Jonas Menne – Lombroso redivivus?

Menne, Jonas Dr. [1]; Lombroso redivivus?[2]; ISBN: 978-3-16-155063-8, 312 Seiten, Verlag Mohr Siebeck, Tübingen, Band 92 der Reihe: Beiträge zur Rechtsgeschichte des 20. Jahrhunderts, 2017, 84.– €

Menne arbeitet rechtsgeschichtlich-kriminologisch kompakt, dennoch beein­druckend tiefgreifend und detailliert die kriminalanthropologisch (später kriminalbiologisch, heute eher als bio- bzw. neurowissenschaftlich bezeichnet) beeinflusste Ideen­ge­schichte der Kriminologie, ausgehend von dem im Jahr 1876 erstmals von Cesare Lombroso[3] herausgegebenen Werk „L`Uomo Delinquente“ auf. Er ana­lysiert und vergleicht hierbei „historische und gegenwärtige biowissen­schaftliche Erklärungsansätze für die Entstehung kriminellen Verhaltens – von der Kriminalanthropologie Lombrosos über die ersten kriminologischen Zwillingsstudien bis hin zu aktuellen Modellen aus Genetik und Neurowis­senschaften. Neben der Frage nach Kontinuitäten und Diskontinuitäten stehen dabei auch kriminalpolitische Forderungen der biowissenschaftlichen Krimino­logie und ihre Auswirkungen auf Straf- und Sanktionenrecht im Fokus. Gängige Erzählungen zur Kriminologiegeschichte können so kritisch hinterfragt und präzisiert werden.“

Die Antwort des Autors nach seiner begriffsspezifischen „Tour de Force“ durch die fachdisziplinären Epochen (beginnend im 19ten Jahrhundert mit den Überlegungen zu einem „Zweckstrafrecht“ mit erfahrungswissenschaftlichen Komponenten, v. a. i. S. Franz von Liszts versus Bindings[4] oder Birkmeyers[5] unbeirrten Festhaltens an der „schuldausgleichenden Vergeltungsstrafe“, die Kaiserzeit und die Weimarer Republik mit einer signifikanten kriminal­psychiatrischen „Blütezeit“, das totalitäre Nazi-Regime Hitlers von 1933 – 1945, die Nachkriegszeit mit altem Wein in neuen Schläuchen, noch dazu serviert von den gleichen Kellnern, das Aufkeimen einer konstruktivistischen „kritischen Kriminologie“ Ende der 1960er Jahre, von einigen Kommentatoren als kriminologischer „Paradigmen­wechsel“ betrachtet, verbunden mit einer Liberalisierung des Strafrechts, und die anhaltende Blüte der Bio- und Neurowissenschaften, einhergehend mit dem bereits in der Kaiserzeit begründeten und statistisch fortentwickelten kriminalpsychologischen Psychopathologie­konzept bis in die interdisziplinäre kriminologische Moderne) auf die selbst gestellte Frage im Titel des Werkes sei vorweg­genommen.

Eine „Wiederbelebung“, eine Renaissance des „Uomo delinquente“ Lombrosos hat es zu keiner Zeit gegeben.

Das Modell eines „atavistischen, an physiognomischen Besonderheiten erkennbaren geborenen Verbrechers“ war schon zu Lebzeiten Lombrosos erheblicher Kritik ausgesetzt und hatte sehr bald als ernstzunehmendes kriminologisches Erklärungsmodell ausgedient. Die Funktion Lombrosos als Referenz, als ätiologisches Chiffre für „unver­besserliche“ und als „gefährlich“ geltende Straf- oder auch „Hangtäter“, neben den für unproblematisch erachteten „Gelegenheitstätern“ und die Ableitung darauf bezogener kriminal­politischer Forderungen blieb aber bis heute weitgehend ungebrochen.

Der Autor bezeichnet Lombroso durchaus zurecht als „unverzichtbare Referenz im kriminologischen und kriminalpolitischen Diskurs“ und konzentriert sich in seinem Werk titelgerecht ausschließlich auf diesen disziplinären Ausschnitt. Entwicklungsgeschichtlich lassen sich die Wurzeln der Disziplin, ohne zunächst die die einzelnen Entwicklungslinien verbindende Bezeichnung „Kriminologie“[6] zu tragen, allerdings viel weiter, bis etwa zur Mitte des 18. Jahrhunderts belegen. Cesare Beccarias 1764 veröffentlichte aufklärerische Streitschrift „Über Verbrechen und Strafe“, welche schon sehr früh einen Blick auf die sozialen Wurzeln des Verbrechens warf und insbesondere auch den Zweckgedanken der Strafe zu modifizieren suchte[7], übte Kritik am bestehenden Strafrecht und -verfahren sowie an den Haftbedingungen. Mit letzteren beschäftigte sich John Howard am Beispiel Englands und Wales` intensiver[8] und legte damit die Grundlagen für die Poenologie, die Strafvollzugs­wissenschaft sowie die Sanktions- und Behandlungsforschung. Erste kriminalstatistische Betrachtungen der „Massenkriminalität“ als ubiquitäres (normalverteiltes), gesamtgesellschaftliches Phänomen („Makro­krimi­nologie“) sowie die sozialen Zusammenhänge der Kriminalitätsent­stehung ermöglichte Quetelets Werk zur „Sozialphysik“.[9]

Bedeutend für die kontinentaleuropäische Entwicklung war dabei aber sicher vor allem die Entwicklung einer „täterorientierten (Mikro-)Kriminologie“[10].  Der erste „Kul­minationspunkt“, unter Zusammenfassung einer Fülle vorheriger Entwick­lungen, war hier, dem Autor folgend, das Hauptwerk Cesare Lom­brosos über den „Verbrecherischen Menschen“, welches mit seinen biologisch-deter­ministischen Ideen mehrere Jahrzehnte die kriminologische Forschung wesent­lich beeinflusste. Die von der italienischen, „positivistisch ausge­richteten krimi­nal­anthropologischen Schule“ diametral abweichende französische „soziolo­gische Schule[11] legte ihr (Haupt-) Augenmerk hinsicht­lich der Entstehungsbe­dingungen von Kriminalität auf Umwelteinflüsse, ohne jedoch erbliche (hereditäre) Fragen oder physiognomische Anomalien apo­diktisch aus ihren Überle­gungen auszuschließen. Diese ab der Mitte des 19. Jahrhunderts sich langsam entwickelnden anthropologischen (biologischen) Erklärungs­muster wandelten auch die damals professionelle Sicht auf den Verbrecher. Der „homo poenales der klassischen Strafrechtslehre, der sich für eine aus freiem Willen begangene Tat zu verantworten hatte, wich dem neuen Typus des homo criminalis, der in sozialhygienischer Absicht für seine (…) aus dem evolutio­nistischen Fortschritt ausscherende Entartung zur Rechenschaft gezogen werden sollte, unabhängig davon, ob er die verbrecherische Tat bereits begangen hatte oder nicht.“[12]

Eine neue, beide Zweige grds. vereinigende kriminalpolitische Richtung, im Grunde eine Synthese aus beiden o. g. Schulen, leitete dann Franz von Liszt, allerdings zunächst mit ganz anderer Absicht, ein. Er griff einerseits „mit Wirkung für die Kriminologie und das Strafrecht in Deutschland die kriminalanthropologischen Einsichten und kriminalpolitischen Reformvor­stellungen der italienischen Kriminologie (…) auf, reicherte anderer­seits diese mit der Suche und Erforschung von Umweltfaktoren an.“[13] Man ordnete ihn deswegen auch den frühen Kriminal­soziologen zu. Die „kriminologische“ Erforschung der Kriminalitätsursachen war zu dieser Zeit noch nicht als „zweckfreier Beitrag zur Mehrung wissenschaftlicher Grundlagenerkenntnisse gedacht, sondern sie verstand sich als präventive Strafrechtsreform-Bewegung, als Lieferant für praxisnahe Leitfäden der Kriminalitätsbekämpfung.“[14] Das Wesen der klassischen Straf­rechts­lehre als „normativ-dogmatische Disziplin war bis dahin ohne (…) empirische Anforderung“, da sie noch „nicht den Rang eines gesellschaftlichen Steuerungsinstruments“[15]hatte. Insofern war der Liszt’sche Drang zur Krimi­nologie – er war es im Übrigen, der den Begriff „Kriminal­biologie“ einführte – in einer Zeit, in der diese Disziplin kaum so benannt wurde und erkennbar ohne Bedürfnisse war, sich für die eine oder andere kriminologische Richtung oder Theorie zu entscheiden, so Breneselović[16], „nur ein thematisch spezifischer Drang nach Fakten, nach dem Leben, nach dem Stoff, ohne den man sich in der juristischen Arbeit gefährdet fühlt“, und – Franz von Liszt versuchte mit dieser Vorgehensweise ganz einfach Kriminalpolitik zu gestalten.

Aber wieder zurück zu Jonas Menne. Schon die zeitgenössische Rezeption von Lombrosos L`uomo delinquente war vorrangig von Kritik geprägt, wie der Autor zutreffend belegt. Schon ausgangs des 19ten Jahrhunderts postulierte die sich etablierende und lange disziplinär bestimmende „Kriminalpsychologie“ (einer der ersten namhaften Vertreter war u. a. Gustav Aschaffenburg[17]) mit einer Kombination „sozialer und individueller Ursachen“ eine Art „Vereini­gungstheorie“. Innerhalb dieser wurden aber zumindest „unverbesserliche Verbrecher“ vielfach als „minderwertig, degeneriert oder entartet“ bezeichnet. „Deutungsmuster, die vorrangig auf biologischen hereditären Faktoren beruhten.“ Allerdings wurden diese Muster nicht atavistisch, sondern „mittels psychiatrischer Konstrukte wie der „moral insanity“ begründet.“ Am pointiertesten beschrieb diese Entwicklung von Rohden im Jahr 1930 in einem Beitrag für das „Archiv für Psychiatrie und Nervenkrankheiten“[18], demnach die Idee eines atavistischen, anhand körperlicher Merkmale erkennbaren Verbrechertypus endgültig verworfen sei, der „geborene Verbrecher“ hingegen weiterexistiere – jedoch in einer „degenerativ-psychopathischen“ Version, die von Rohden auch als „geborenen Verbrecher im engeren Sinne“ bezeichnete. Disziplinäre Spielarten hierbei waren die „Psychopathologie des Verbrechers“[19] und die Konstitutionsbiologie[20], alle auch in der Nachkriegszeit bis weit in die 1960er Jahre dominant, wie auch die Kriminologie – im Übrigen auch noch danach trotz vielfach apostrophierten (soziologisch orientierten) „Paradigmenwechsels“ (im Jahr 1968 mit dem Reader „Kriminalsoziologie“ von René König mit einem abschließenden Aufsatz von Fritz Sack eingeleitet) – weitgehend von Medizinern, Psychologen und Psychiatern dominiert wurde. So „überdauerten ätiologische und darunter auch bio-wissenschaftliche Per­spektiven die Rezeption des „labeling approach“ und die Entstehung der „kritischen Kriminologie“. Bio-wissenschaftliche Ansätze, „insbesondere die Humangenetik (mit Instrumenten wie der Zwillingsforschung), Psycho­pathologie (z. B. auch über die hierauf gestützten Prognose-Manuals u. a. von Robert Hare) und Neurowissenschaften widmen sich bis heute intensiv der Untersuchung und Erklärung kriminellen Verhaltens“, wenngleich auch häufig unter dem Label der Detektion individueller und umweltbedingter „Risikofaktoren“.

Jonas Menne hat ein wirklich hervorragend recherchiertes, quellenreiches, gut gegliedertes und unbedingt lesenswertes Kompendium zur Geschichte, den Wirkungen und kriminalpolitischen sowie strafrechtswissenschaftlichen Impli­kationen der Kriminalbiologie von Lombroso über die Epochen bis in die Neuzeit vorgelegt, welches nicht nur für Kriminologen, sondern gleichermaßen interdisziplinär für kriminalpolitisch forschende Juristen, Politik-, Sozial- und Geschichts­wissenschaftler interessant sein dürfte und vor allem für diese Professionen unbedingt in den heimischen Bücherschrank gehört.

 

[1] Dr. Jonas Menne, Rechtswissenschaftler, Associate bei der Kanzlei Latham & Watkins in Frankfurt am Main, zuletzt abgerufen am 12.08.2017. Er promovierte mit dieser Arbeit im Jahr 2016 an der Juristenfakultät der Universität Leipzig am Lehrstuhl für Strafrecht, Strafprozessrecht, Kriminologie, Jugendstrafrecht und Strafvollzugsrecht von Prof. Dr. Hendrik Schneider. Die Arbeit wurde 2017 mit einem Preis der Dr. Feldbausch-Stiftung ausgezeichnet.

[2] Hrsg. im Verlag Mohr Siebeck, Tübingen, vgl.: https://www.mohr.de/buch/lombroso-redivivus-9783161550638, zuletzt abgerufen am 12.08.2017.

[3] Cesare Lombroso, 1876, passim; italienischer Arzt (Fachrichtung Psychiatrie) sowie Kriminalanthropologe (* 06.11.1835, + 19.10.1909). Sein „delinquente nato“ ging von dem Ansatz „die Anlage bestimmt den Menschen zum Verbrecher“ aus.

[4] Binding, Karl Lorenz (* 4. Juni 1841 in Frankfurt a. Main, + 7. April 1920 in Freiburg i. Breisgau; Strafrechtswissenschaftler mit Professuren in Basel, Freiburg i. Breisgau, Straßburg und zuletzt in Leipzig), z. B. in „Die Normen und ihre Übertretung: Eine Untersuchung über die rechtmäßige Handlung und die Arten des Delikts“, Band 1, 1890, S.  61 u. auch in: „Grundriß des deutschen Strafrechts. Allgemeiner Teil“, 8. Auflage, 1913, S. 236.

[5] Birkmeyer, Friedrich Ruprecht Karl (* 27. Juni 1847 in Nürnberg, + 29. Februar 1920 in München; Strafrechtslehrer mit Professuren in Rostock und zuletzt in München), z. B. in seinem Aufsatz aus dem Jahr 1907: „Was läßt (sic.) von Liszt vom Strafrecht übrig? Eine Warnung vor der mo­­dernen Richtung im Strafrecht.“ Aus diesem unversöhnlichen Gegeneinander wurden der so genannte „Schulenstreit“ der „Klassiker“ um Binding, die auf einer „schuldausgleichenden Vergeltungsstrafe“ beharrten und der „Modernen“ um von Liszt, die die bisherige Theorie fortentwickeln wollten, hin zu einem „bessernden, spezialpräventiv orientierten Ansatz, wobei v. Liszts Reformprogramm keine Frucht rechtstheoretischer Überlegungen, sondern die Reaktion auf eine (umwälzende) gesellschaftliche Umbruchsituation“ (Koch, 2007, S. 123) war, weshalb m. E. die Dogmatiker um Binding auch so scharf reagierten (vgl. auch Koch, 2007, S. 133, „Ausblenden der sozialen Wirklichkeit“).

[6] Raffaele Garofalo (* 18.11.1851, + 18.04.1934), ein italienischer Jurist, der neben Cesare Lom­broso und Enrico Ferri (* 25. Februar in San Benedetto Po, + 12.  April 1929 in Rom; italienischer Kriminologe und Politiker, Mitbegründer der „modernen“ Kriminologie, Professuren in Rom und Brüssel) der sogenannten „positivistischen kriminal­anthropologischen Schule“ (Determinismus) zuzurechnen ist, veröffentlichte 1885 die Schrift „Criminologia“. Nach Quellenlage prägte er damit den seither gebräuchlichen Gattungsbegriff der Lehre vom Verbrechen, der „Kriminologie“.

[7] Cesare Beccaria (* 15. März 1738 in Mailand, + 28. November 1794 ebd.; italienischer Rechtsphilosoph und Strafrechtsreformer, den der Kölner Kriminologe Neubacher als geeigneteren „Ahnherrn der Kriminologie“ im Vergleich zum positivistischen Kriminalanthropologen Lombroso darstellt, weil er den „Rationalismus, den Mut und die Freiheitsliebe der Aufklärungsepoche verkörpert“ habe), 1998, S. 59 (Beccaria), unter Berufung auf Montesquieu: „Jeder Akt der Herrschaft eines Menschen über einen Menschen, der nicht aus unausweichlicher Notwendigkeit folgt, ist tyrannisch. Dies also ist es, worauf das Recht des Menschen zur Bestrafung von Verbrechen gegründet ist: auf die Notwendigkeit, das Verwahrnis des öffentlichen Wohls gegen partikulare Anmaßung zu verteidigen; und umso gerechter sind die Strafen, je heiliger und unverletzlicher die Sicherheit und je größer die Freiheit ist, welche der Herrscher für die Untertanen wahrt.“ Kreissl, 2005, S. 108, bezeichnet Beccaria (und Bentham, vgl. Fn. 233, 427, jener v. a. mit seiner berühmt gewordenen Arbeit über das „Panoptikum“) als herausragende Beispiele für „die Praxisrelevanz kriminologischen Wissens“, da sie mit ihren Schriften und zu ihrer Zeit unmittelbar Einfluss auf Reformen in der Gesetzgebung genommen haben, obwohl Erstgenannter an Fragen der Kriminalpolitik nur mäßig interessiert und selbst vom Erfolg seiner Argumente überrascht war.

[8]  John Howard, 1777; englischer Strafvollzugsreformer (* 02.09.1726, + 20.01.1790), in “The State of Prisons in England and Wales”.

[9]  Adolphe Quetelet, 1835 erschienen in zwei Bänden: „Sur L`Homme et le développement de ses facultés, Essai de physique sociale“; belgischer Mathematiker und Astronom (* 22.02.1796, + 17.02.1874)

[10]  Begriff ebenso wie „Makrokriminalität“ entlehnt von Hans-Jürgen Kerner, Kriminologie-Lexikon, Stichwort „Kriminologie“, 1991, S. 222 – 228.

[11]  Die Hauptvertreter der französischen Schule waren der Mediziner und Kriminologe Alexandre Lacassagne (* 17.08.1843, + 24.09.1924) und der Jurist und Soziologe Gabriel Tarde (* 12.03.1843, + 13.05.1904). Letzterer prägte mit dem Satz: „Die ganze Welt ist schuldig, außer dem Verbrecher“ seine „Milieutheorie“.

[12]  Martin Stingelin: Spuren? Identifizierung? Besserung? Welches Wissen vom Verbrecher teilt die Literatur mit den Wissenschaften? 2005, S. 301.

[13]  Mit der Formel: „Das Verbrechen ist das Produkt von Anlage und Umwelt,“ Liszt, 1905, AuV, Band 2, S. 234 („Das Verbrechen als sozial-pathologische Erscheinung“), weitere Nachweise bei Kerner, 1991, S. 224. Deshalb, so Koch, Arnd, in: Binding vs. v. Liszt – Klassische und moderne Strafrechtsschule, 2007, S. 127 (dort Fn. 5), sprechen Liszt’sche Zeitgenossen auch von der „jungdeutschen Schule“ oder der „soziologischen Schule“. Soziologisch deshalb, weil v. Liszt die Ursachen des Verbrechens – trotz Tätertypisierung –  vorrangig in sozialen Bedingungen suchte und nicht – wie Lombroso und seine Schüler – in biologischen Dispositionen.

[14]  Albrecht, P. A., in: „Kriminologie und Kriminalistik im Zugriff der Geschichts­wis­sen­schaft“ (Rechtsgeschichte, Jg. 10, 2007, S. 196); heute würde man diesen Zweck eher als „krimi­nalstrategische“ Perspektive einordnen.

[15]   Albrecht, P. A., in: „Kriminologie. Eine Grundlegung zum Strafrecht“, 2005, S. 4.

[16]  Breneselović, Luka, in: „Kann und soll bevorstehende (Re-)Rationalisierung des Straf­rechts auf den Gedanken von Franz von Liszt aufbauen?“ 2015, S. 41; Kreissl, Reinhard, in: „Zwischen Zauberlehrling und Volkskunstkritiker. Wirkungsweisen kriminologischen Wissens in der Praxis des Kriminaljustizsystems, 2005, S. 113, untermauert die Interdisziplinarität der Disziplin gar mit einem weitreichenden Gedanken zur Denomination: „Als die Kriminologen begannen, sich so zu nennen, taten sie das (…), um eine Festlegung auf eine Bezugsdisziplin zu vermeiden – aus den verstreuten Arbeiten der Kriminalsoziologie, -biologie und -psychologie wurde die Kriminologie.“

[17]  Gustav Aschaffenburg (* 23. Mai 1866 in Zweibrücken, + 2. September 1944 in Balti­more, deutscher Psychiater und Assistent von Emil Kraeplin in Heidelberg und einer der Pioniere der Forensischen Psychiatrie und Kriminologie), Hauptwerk: „Das Verbrechen und seine Bekämpfung“   – Kriminalpsychologie für Mediziner, Juristen und Soziologen, ein Beitrag zur Reform der Strafgesetzgebung, erstmals im Jahr 1903 herausgegeben bei Carl Winter, Heidelberg.

[18]  Friedrich von Rohden, damals an der Landesheilanstalt Nietleben bei Halle beschäftigt, in „Die Bedeutung Lombrosos für die moderne Kriminalbiologie“, Jahrgang 92 (1930), S. 140 – 154.

[19]  Erarbeitet von Kurt Schneider (* 7. Januar 1887 in Crailsheim, + 27. Oktober 1967 in Heidelberg, Oberarzt bei Aschaffenburg in Köln, Psychiater, Sein Hauptwerk ist die bis 2007 in der 15. Auflage erschienene „Klinische Psychopathologie“) und Karl Birnbaum (* 20. August 1878 in Schweidnitz, + 31. März 1950 in Philadelphia, Psychiater und Neurologe).

[20]  Zurückgehend auf die Konstitutionslehre Ernst Kretzschmers (* 8. Oktober 1888 in Wü­sten­rot, + 8. Februar 1964 in Tübingen, Psychiater).

Rezensiert von: Holger Plank