Malla Nunn – Zeit der Finsternis

Nunn, Malla; Zeit der Finsternis; Ariadne Kriminalroman 1217, Argument-Verlag Hamburg, 2016, ISBN 978-3-86754-217-3, 299 S., 13.- €

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»Nunn ist eine Meisterin darin, die Unterdrückung noch in der leisesten Körpersprache darzustellen. Eine starke Schreibe, aus der der Duft des südlichen Afrikas aufsteigt.« Christiane Müller-Lohbeck, taz

Nach dem „Tal des Schweigens“ (hier besprochen im newsletter : polizeiwissenschaft) handelt auch dieser Roman wieder im zutiefst korrupten Apartheidstaat Südafrika. Das Jahr 1953 geht zu Ende, und fünf Tage vor Weihnachten wird im Johannesburger Villenviertel ein weißes Ehepaar überfallen und bewusstlos geprügelt. Dann verschwinden die Täter mit dem neuen Automobil der Familie. Die fünfzehnjährige Tochter hatte sich versteckt und blieb unversehrt. Der Vater erliegt noch in derselben Nacht seinen Verletzungen.Detective Cooper hat sich nach Johannesburg versetzen lassen, um hier mit seiner heimlichen Familie ein Doppelleben zu führen, von dem keiner seiner Kollegen etwas ahnen darf, schon gar nicht sein argwöhnischer Vorgesetzter, der sich im Laufe des Romans nicht nur zu seinem Feind, sondern auch zum Mörder entwickelt. Andernfalls droht Cooper Berufsverbot und Gefängnis, ganz zu schweigen von den Repressalien, die seine farbige Frau und ihre kleine Tochter zu erwarten hätten: Die Rassentrennungsgesetze sind gnadenlos.

Die Verlegerin schreibt zu dem Roman: „Der Zyklus um Emmanuel Cooper verbindet den Reiz opulenter historischer Romane mit der sezierenden Schärfe meisterhafter Kriminalliteratur. 1953 war die Apartheid noch jung. Jedes Jahr, in dem die Nasionale Party Südafrika regierte, brachte weitere ­Segregationsgesetze, vergrößerte die Kluft zwischen Nachkommen europäischer Kolonialherren und eingeborenen und eingewanderten »Nichtweißen«. In diesem düsteren Rahmen spielt Zeit der Finsternis. Johannesburgs weiße Villenviertel erstehen vor dem inneren Auge, so sinnesnah, dass ich sie sehen, hören, riechen kann, dazu in wildem Kontrast das legendäre Sophiatown, damals Wiege des afrikanischen Jazz, Slum und multikulturelles Mosaik aus schwarzafrikanischen, indischen, chinesischen und kolonialen Lebensweisen: Hier blühten Gegenkultur, politischer Widerstand, Korruption und Gangstertum, bis die Regierung den unregier­baren Stadtteil abreißen ließ. Ein weiterer Handlungsstrang führt uns hinaus ins Veld, in die Trockensavannen nördlich von Pretoria, wo wieder andere Konflikte und Nöte ins Bild rücken. Detective Sergeant Emmanuel Cooper, Detective Constable Samuel Shabalala und Dr. Daniel Zweigman sind das Dreigestirn, dem wir durch die Zeit der Finsternis folgen. Sie leuchten die Erzählung aus, folgen den Spuren von Unrecht, Gewalt und Gier und kämpfen mit schrägen Verbündeten gegen Korruption, Hass und selbstverständliche Grausamkeit an. Epische Spannungsliteratur mit kraftvollen Bildern: Malla Nunns elegante Kriminalromane weiten den Horizont und nähren die Vorstellungskraft.“

Im Vergleich zum „Tal des Schweigens“ ist „Zeit der Finsternis“ vielleicht etwas weniger dramatisch, dafür aber „dunkler“, und an einigen Stellen (vor allem am Ende) fehlt es hier und da auch etwas an der inneren Logik der Geschichte. Insgesamt aber (wieder) ein Roman, der zeitgeschichtliche Aspekte mit Krimi-Spannung verbindet. Die Schilderung, wie Cooper Sophiatown sieht und erlebt, ist überaus anschaulich und mal lebt quasi mit ihm, wenn er durch diesen Teil Johannesburgs geht.

Sophiatown war ein Stadtteil von Johannesburg und erlangte Bekanntheit wegen seiner kulturellen Bedeutung und seines erzwungenen Abrisses zur Zeit der Apartheid. In den 1950er Jahren wurde Sophiatown zum Symbol für eine neue städtische Kultur der schwarzen Bevölkerungsmehrheit, vergleichbar mit der Situation in Harlem in New York. Insbesondere für die südafrikanische Jazzmusik wurde Sophiatown zum Zentrum.[1] Wer mehr über das Gangstertum in Sophiatown wissen will, ist hier richtig: http://www.sahistory.org.za/topic/gangsterism

Sophiatown war übrigens nie ein “township” wie andere: “Sophiatown was quite unlike other African locations in South Africa. And that is because it was never a location. It was a freehold township, which meant that it was one of the rare places in South African urban areas where blacks were allowed to own land. This was land that never belonged to the Johannesburg municipality, and so it never developed the form of those matchbox houses, built row upon row, with the same uniformity and lack of character.”[2]

Malla Nunn wurde in Swasiland geboren und eingeschult, doch in den 1970ern emigrierte ihre Familie nach Australien, um der Apartheid zu entgehen. Dort graduierte Malla Nunn in Englisch und Geschichte, ging dann in die USA und machte einen Abschluss in Theaterwissenschaften. Sie schuf als Drehbuchautorin drei preisgekrönte Dokumentarfilme, darunter Servant of The Ancestors. Malla Nunn heiratete in traditioneller Swasi-Zeremonie, ihr Brautpreis waren 18 Kühe. 2009 erschien ihr literarisches Debüt A Beautiful Place to Die, der Beginn des mehrfach ausgezeichneten Krimizyklus um Detective Sergeant Emmanuel Cooper. »Zeit der Finsternis« ist der vierte Roman dieser Reihe. Malla Nunn lebt und arbeitet in Sydney.

[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Sophiatown

[2] http://www.sahistory.org.za/topic/life-sophiatown

Rezensiert von: Thomas Feltes