Theorien abweichenden Verhaltens I, „Klassische“ Ansätze – Siegfried Lamnek – Rezensiert von Patrick Rohde

Lamnek, Siegfried; Theorien abweichenden Verhaltens I, „Klassische“ Ansätze; Wilhelm Fink Verlag , Paderborn 2018, 354 Seiten, € 24,99. ISBN 978-3-8252-4925-0

Dieses nunmehr in der 10. Auflage erschienene Buch befasst sich ausschließlich mit Theorien abweichenden Verhaltens und lässt durch „I“ darauf schließen, dass es ein erster Band von, so viel sei gesagt, zwei Bänden ist. In diesem Band werden „klassische“ Ansätze zur Erklärung von abweichenden Verhalten beschrieben und erläutert.

Der Untertitel „Eine Einführung für Soziologen, Pädagogen, Juristen, Journalisten und Sozialarbeiter“ lässt auf die große anvisierte Zielgruppe des Autors schließen. Auch wenn Kriminologen nicht explizit genannt sind (diese bestimmt aber auch unter einer der Gruppen subsumiert werden könnten), so sind diese mindestens auch mit diesem Buch angesprochen. Wenn in kriminologischen Lehrbüchern Theorien einen nicht unerheblichen Anteil einnehmen, so werden hier auf fast 300 Seiten Theorien erläutert und mit Beispielen auf alltägliche Situationen übertragen. Wo Lehrbücher, aufgrund ihrer Konzeption ein ganzes Fach versuchen abzudecken, stellenweise klassische Theorien nur oberflächlich beschreiben, kann man hier klassische Theorien in die Tiefe erläutert vorfinden.

Der Autor setzt dabei in einer über 40 seitigen Einleitung/Vorüberlegungen zunächst grundsätzliche Begrifflichkeiten fest, grenzt diese ab und setzt sie in den Bezug zu kommenden weiteren Erklärungen im Buch. Dadurch kann der Leser auch als Nichtsoziologe oder zumindest als soziologischer Beginner die Inhalte des Buches erfassen.

Auch machen die mannigfachen Beispiele, die gut hervorgehoben sind, einen sehr guten Eindruck in dem Buch und hindern nicht beim Lesefluss, sodass durch diese Beispiele auch bei den teilweise stark abstrahierten Erläuterungen der Theorien immer ein Bezug zu alltäglichen Situationen hergestellt wird. Die am Ende eines jeden Kapitels angefügten Fazits, die ebenfalls hervorgehoben sind, lassen dieses Buch als Nachschlagewerk für einen schnellen Überblick oder als „Kurzrepetitorium“ dienen.

In dem Buch eingebundene Schaubilder[1] helfen dem Leser einen zeitlichen Überblick über die beschriebenen klassischen Theorien zu finden und in den historischen Kontext einzuordnen.

Allerdings sind im Buch stellenweise Ungereimtheiten zu anderen Quellen und Autoren zu finden. So ist das Geburtsdatum von Cesare Beccaria im Widerspruch zu anderen Autoren mit 1735 und das Sterbedatum mit 1795 angegeben. Zudem wird er als italienischer Mathematiker und Statistiker beschrieben (S. 67). Dabei ist er den meisten als Jurist, Rechtsphilosoph in Erinnerung.

Stellenweise wird auch die Profession des Autors deutlich, der den biologischen Erklärungsansätzen attestiert, dass diese von soziologischen Theorien aufgefangen werden müssen (S. 76-77), aber  zumindest eine Erklärung schuldig bleibt, warum dies nicht andersherum auch gelten sollte. Trotzdem oder gerade wegen dem allgemein gefassten Titel werden auch psychologische Theorien behandelt und man bleibt nicht streng bei rein soziologischen Ansätzen.

Alles im allen bleibt aber als Fazit die Feststellung, dass mit diesem Werk eine ausführliche Besprechung der klassischen Theorien zu abweichendem Verhalten gelungen ist. Der Aufbau mit Fazit am Ende der Abschnitte und den zahlreichen Beispielen runden die gelungenen Darstellungen ab. Die Darstellungsform und Tiefe geht weit über die Abhandlungen in anderen Lehrbüchern hinaus. Zahlreiche Verweisen machen überdies eine weitere Recherche möglich.

[1] Vgl. S. 108 f.

Rezensiert von Patrick Rohde