jüngst (eine Ausnahme stellt sicher das nun aber schon seit 1996 in der ersten Auflage auf dem Markt befindliche und somit ein wenig „in die Jahre gekommene“ Standardwerk „Handbuch für Führungskräfte der Polizei“, hrsg. von Kniesel, Kube und Murck, dar) oft nur wenige der von Cordner umfassend und im Zusammenhang dargestellten Teilaspekte der Führungslehre, Organisations- und Personalentwicklung, der Organisationskultur, des Controllings und des Qualitätsmanagements innerhalb des weiten Feldes der „Police Administration“ im weiteren, von Cordner verwendeten Sinnzusammenhang (vgl. z. B. nur Barthel, Vera, Christe-Zeyse, , Heidemann, Dietz, Altmann/Berndt, Uhlendorff u. a.) oder sind als allgemeine Management-Literatur auf die Rahmenbedingungen der freien Wirtschaft ausgerichtet und haben deshalb nur peripheren Polizeibezug.

Trotz des unmittelbaren Zuschnitts des Buches auf den hinsichtlich seiner weit überwiegend „citizen- and community-related accountability“ der Polizei­- und Sicherheitsorganisationen sehr spezifischen US-Markt ist das Buch hinsichtlich seiner grundlegend dargelegten „principles and policies in the police organizations“ auch für den deutschen Markt durchaus interessant, wenngleich manches der Übersetzung in unser politisches und gesellschaftliches Umfeld bedarf. Nach meiner Einschätzung sind anglo-amerikanische Polizei­organisationen in Bezug auf ihre Zielorientierung, ihren Bürger- und Gemeindebezug, ihre Output-Kontrolle, ihre unmittelbare Budgethoheit und den darauf ausgerichteten internen Controlling- und Evaluationsautomatismen in vielen Bereichen weiter entwickelt als deutsche Polizeibehörden in Länder­verantwortung. Wir haben hingegen Vorteile im Bereich der Personalauswahl und der Aus- und Fortbildung des Polizeipersonals.

Aufgrund der weitgehenden Analogien der Inhalte des Werkes mit den Topoi zahlreicher auf dem Markt befindlicher deutscher polizeibezogener „Führungs- und Organisationshandbücher“ will ich diese nicht grundsätzlich neuen, obgleich in den jeweiligen kulturellen Kontext zu transkribierenden Aspekte bei der Besprechung bewusst außer acht lassen. Abschließend ist aber auf das letzte Kapitel des Werkes, „Police and Homeland Security“ und die damit verbundenen, z. T. kritischen Vernetzungsaspekte etwas näher einzugehen. Die semantisch „euphemistisch eingehegte“ Begrifflichkeit „Homeland Security“ beinhaltet nichts anderes als die Vermischung von Aufgaben und Fähigkeiten militärisch, geheimdienstlich und polizeilich ausgerichteter Landesverteidigung (nach innen – v. a. zur Terrorabwehr – vgl. „Homeland Security Presidential Directives / HSPDs“ Nr. 1 – 25) in Ver­bindung mit integrierten bzw. institutionell verknüpften Notfall- / Unglücks- und Katastrophenmanagement-Komponenten („emergency-response“), was im Kern natürlich auch einen aufwändig konstruierten, kritische Infrastrukturen einbeziehenden und unter westeuropäischen Prämissen (noch immer) kritischen Informations- und Kommunikationsverbund („Information Sharing and Analysis Centers – ISACs“, „National Response Framework – NRF“ bzw. „National Incident Management System – NIMS“) bedeutet. Nun sind damit auch regionale Polizeibehörden gezwungen, ihre Analyse-Fähigkeiten deutlich auszubauen und qualitativ zu verbessern, zunehmend auf Computertechnik und Vernetzung sowie „Intelligence-Led Policing“ zu setzen. Diese Initiativen sind strategisch und informationstechnisch weitreichender als entsprechende (nach wie vor durchaus umstrittene) bundesdeutsche Verbund-Initiativen (vgl. GTAZ[6], IAZ Int. Terrorismus[7], GASIM[8], GIZ[9], GETZ[10], NCA[11] u. a.) und taktisch-operativ und verfassungsrechtlich, außer in Fällen der Katastrophenabwehr, bei uns (noch) weitgehend undenkbar. Abschließend kann man deshalb, a priori schon einmal übertragen auf deutsche Verhältnisse – ggf. nach einer weiteren Zuspitzung der Sicherheitslage hier, die Zusammenfassung Cordners für das 14. Kapitel wörtlich unterstreichen: „ …The crucial significance of information sharing has come to the forefront, and a new police strategy, intelligence-led policing, has emerged. It is quite likely that police work and police administration will never be the same again.“

Das Werk ist, obgleich das Thema aus der Perspektive der Administration von U.S.-Polizeibehörden behandelt wird, sehr facettenreich. Es beleuchtet Polizeiarbeit aus mannigfaltigen Blickwinkeln, weist in der nötigen Tiefe auf erfolgskritische Faktoren hin und zeigt ausreichend Indikatoren für effektive und effiziente Polizeiarbeit auf. Wenn vieles auch nicht direkt übertragbar ist, so bietet Cordner, sowohl aus der Sicht des Wissenschaftlers als auch aus der Perspektive des polizeilichen Praktikers und (international erfahrenen) Beraters, eine Fülle an beachtens- und bedenkenswerten Informationen. Begleitend besonders wertvoll und hilfreich sind seine gelegentlichen Einordnungen aktueller „Policing-Strategien“ in den historischen und gesellschaftlichen Entstehungskontext. Das Werk wird trotz seiner zahlreichen Facetten nie unübersichtlich, was auch an seinem durchdachten didaktischen Aufbau liegt. Es sollte deshalb, obwohl in der empfehlenswerten Hardback-Ausgabe nicht ganz billig, mindestens an polizeilichen Hochschulen und (Fort-)Bildungs­ein­richtungen nicht fehlen.

[1] Vgl. Link „Author“ auf der Website des Verlags

[2] Siehe Beschreibung auf der  Verlags-Website von Routledge / Taylor & Francis Group.

[3] „Commission on Accreditation for Law Enforcement Agencies“

[4] International Criminal Investigative Training Assistance Program des U.S. Department of Justice (vor allem in der Ukraine)

[5] https://gcordner.wordpress.com und https://worldpolicing.wordpress.com

[6] Gemeinsames (BKA, BfV, BND, ZKA, MAD, Vertreter der 16 LKÄ und LfVs, BuPo, BAMF, GBA) Terrorismusabwehrzentrum in Berlin auf der Basis von NIAS (Nachrichtendienstliche Informations- und Analysestelle) und PIAS (Polizeiliche Informations- und Analysestelle)

[7] Gemeinsames Informations- und Analysezentrum des BKA und des Verfassungsschutzes

[8] Gemeinsames Analyse- und Strategiezentrum illegale Migration

[9] Gemeinsames Internet-Zentrum

[10] Gemeinsames Extremismus- und Terrorismusabwehrzentrum

[11] Nationales Cyber-Abwehrzentrum

Rezensiert von: Holger Plank