Dr. Peter Gerrit Müller-Eiselt – Die Gewährleistung der Sicherheit bei Fußballspielen – Eine rechtliche Analyse unter besonderer Berücksichtigung des DFL-Sicherheitskonzepts ‚Stadionerlebnis’

Müller-Eiselt, Peter Gerrit Dr.; Die Gewährleistung der Sicherheit bei Fußballspielen – Eine rechtliche Analyse unter besonderer Berücksichtigung des DFL-Sicherheitskonzepts ‚Stadionerlebnis’.[1]; ISBN: 978-3-8487-2437-6, 390 Seiten, Nomos Verlag, Reihe: Schriften zum Sportrecht, Band 38, Baden-Baden, 2015, 99 €

Fußball begeistert die Massen. Aber, was derart hell strahlt, verursacht auch Schatten. Negative Begleiterscheinung der beliebten Freizeit­beschäftigung von Millionen von Menschen ist neben Korruption, Wettbetrug und Doping leider vor allem auch Zuschauergewalt, so Dr. Müller-Eiselt im Vorwort seiner im Jahr 2015 an der Ludwigs-Maximilians-Universität in München angenommenen Dissertation. Diese ist, obwohl sich seit ihrer Annahme gerade auf diesem Feld straf-, zivil- und gefahrenabwehrrechtlich wiederum viele neue Entwicklungen abzeichneten, nach wie vor in ihren Grundaussagen sehr aktuell. Gerade einmal die Entscheidung des BGH vom 22.09.2016[2], mit der das Gericht Regressansprüche eines Vereins in Bezug auf eine sportgerichtlich verhängte Verbandsstrafe nach § 9a der Rechts- und Verfahrensordnung des DFB gegenüber den zweifelsfrei festgestellten Werfern einiger Böller im Stadion am Rande einer Zweitligapartie eröffnete, wird in der Arbeit aufgrund des Rechtsstandes vom April 2015 noch nicht abschließend thematisiert.

 

Aber, eines vorweg, Müller-Eiselt differenziert in seiner Arbeit sehr sauber zwischen der weit überwiegenden Anzahl von fußballbegeisterten Menschen und einer verschwindend kleinen Gruppe von Veranstalungsrandalierern, die das Transportmedium Fußball für ihre Zwecke missbrauchen. Er verweist deshalb zurecht darauf, dass die Sicherheitslage in und um unsere Stadien weder Anlass zu akuter Sorge bietet noch allerdings zu dauernder Untätigkeit einlädt. Die Identifizierung einzelner Störer in einer annonymen, friedlichen Masse und auch ein rechstsstaatlich unbedenklicher Umgang mit diesen wenigen gefährlichen Straftätern, die viele andere dabei ungerechtfertigt aber durchaus bewusst diskreditieren, da sich sich feige im Halbschatten der Anonymität der Masse bewegen und handeln, ist noch nicht befriedigend gelöst. Einige Maßnahmen zur Verbesserung des punktuell gestörten Gleichgewichts der Sicherheitslage, so der Autor, sind nach wie vor nach Ausgestaltung ihrer rechtlichen Grundlagen und ihrer inneren Reichweite zweifelhaft oder gar rechtswidrig. Es ist auch die Vielzahl der mit divergierenden Interessen Rechtspositionen und Verantwortlichkeiten „im Spiel befindlichen“ Akteure, die punktuellem Handeln die Wirksamkeit nimmt. Der Autor plädiert daher für eine aufeinander abgestimmte (präventive wie auch repressive) Gesamtstrategie aller Sicherheitspartner, die aber alleine aus datenschutzrechlichen Erwägungen sehr schnell an ihre rechtsstaatlichen Grenzen gelangt.

Das besondere Verdienst des Autors ist es, fast die gesamte (aktive) Palette präventiver wie auch repressiver, straf-, polizei- und ordnungsrechtlicher sowie zivilrechtlicher Handlungsoptionen der Sicherheitspartner im Hinblick auf ihre Wirksamkeit aber auch hinsichtlich ihrer rechtlichen wie auch tatsächlichen Implikationen sehr übersichtlich darzulegen. Beginnend mit der durchaus problematischen „Datei Gewalttäter Sport“ (vgl. hierzu inhaltlich die in Kürze erscheinende Besprechung der gleichnamigen Dissertation von Thomas Kehr, erschienen in der Reihe „Frankfurter Studien zum Datenschutz“ bei Nomos im PNL-Buchblog), über die polizeiliche Datenübermittlung der Polizei an Private (sicher noch zu rechtfertigen bei hinreichend belegbaren Tatverdacht im Zusammenhang mit veranstaltungsbezogenen gewaltaffinen Straftaten zur Aussprache eines Stadionverbots im Rahmen des Hausrechts des Betreibers und der bundesweit verbindlichen Richtlinien hierzu[3], allerdings kaum zu rechtfertigen bei ausschließlich niederschwelligen und nur abstrakten Verdachtsanzeichen), die ver­schuldensabhängige Haftung der Vereine für das Fehlverhalten der eigenen Anhänger auf der Grundlage verbandsrechtlicher Sportgerichtsbarkeit (vgl. hierzu die Rechts- und Verfahrensordnung des DFB[4] und die zwischenzeitlich hierzu ergangene Rechtsprechung des BGH zum Regress, vgl. Fn. 2) bis hin zu polizei- und ordnungsrechtlichen Aufenthalts- und Betretungsverboten sowie Meldeauflagen. Müller-Eiselt betrachtet darüber hinaus aber auch gefahrenabwehrrechtlich häufig nur über die polizeirechtlichen Generalklauseln in den länderrechtlichen Gefahrenabwehrgesetzten zu begründenden polizeilichen Standardmaßnahmen am Veranstaltungstag, wie z. B. die einschließende polizeiliche Begleitungen, Abmarschverzögerungen oder der Zwang zur Akzeptanz ggf. modifizierter Einlasskontrollen des Hausrechtsinhabers mit eigenem Sicherheitspersonal bei Risikobegegnungen nachvollziehbar kritisch, jedenfalls immer dann, wenn dabei erkennbar Unbeteiligte ohne die rechtlich gebotene Differenzierung in Gefahrenversurschaer und Unbeteiligte auf der Grundlage einer klaren und hinreichend konkreten Gefahrenprognose betroffen sind. Last but not least beleuchtet er auch die Regularien bezüglich der Zuverlässigkeit und Sachkunde der Mitarbeiter der in den Stadien eingesetzten privaten Sicherheitsdienste, deren Einsatz und Anzahl in den DFL-Statuten verbindlich geregelt ist (vgl. hierzu bspw. Art. 51 der Stadion- und Sicherheitsrichtlinien der DFL[5]), zu deren gewerberechtlich geregelter Sachkunde und hinsichtlich deren Sicherheitsüberprüfung vor einer Tätigkeit in den Stadien nach Ansicht des Autors allerdings Nachholbedarf besteht.

Abschließend empfiehlt Müller-Eiselt als „Leitlinien einer erfolgversprechenden Zukunft“ des vergnüglichen Fußballsports einerseits „Konsequenz im Vorgehen gegen identifizierbare Störer“, gleichermaßen auf den Gebieten des Straf- und Gefahrenabwehrrechts wie auch des Zivil- und dabei insbesondere des Haftungsrechts, aber stets bei konsequenter „Rechtsstaatlichkeit der Vorschriften und des Umgangs mit ihnen“ und der „Verbesserung der Kooperation der Sicherheitspartner miteinander statt kontraproduktiver Alleingänge“. Diese Schlussbemerkung ist in den Hauptteilen schlüssig vorbereitet, der Autor legt den salzigen Finger in offene sicherheitsrechtliche und kriminalpolitische Wunden im Zusammenhang mit Großveranstaltungen. Seine Arbeit kann man nur als gelungen bezeichnen, obwohl sie – allerdings thematisch geboten – die vielfältigen Möglichkeiten der Fandialogforen notwendigerweise ausklammert. Sie bietet einen schnellen Überblick über wesentliche Problemstellungen, gleichzeitig ermöglicht sie über zahlreiche Anknüpfungspunkte tiefergehende thematische Analysen. Gleichwohl kann man ergänzend in den letzten Jahren durchaus eine strukturelle Verbesserung im Umgang der Sicherheitsbehörden wie auch der Veranstalter mit den Problemstellungen, bspw. über konsequente „Intensivtäter- oder Gefährderprogramme bei ausreichend konkreter Faktenlage und Gefahrenprognose“ erkennen. Diese Entwicklung sollte unter Einbeziehung aller Sicherheits- und Kooperationspartner fortgesetzt werden. Der Aufwand lohnt, denn wir wollen uns alle nur am Sport und an den hierbei mit ungeheurem Aufwand und Herzblut gestalteten Fan-Choreografien erfreuen. Veranstaltungsrandalierer, auch wenn es nur ganz wenige „Verblendete“ sind, gehören nicht in und auch nicht in das Umfeld der Stadien.

[1] Vgl. Inhaltsverzeichnis auf der Verlags-Website des NomosVerlags: http://www.nomos-shop.de/infoPopup.aspx?product=25283&tab=0 , zuletzt abgerufen am 29.01.2017.

[2] Vgl. LTO-Newletter vom 22.09.2016,  http://www.lto.de/recht/hintergruende/h/bgh-urteil-7o23114-fans-krawalle-haftung-verbandsstrafe/,zuletzt abgerufen am 30.01.2017.

[3] Vergleiche hierzu die Download-Site der DFL und des DFB, auf der in übersichtlicher Form Satzungen und Richtlinien (http://www.bundesliga.de/de/dfl/statuten/) dargestellt sind, zuletzt abgerufen am 04.02.2017.

[4] Vergleiche Darstellung der Satzungen und Ordnungen des DFB auf der Verbands-Website unter der DFB-URL: http://www.dfb.de/verbandsservice/verbandsrecht/satzungen-und-ordnungen/, zuletzt abgerufen am 04.02.2017.

[5] http://s.bundesliga.de/assets/doc/1110000/1107149_original.pdf (abgerufen am 04.02.2017).

Rezensiert von: Holger Plank