Polizei : Newsletter Nr. 254, Juli 2021

 1)   Defund the Police – hochkarätige Veranstaltung
 2)   Analyse der Migrationsdiskussion seit 2015
 3)   Auch progressive Staatsanwälte können das (amerikanische) Strafjustizsystem nicht ändern
 4)   Studie zu Lebensstilen in Deutschland
 5)   Fentanyl-Problem in den USA
 6)   Emotionen und Risikobereitschaft
 7)   Waffenverbotszone in Leipzig evaluiert
 8)   Veränderungen bei Routineaktivitäten Grund für Rückgang der Jugendkriminalität
 9)   Europarat: Europäische Länder müssen dringend Migrationspolitik ändern
10)  Vertrauen in Medien wächst
11)  Fehlerhaftigkeit einer notwendigen Verfahrensbeschreibung
12)  Zur Strafbarkeit von Jugendlichen
13)  Polizeireform in den USA geht nur schleppend voran
14)  rofiling anhand von Kopfbewegungen
15)  Notrufe mit psychischem Hintergrund – eine Studie aus den USA
16)  Polizeibeamte und psychisch Kranke. Studie aus Deutschland
17)  Diversion und Nichtverfolgung von Straftaten haben positiven Effekt
 
1) Defund the Police – hochkarätige Veranstaltung
Die Mitschnitte der Veranstaltung "Defund the Police. Implications for the German Context" des „AK Soziale Bewegungen und Polizei“ mit der Keynote von Alex Vitale und dem Roundtable sind auf Youtube verfügbar: https://www.youtube.com/watch?v=Aya79--VbC0&t=410s und https://www.youtube.com/watch?v=WI0-kYZd9u8&t=2323s
 
 
2) Analyse der Migrationsdiskussion seit 2015
Die migrantische Mobilität im Sommer 2015 hat die europäische Flüchtlingspolitik auf den Kopf gestellt. Eine aktuelle Veröffentlichung geht der Frage nach, welche Kräfte sich in der Diskussion danach durchgesetzt und welche Verschiebungen sich diskursiv und politisch ergeben haben. Die Forschungsgruppe »Beyond Summer 15« diskutiert diese Transformation des Migrationsregimes und zeigt u.a. in den Bereichen Recht, öffentliche Debatten, zivilgesellschaftliche Interventionen und Arbeitsmarkt auf, wie um Migration gerungen wird. Open Access unter http://www.polizei-newsletter.de/links.php?L_ID=806
 
 
3) Auch progressive Staatsanwälte können das (amerikanische) Strafjustizsystem nicht ändern
In den USA wird eine Diskussion geführt, ob die massiven Probleme des dortigen Justizsystems durch progressive Staatsanwälte behoben werden können. Ein Beitrag bestreitet dies bzw. schlägt Alternativen vor. So sollte die Umschichtung von Geldern von Staatsanwaltschaften – und nicht die Ausweitung von Diversionsprogrammen – auf soziale Dienste betrieben werden, um psychisch Kranke, Drogenabhängige und Arme aus dem kriminellen System herauszuhalten. Anstatt zu hoffen, unrechtmäßige Verurteilungen und übermäßige Bestrafung durch andere Staatsanwälte zu verhindern, sollten man sich für ein stärkeres Verteidigungssystem für Mittellose und mehr externe Beschränkungen der Staatsanwaltschaft einsetzen. Schutzrechte der Angeklagten sollten unterstützt werden. https://papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_id=3708985
 
 
4) Studie zu Lebensstilen in Deutschland
Im Mai 2021 hat die Konrad-Adenauer-Stiftung eine repräsentative Studie zu Lebensstilen und Milieus in Deutschland vorgelegt. Befragt wurden über 8.000 Personen. Primär geht es um Wahlverhalten, aber da der Zusammenhang zwischen Lebensstilen und Kriminalität sowie Verbrechensfurcht bekannt ist, sind die Ergebnisse auch kriminologisch von Bedeutung. Ähnlich wie bei sozialstrukturellen Merkmalen unterscheiden sich auch die Lebensstile nicht sehr deutlich zwischen den Parteianhängerschaften. Wahlentscheidungen sind Entscheidungen aufgrund von politischen Einstellungen. Diese sind nur wenig beeinflusst von der Lebenssituation. http://www.polizei-newsletter.de/links.php?L_ID=807
 
 
5) Fentanyl-Problem in den USA
Die Todesfälle durch Fentanyl sind in den USA in den vergangenen Jahren dramatisch angestiegen. Es hat sich eine „vierte Welle“ hoher Sterblichkeit durch Methamphetamin- und Kokainkonsum verstärkt. Verfügbarkeit und Verwendung illegaler Fentanyle sind immer noch die Hauptursachen für Todesfälle durch Überdosierung, und der derzeitige Anstieg der Stimulanzien-bedingten Todesfälle scheint mit der anhaltenden Opioid-Epidemie verbunden zu sein. http://www.polizei-newsletter.de/links.php?L_ID=808
 
 
6) Emotionen und Risikobereitschaft
Frühere Studien zeigten, dass Risikoeinstellungen und emotionale Verfasstheit über die Zeit nicht immer stabil sind, aber es ist wenig über die Gründe für diese Instabilität bekannt. Eine aktuelle Studie des DIW untersucht, ob Veränderungen in den Emotionen der Menschen im Laufe der Zeit Veränderungen in der Risikoeinstellung vorhersagen. Anhand eines großen Panel-Datensatzes werden Glück, Wut und Angst als signifikante Korrelate von Veränderungen der Risikoeinstellung innerhalb einer Person analysiert. http://www.polizei-newsletter.de/links.php?L_ID=809
 
 
7) Waffenverbotszone in Leipzig evaluiert
Im Leipziger Osten wurde 2018 eine Waffenverbotszone eingerichtet. Ein „Evaluationsbericht“ der Universität Leipzig macht deutlich, dass es keine wirkliche Evaluation war, weil viele erforderliche Daten nicht vorlagen – trotz eines gesetzlichen Evaluationsauftrages. Download der 28 MB großen Datei nur noch bis 08.07.2021 unter http://www.polizei-newsletter.de/links.php?L_ID=810
 
 
8) Veränderungen bei Routineaktivitäten Grund für Rückgang der Jugendkriminalität
Eine Studie hat den rückläufigen Kriminalitätstrend bei schwedischen Jugendlichen zwischen 1999 und 2017 anhand von Daten aus acht wiederholten Querschnittswellen einer national repräsentativen Schulbefragung (N = 49.000) untersucht. Veränderungen der sozialen Bindungen, Einstellungen zur Kriminalität und Routineaktivitäten waren mit dem Rückgang der Jugendkriminalität verbunden. Routineaktivitäten hatten die stärkste Erklärungskraft. http://www.polizei-newsletter.de/links.php?L_ID=811
 
 
9) Europarat: Europäische Länder müssen dringend Migrationspolitik ändern
Ein Bericht des Europarates zieht eine Bilanz der Umsetzung der Empfehlung des Kommissars von 2019 zur Rettung von Migranten auf See durch die Mitgliedstaaten und enthält eine Reihe von Maßnahmen, die von den europäischen Staaten dringend zu ergreifen sind, um einen menschenrechtskonformen Ansatz bei Seeüberquerungen zu gewährleisten. http://www.polizei-newsletter.de/links.php?L_ID=812
 
 
10) Vertrauen in Medien wächst
Eine aktuelle Studie der Uni Mainz zeigt, dass inzwischen zwei Drittel der Deutschen den „Lügenpresse-Vorwurf“ zurückweisen – in der Langzeit-Befragung ist dies der bisher höchste Wert. Der Aussage, dass „die Medien mit der Politik Hand in Hand arbeiten, um die Meinung der Bevölkerung zu manipulieren“, stimmten lediglich 15 Prozent zu. Im Vergleich zum Vorjahr (2019) sank der Wert um acht Prozent. Auch der in den Vorjahren zu beobachtende Medienzynismus und die Zustimmung zu Verschwörungserzählungen sind zurückgegangen. http://www.polizei-newsletter.de/links.php?L_ID=813
 
 
11) Fehlerhaftigkeit einer notwendigen Verfahrensbeschreibung
Übergabe von Lageberichten per E-Mail an einen Verteiler innerhalb einer Polizeieinheit ist nach einer Entscheidung des VG Göttingen eine automatisierte Verarbeitung und unterliegt daher den Datenschutzgesetzen. Wenn dies nicht entsprechend dokumentiert wird, liegt ein Verstoß gegen den Datenschutz vor. http://www.polizei-newsletter.de/links.php?L_ID=814
 
 
12) Zur Strafbarkeit von Jugendlichen
In den USA ist nach einer höchstrichterlichen Entscheidung eine Diskussion darüber entbrannt, ob neueste Forschungsergebnisse zur Entwicklung des jugendlichen Gehirns von Richtern berücksichtigt werden müssen. Was bei uns aufgrund des Jugendgerichtsgesetzes selbstverständlich ist, wird in den USA angezweifelt und führt dazu, dass auch 15-jähtrige zu lebenslanger Haft ohne Chance auf Entlassung verurteilt werden dürfen.  http://www.polizei-newsletter.de/links.php?L_ID=815
 
 
13) Polizeireform in den USA geht nur schleppend voran
Obwohl im Nachgang zum Tod von George Floyd mehr als 240 neue Polizeigesetze erlassen oder geändert wurden (Stand Mai 2021) wird kritisiert, dass es tatsächliche Reformen bislang nicht gegeben hat. Dabei geht es vor allem um das „defund the police“ und die damit bezweckte Verlagerung von Finanzmitteln in andere Bereiche.  https://www.politico.com/news/2021/05/26/states-policing-bills-490850
 
 
14) rofiling anhand von Kopfbewegungen
Ein digitales System, das den mentalen und emotionalen Zustand eines Subjekts durch Analyse von Videomaterial über die Bewegungen seines Kopfes bestimmt, ist in den USA entwickelt worden. Es wird von der Polizei, Betreibern von Kernkraftwerken, in der Flughafensicherheit und auch von Psychiatern in Russland, China, Japan und Südkorea verwendet und wurde bei zwei Olympischen Spielen, einer FIFA-Weltmeisterschaft und einem G7-Gipfel eingesetzt. Es gibt jedoch keine verlässlichen empirischen Beweise für seine Wirksamkeit. Was genau „Vibraimage“ misst, stellt ein Beitrag vor, der auch den Begriff „verdächtige künstliche Intelligenz (KI)“ verwendet, um die wachsende Anzahl von Systemen zu beschreiben, die Verdächtige / Nichtverdächtige algorithmisch klassifizieren, aber selbst zutiefst verdächtig sind. https://journals.sagepub.com/doi/10.1177/09717218211003411
 
 
15) Notrufe mit psychischem Hintergrund – eine Studie aus den USA
Analysiert wurden Anrufe bei der Polizei in Philadelphia im Jahr 2019. Die Anrufe sind auf einige räumliche Bereichen konzentriert und erfolgen häufiger am späten Nachmittag und Abend. Der Artikel zeigt, dass sich einige medizinische oder gesundheitliche Aktivitäten zunächst als Straftaten oder andere polizeiliche Probleme „tarnen“ und einige Ereignisse, die letztendlich als polizeiliche / kriminelle Aktivitäten eingestuft werden, zunächst mit der öffentlichen Gesundheit in Zusammenhang zu stehen scheinen. Ungefähr 20% der Aktivitäten in diesem Bereich scheinen ab dem ersten Anruf nicht vorhersehbar zu sein. http://www.polizei-newsletter.de/links.php?L_ID=816
 
 
16) Polizeibeamte und psychisch Kranke. Studie aus Deutschland
Eine Studie an der Hamburger Polizeiakademie 2019 zeigte, dass die Stereotypen der Polizeibeamten gegenüber Personen mit Schizophrenie sind mit einer erhöhten sozialen Distanz und Angst verbunden. Sog. „trialogische Interventionen“ können die Stigmatisierung von Personen mit einer schweren psychischen Erkrankung verringern und sollten in der Polizeiausbildung eingesetzt werden. http://www.polizei-newsletter.de/links.php?L_ID=817
 
 
17) Diversion und Nichtverfolgung von Straftaten haben positiven Effekt
Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie in den USA, die feststellt, dass die Nichtverfolgung einer gewaltfreien Straftat zu einer erheblichen Verringerung der Wahrscheinlichkeit einer neuen Strafanzeige in den nächsten zwei Jahren führt. https://www.nber.org/papers/w28600