Polizei : Newsletter Nr. 285, Mai 2024

 1)   Todesfälle nach Polizeieinsätzen in Deutschland
 2)   Todesfälle nach Polizeieinsätzen in den USA – bei Anwendung von angeblich „nicht tödlichen“ Mitteln
 3)   Die Strafverfolgung der Vergewaltigung in Niedersachsen
 4)   Ermittlungsakten Hans-Jürgen Rose in Dessau
 5)   Brutalisierung der Jugendgewalt?
 6)   Die Zukunft der Kriminalität und ihrer Kontrolle
 7)   Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen im Justizsystem
 8)   Tod durch Überdosis: Mehr als 40 Prozent der Amerikaner kennen jemanden, der an einer Überdosis Drogen gestorben ist
 9)   Gefahren der Fixierung in Bauchlage
10)  Auswirkungen von polizeiwissenschaftlichen Forschungsergebnissen auf die öffentliche Meinung
11)  Polizistinnen wenden seltener körperliche Gewalt an als Polizisten
12)  Dunkelfeldstudie „Sicherheit und Kriminalität in Deutschland (SKiD)“
13)  Neue Studie zum Schweizer Cyberspace
14)  Meta-Studie zur Prävention von Gewalt in Partnerschaften
15)  Einsätze bei häuslicher Gewalt besonders gefährlich
16)  Schwachstellen bei der Auswahl der Europäischen Staatsanwälte
17)  „Glock-Switches“ machen aus einer Glock-Pistole eine Maschinenpistole
 
1) Todesfälle nach Polizeieinsätzen in Deutschland
Mindestens 43 Menschen haben im Jahr 2023 in Zusammenhang mit einem Polizeieinsatz in Deutschland ihr Leben verloren. Hinter jedem der Fälle steht ein Menschenleben, welches im Zusammentreffen mit der Polizei ein Ende fand. Die Fälle unterscheiden sich teils stark, oft weisen sie gemeinsame Muster auf. Eine Zusammenstellung der Fälle findet sich hier: https://topa.blackblogs.org/todesfalle-2023/
 
 
2) Todesfälle nach Polizeieinsätzen in den USA – bei Anwendung von angeblich „nicht tödlichen“ Mitteln
Das umfangreiche Projekt mit dem Titel „Lethal Restraint“ untersucht polizeiliche Gewaltanwendung in den USA. Die Studie dokumentiert 1.036 Todesfälle innerhalb von zehn Jahren (2012 bis 2021), bei denen die Polizei körperliche Gewalt oder Waffen eingesetzt hat, die sicherer als Schusswaffen sein sollen (also z.B. Taser). Man kann sich Details zu allen Fällen ansehen oder nach Städten und Gemeinden suchen, in denen es zu Todesfällen kam. Wie angemerkt wird, soll die US-Regierung diese Todesfälle ohne Schusswaffen verfolgen, aber aufgrund der mangelhaften Umsetzung und der uneinheitlichen Berichterstattung der örtlichen Strafverfolgungsbehörden kennt niemand wirklich den Umfang. https://apnews.com/projects/investigation-police-use-of-force/
 
 
3) Die Strafverfolgung der Vergewaltigung in Niedersachsen
In einer aktuellen empirischen Studie aus Niedersachsen zeigt sich, dass das Zusammenspiel von Betroffenen‐, Beschuldigten‐ und Tatmerkmalen einen deutlichen Effekt auf das Verfahrensergebnis hat. Fälle in der Fallgruppe Überfall und Berufskontext wurden häufiger angeklagt, Fälle in den Fallgruppen Abhängigkeit, gemeinsame Wohnsituation und langfristige Gewaltbeziehung häufiger eingestellt. Bei Taten bei privaten Treffen, bei „entglittenen Feiern“ und bei sexuellen Vorbeziehungen wurden die Angeklagten häufiger freigesprochen, bei überfallartigen Fällen seltener. Studie als open access: http://www.polizei-newsletter.de/links.php?L_ID=1099
 
 
4) Ermittlungsakten Hans-Jürgen Rose in Dessau
Im ungeklärten Todesfall Hans-Jürgen Rose hat eine Initiative neue Beweise präsentiert. Sie vermutet, die Täter könnten im Polizeirevier Dessau zu finden sein. Im Jahr 1997 wurde Rose von der Polizei ins Revier gebracht. Was nach seiner Entlassung geschah, ist bis heute ungeklärt. Die damals zuständige Rechtsmedizinerin Uta Romanowski bezweifelt die Vermutung der Polizei, Rose sei aus einem Fenster gestürzt. Eine Anzeige wegen Mordes ist eingereicht worden. Man sei zu dem Ergebnis gekommen, dass ihn mindestens vier Polizisten der Nachtschicht körperlich misshandelt hätten. Die Ermittlungsakten sind jetzt (teilweise geschwärzt) online auf „Frag den Staat“ verfügbar. https://fragdenstaat.de/dokumente/sammlung/153-akten-rose/
 
 
5) Brutalisierung der Jugendgewalt?
Besonders extreme Gewaltvorfälle unter Jugendlichen scheinen Eindrücke und damit verbunden (ungeprüfte) Annahmen zu induzieren, dass Jugendliche bei ihren Gewalttaten heutzutage brutaler vorgehen als früher. Im Rahmen eines Beitrages im „Research Brief - Forschung an der Polizeiakademie Niedersachsen“ wird dieser Frage auf der Basis empirischer Daten nachgegangen. Mit Hilfe verschiedener Datenquellen wird aufgezeigt, dass Zweifel an dieser These angebracht sind. http://www.polizei-newsletter.de/links.php?L_ID=1100
 
 
6) Die Zukunft der Kriminalität und ihrer Kontrolle
Zu diesem Thema veranstaltet die Kriminologische Zentralstelle (KrimZ) vom 24.--25. Oktober 2024 eine Fachtagung in Wiesbaden. Tagungsprogramm und Anmeldeformular unter https://www.krimz.de/fachtagung-2024.html
 
 
7) Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen im Justizsystem
Menschen mit psychischen Erkrankungen sind im Strafrechtssystem der USA (und nicht nur dort) überproportional häufig vertreten. Etwa zwei von fünf Gefangenen haben eine Vorgeschichte mit psychischen Erkrankungen, doppelt so viele wie in der Gesamtbevölkerung. Diese Zahlen stehen für Menschen, die vom Gesundheitssystem im Stich gelassen wurden, so die National Alliance on Mental Illness (NAMI). Eine Abkehr vom Strafrechtssystem sei möglich, psychisch kranke Menschen sollten bei jeder sich bietenden Gelegenheit eine psychosoziale Versorgung erhalten. Eines der besten Instrumente, um zu verstehen, wie Gemeinden Menschen mit psychischen Erkrankungen und Substanzkonsum von der Einbindung in das Strafrechtssystem abhalten können, sei das von NAMI so genannte Sequential Intercept Model (SIM). http://www.polizei-newsletter.de/links.php?L_ID=1101
 
 
8) Tod durch Überdosis: Mehr als 40 Prozent der Amerikaner kennen jemanden, der an einer Überdosis Drogen gestorben ist
Etwa ein Drittel dieser Personen gibt an, dass ihr Leben durch den Tod beeinträchtigt wurde. Bei der Analyse einer landesweit repräsentativen Umfrage unter amerikanischen Erwachsenen fanden die Forscher heraus, dass Frauen häufiger als Männer, Verheiratete häufiger als Unverheiratete, in den USA geborene Teilnehmer häufiger als Einwanderer und Stadtbewohner häufiger als Landbewohner vom Tod einer Überdosis betroffen sind. https://www.rand.org/news/press/2024/02/21.html
 
 
9) Gefahren der Fixierung in Bauchlage
Kalifornien hat 2015 begonnen, Daten darüber zu erfassen, wann Menschen nach polizeilicher Gewaltanwendung gestorben sind. Zwischen 2016 und 2022 starben mindestens 22 Menschen, nachdem sie von Strafverfolgungsbeamten in Bauchlage fixiert worden waren. Bei 19 der 22 Personen, die nach einer Bauchfixierung starben, wurde positiv auf Meth getestet. In allen 22 Fällen handelte es sich um Menschen, die sich in einer Krise befanden - entweder hatten sie mit Suchtproblemen oder psychischen Erkrankungen zu kämpfen oder verhielten sich anderweitig unberechenbar. http://www.polizei-newsletter.de/links.php?L_ID=1102
 
 
10) Auswirkungen von polizeiwissenschaftlichen Forschungsergebnissen auf die öffentliche Meinung
In dieser Studie wird untersucht, wie sich wissenschaftliche Forschungsergebnisse auf die öffentliche Meinung zu polizeilichen Themen auswirken. Die Ergebnisse zeigten, dass die Präsentation von bestätigenden Forschungsinformationen einen signifikant positiven Einfluss auf die Wahrnehmung der Effektivität der Polizei hat. Umgekehrt hatte die Präsentation "negativer" Forschungsinformationen einen signifikant negativen Effekt auf diese Wahrnehmungen. http://www.polizei-newsletter.de/links.php?L_ID=1103
 
 
11) Polizistinnen wenden seltener körperliche Gewalt an als Polizisten
Bei einer großen kanadischen Polizeibehörde wurden über einen Zeitraum von neun Jahren Daten zur Gewaltanwendung erhoben. Die Ergebnisse zeigen, dass weibliche Beamtinnen seltener körperliche Gewalt anwenden wie "harte" Optionen (z. B. Betäubung und Schläge). Weibliche Beamtinnen berichteten auch von weniger Verletzungen bei den Betroffenen im Zusammenhang mit Gewaltanwendung. https://journals.sagepub.com/doi/full/10.1177/00938548241227551
 
 
12) Dunkelfeldstudie „Sicherheit und Kriminalität in Deutschland (SKiD)“
Die zweite Erhebungswelle der bundesweiten Dunkelfeldstudie SKiD ist gestartet. Sie soll im Zwei-Jahres-Turnus wiederholt werden und u.a. Erkenntnisse über die Entwicklung des Kriminalitätsaufkommens, dem Sicherheitsempfinden der Bevölkerung und dessen Einstellung zur Polizei liefern. Bundesweit sind etwa 186.000 Bürgerinnen und Bürger gebeten, sich an der Befragung zu beteiligen. https://www.bka.de/skid
 
 
13) Neue Studie zum Schweizer Cyberspace
Die Studie hat über 2.5 Millionen potenzielle Schwachstellen nachgewiesen, welche Kriminelle ausnutzen könnten. Dabei geht es um alle in der Schweiz ans öffentliche Internet angeschlossener IT-Infrastrukturen. Davon werden über eine Million als kritisch oder hoch bewertet. Im Schweizer Cyberspace wurden 3,2 Mio. der Schweiz zugeordnete aktive IPv4-Adressen sowie 1,9 Mio. aktive Domains gefunden. Von den 2,5 Mio. potenzielle Schwachstellen werden 421.735 als kritisch und 727.557 als hoch eingestuft. Nur 18,9% der Server für aktive Domains und 13.4% der DNS-Server befinden sich im Schweizer IP-Bereich. https://cyobs.com/switzerland/
 
 
14) Meta-Studie zur Prävention von Gewalt in Partnerschaften
Gewalt in der Partnerschaft ist nach wie vor ein weltweites Gesundheits- und Menschenrechtsproblem. In einer systematischen Übersichtsarbeit werden die Auswirkungen präventiver Maßnahmen auf das Auftreten entsprechender Erfahrungen oder Tatbestände bewertet. 26 Studien zwischen 2008 und 2022 wurden einbezogen. Eine mehrstufige Meta-Analyse ergab, dass Interventionen, die (auch) Männer einschlossen, wirksamer waren als Interventionen, die sich nur an Frauen richteten. Die Ergebnisse unterstreichen, dass inzwischen verschiedene Interventionen zur Prävention von Gewalt gegen Frauen zur Verfügung stehen, die die Gesundheit und die Rechte von Frauen in unterschiedlichen Situationen verbessern können. https://journals.sagepub.com/doi/full/10.1177/10778012231183660
 
 
15) Einsätze bei häuslicher Gewalt besonders gefährlich
Nachdem zwei Polizeibeamte und ein Feuerwehrmann bei einem Einsatz in Verbindung mit häuslicher Gewalt getötet wurden, wird die Diskussion über Präventionsmaßnahmen für Einsatzkräfte in diesem Bereich wieder intensiviert. Eine Übersicht über bisherige Ergebnisse findet sich hier: http://www.polizei-newsletter.de/links.php?L_ID=1104
 
 
16) Schwachstellen bei der Auswahl der Europäischen Staatsanwälte
Die persönliche Unabhängigkeit des Europäischen Generalstaatsanwalts und der Europäischen Staatsanwälte ist eine Voraussetzung für die Unabhängigkeit der Europäischen Staatsanwaltschaft. Auf der Grundlage der Erfahrungen aus den ersten Auswahlverfahren und einer kombinierten Prüfung des EU-Rechts lassen sich Schwachstellen erkennen, die ihre Unabhängigkeit gefährden könnten. https://journals.sagepub.com/doi/full/10.1177/20322844241228721
 
 
17) „Glock-Switches“ machen aus einer Glock-Pistole eine Maschinenpistole
50 Dollar kosten die kleinen, mit einem 3-D-Drucker herstellbaren Switches, mit denen eine Glock-Pistole auf Dauerfeuer umgestellt werden kann. In Washington, D.C., geht die Polizei davon aus, dass die wachsende Zahl von Glock-Switches dazu beigetragen hat, dass die Zahl der Schießereien um 9 % stieg, die Zahl der Todesfälle aber um 22 %.Laut SoundThinking, einem Unternehmen, das Schüsse akustisch registriert, stiegen die Alarmmeldungen für automatische Schüsse im vergangenen Jahr in den Gerichtsbezirken mit Schusswaffenerkennungstechnologie gegenüber 2021 um 97 %. http://www.polizei-newsletter.de/links.php?L_ID=1105