Polizei : Newsletter Nr. 41, Juni 2002

 1)   Trainingskonferenz "Polizeitrainer in Deutschland" (PiD)
 2)   Wichtige Drogen-Bibliothek aus den USA jetzt an der Universität Bremen
 3)   Tagebuch eines Polizeibeamten
 4)   Polizei-Gewalt: Eine Analyse
 5)   Progressive Kriminalpolitik und „New Labour“
 6)   Zehn-Punkte-Erklärung des AKIS zur inneren Sicherheitspolitik
 7)   Personenerkennung per Biometrie
 8)   "Bloody Sunday" wird untersucht
 9)   Baby-Alarm verhindert Baby-Diebstahl
10)  Aggression und Gewalt in öffentlichen Verkehrmitteln
11)  Die Globalisierung der Überwachung
12)  Internationale Fachmesse für Polizei- und Spezialausrüstung
13)  PKS-Zahlen des Bundes seit 1987 im Netz
14)  Assessment Center vorteilhaft bei polizeilichem Auswahlverfahren
15)  Nachtrag: Gewalt in der Schule und die Medien nach Erfurt:
16)  Zum Schluss (ausnahmsweise mal etwas nicht zum Lachen...): Kompetenznetz Depression
 
1) Trainingskonferenz "Polizeitrainer in Deutschland" (PiD)
Am 14.06.2002 findet in Frankfurt diese Konferenz statt - u.a. mit folgenden Beiträgen: Handeln in Extremsituationen (Eckert); Der Provozierte Tod / Suicide by Cop (Pokojewski); Überprüfung / Festnahme verdächtiger Kfz-Insassen (Scherp); Den Feuerkampf überlebt! – Survival Mindset- (Dobrado/Knobling); Taktische Maßnahmen an Kfz (Moss); Anhalten von aggressiven Lkw-Fahrern (Damberg/Gruber). Experten stellen in den Vortragspausen neueste Entwicklungen polizeilicher Einsatzmittel, Technik und Ausrüstung vor. Ziel ist, auch in Zukunft regelmäßig über neue Entwicklungen auf diesem Gebiet zu berichten und durch praktische Tests den Einsatzwert dieser Neuerscheinungen zu bewerten. Detaillierte Informationen unter: http://www.polizeitrainer.de/konferenz.htm; Bericht der Jahreskonferenz 2000 unter: http://www.polizeitrainer.de/konferenz_2000.htm (Danke an W. Mallach)
 
 
2) Wichtige Drogen-Bibliothek aus den USA jetzt an der Universität Bremen
Archido, das Archiv- und Dokumentationszentrum für Drogenliteratur der Universität Bremen, hat seinen Bestand verdreifacht, indem es eine bedeutende Bibliothek aus den USA übernommen hat. 44.000 Titel sind hinzugekommen, die in der Präsenzbibliothek und online (www.archido.de) zugänglich sind. Damit ist Archido in Deutschland zur bedeutendsten Bibliothek für Drogenliteratur geworden.
 
 
3) Tagebuch eines Polizeibeamten
Das britische Home Office überrascht immer wieder mit klugen und informativen Studien. Mit der Studie „Diary of a Police Officer“ wurde erstmals eine intensive empirische Arbeit zu dem Tagesablauf und den Tätigkeiten eines „typischen“ Polizisten vorgelegt. Dazu wurden 378 Tagebücher ausgewertet sowie Interviews mit Polizeibeamten, die „3.000 Jahre Polizeiarbeit“ repräsentieren, durchgeführt. Der Anteil der für Streifentätigkeit aufgewendeten Zeit liegt danach zwischen 14% und 20%. PA Consulting Group, Diary of a Police Officer, Police Research Series, Paper 149, London, Home Office 2001. http://www.homeoffice.gov.uk/rds/prgpdfs/prs149.pdf
 
 
4) Polizei-Gewalt: Eine Analyse
Der Einsatz polizeilicher Gewalt ist zum Forschungsobjekt geworden. Einige Forscher haben die Hypothese aufgestellt, dass die Struktur der Polizei einen Einfluss auf den Einsatz von Gewalt durch die Beamten haben könnte. Darüber hinaus ist kaum etwas bekannt darüber, wie die Dienststellen mit dem Einsatz von Gewalt durch ihre Beamten umgehen. Dienststellen, die Supervisoren oder anderes Personal damit beauftragen, Formulare über Gewalteinsatz auszufüllen, berichten über wesentlich weniger Fälle als solche, in denen die Beamten selbst die Formulare ausfüllen dürfen. Dagegen berichten Dienststellen, die Daten für einen besonderen Zweck sammeln, über deutlich mehr Fälle. Quelle:, Geoffrey P. Alpert, John M. Macdonald, Police Use of Force: An Analysis of Organizational Characteristics, in Justice Quarterly, Vol. 18 No. 2, Juni 2001 S. 393-409.
 
 
5) Progressive Kriminalpolitik und „New Labour“
Roger Matthews und John Pitts haben unter dem Titel “Crime, Disorder and Community Safety” (Routledge, London, New York 2001) ein Buch herausgebracht, das versucht die aktuellen kriminalpolitischen Entwicklungen vor dem Hintergrund von “New Labour” und progressiver Kriminalpolitik zu beschreiben und kritisch zu hinterfragen. Es geht um Jugendkriminalität, Minderheiten, Sicherheit in der Nachbarschaft und andere Aspekte. Besonders lesenswert die Beiträge von Jock Young (Identity, community and social exclusion, S. 26-53) und von George L. Kelling (Broken Windows and the culture wars: a response to selected critiques). Hier nimmt Kelling (bekannt von Wilson/Kellning, Broken Windows…) Stellung zu der umfangreichen Kritik an diesem “Auslöserartikel” zu Zero Tolerance u.a.. (das Buch kann ggf. per Fernleihe bestellt werden über FHPol VS, Signatur KL 08/107 oder die Schwerpunktbibliothek Kriminologie an der Uni Tübingen http://www.uni-tuebingen.de/ub/fach/krimi/krimi.htm, Signatur KB 19 A 8772).
 
 
6) Zehn-Punkte-Erklärung des AKIS zur inneren Sicherheitspolitik
Der Interdisziplinäre Arbeitskreis Innere Sicherheit (AKIS), ein bundesweiter Zusammenschluss von 160 Wissenschaftlern, hat in einer "Zehn-Punkte-Erklärung" eine kritische Bewertung der Sicherheitspolitik nach dem 11. September vorgelegt. www.ak-innere-sicherheit.de
 
 
7) Personenerkennung per Biometrie
An der Fachhochschule Gießen-Friedberg werden in einem interdisziplinären Forschungsprojekt Zuverlässigkeit, Benutzerfreundlichkeit und Akzeptanz solcher Identifikationssysteme untersucht. Ergebnisse sind veröffentlicht worden von Behrens, Michael; Roth, Richard (Hrsg.): Biometrische Identifikation – Grundlagen, Verfahren, Perspektiven; Vieweg-Verlag (Reihe „DuD-Fachbeiträge“) www.viehweg.de
 
 
8) "Bloody Sunday" wird untersucht
Das aufwändigste und teuerste Verfahren in der britischen Rechtsgeschichte (Kosten mindestens 160 Mio. Euro) findet seit 1998 in Derry (Nordirland) statt. Dort wird der sog. "Bloody Sunday" untersucht, bei dem am 30.1.1972 dreizehn Zivilisten von britischen Armeesoldaten während einer Demonstration getötet wurden. Die sorgfältig gestaltete Homepage dokumentiert den Verlauf des Verfahrens anhand aller Entscheidungen: http://www.bloody-sunday-inquiry.org.uk Ebenso können die Wortprotokolle eingesehen werden. Insgesamt waren 2.100 Zeugen vorgesehen, die zu 97% (auch weltweit) ermittelt werden konnten, obwohl der Vorfall inzwischen fast 30 Jahre zurück liegt. Lediglich die von der Armee benannten Zeugen waren schwer zu ermitteln: 40% der angegebenen Namen waren falsch. Mehrere Kronzeugen sind versteckt worden, da man um ihr Leben fürchtet. Praktisch alle Waffen, die damals eingesetzt wurden und als Beweisstücke benötigt werden (z.B. um den Einsatz von Dum-Dum-Geschossen zu prüfen), sind inzwischen vernichtet oder verkauft. Die Verhandlungen werden per Video in einen Saal in Derry übertragen, der 900 Personen Platz bietet. Unterstützt werden die Ermittlungen u.a. durch Computeranimationen, mit denen die Stadt Derry im Jahr 1972 virtuell nachgezeichnet wird. Quelle: taz 30.1.02
 
 
9) Baby-Alarm verhindert Baby-Diebstahl
In einer Klinik in Solingen wird erstmals ein System namens "Baby-Safe" eingesetzt, mit dem verhindert werden soll, dass Neugeborene entführt werden. Als erstes Krankenhaus in Deutschland ist die Klinik http://www.k-plus.de/ mit "QBI Kid Safe" der Haaner Firma MedCom Technologies www.medcom-technologies.de ausgestattet. Das QBI-System (Quest Basic Integrator) gibt den Mitarbeitern der Geburtshilfestation mittels Infrarot- und Radiofrequenztechnologie auf einem speziellen Bildschirm Aufschluss über den Aufenthaltsort der Neugeborenen. Dazu tragen Kinder und Mütter spezielle Armbänder mit leichten, widerstandsfähigen Chip-Anhängern. Wird ein Säugling ohne Begleitung der Mutter von der Geburtshilfestation entfernt oder wird versucht, das Armband von seinem Arm zu lösen, so wird automatisch Alarm auf der Geburtshilfestation und an zentralen Stellen des Hauses ausgelöst. Gleichzeitig sehen die Mitarbeiter auf Bildschirmen, um welches Kind es sich handelt und wo es sich aufhält. Gänge und Treppenhäuser werden zusätzlich mit Videokameras überwacht. Das Armband kostet 80.- Euro, das Gesamtsystem bis zu 100.000.- Euro. Video-Film dazu unter http://online.wdr.de/online/panorama/babychips/index.phtml
 
 
10) Aggression und Gewalt in öffentlichen Verkehrmitteln
Ein holländischer Artikel befasst sich mit der Entwicklung von Aggression und Gewalt in öffentlichen Verkehrsmitteln, den Faktoren, die zur gegenwärtigen Situation beigetragen haben und schließlich den möglichen Kombinationen von Aktionen, die Sicherheit dort deutlich verbessern könnten. 75% der befragten Zugschaffner geben an, dass aggressives und gewalttätiges Verhalten zunimmt. Knapp die Hälfte von ihnen fühlt sich manchmal unsicher bei der Arbeit, vor allem nachts. Diese Situation führt generell zu einer Demotivierung, nachts die Fahrkarten zu kontrollieren. Die Fahrgäste erleben diesen Mangel an Kontrolle und reagieren unterschiedlich: ein Teil nutzt die Situation aus und kauft keine Fahrkarten, die anderen fühlen sich unsicher, weil sich der Schaffner nicht zeigt. Die wichtigsten Empfehlungen zur Verbesserung der sozialen Sicherheit in öffentlichen Verkehrsmitteln sind: mehr Mitarbeiter, Schließen der Hauptbahnhöfe durch Drehkreuze, häufigere Ticket-Kontrolle in den Zügen, weniger Anonymität in den Zügen durch freundlicheres Verhalten der Zug-Crew und schließlich verbesserte Zusammenarbeit von Verkehrsbehörden, Polizei, Schule Sozialdienststellen. Quelle: A.R. Hauber, Openbaar vervoer: Reizigers, agressie en onveiligheid (Public transport, passengers; aggression and social insecurity). In: Justitielle Verkenningen (Magazine of the Dutch Ministry of Justice) 2001, 27(1), S. 110-118. Englisches Summary unter http://www.minjust.nl/b_organ/wodc/publicaties/tijdschriften/pubtijds/pujv2001-1s.htm

Mit dem Thema „Öffentliche Sicherheit im Personennahverkehr“ beschäftigte sich im April 2002 eine Tagung der Europäischen Konferenz der Transportminister (ECTM) in Paris; ein Beitrag zu dieser Konferenz zum Thema von Thomas Feltes steht im Internet in der deutschen, englischen und französischen Fassung bereit unter http://www.thomasfeltes.de/htm/News.htm
 
 
11) Die Globalisierung der Überwachung
Unter diesem Titel findet sich die deutsche Übersetzung eines Beitrages des norwegischen Kriminologen Thomas Mathiesen, der sich kritisch mit den Entwicklungen der Überwachungstechnologie und –euphorie in Europa auseinandersetzt (http://www.heise.de/tp/deutsch/special/enfo/6861/1.html). Ebenfalls kritisch zu diesem Thema: www.statewatch.org.
 
 
12) Internationale Fachmesse für Polizei- und Spezialausrüstung
In Münster (Westfalen) findet vom 4. Juni bis 6. Juni 2002 diese Messe statt. Der Eintritt beträgt 13,00 Euro (gültig für drei Tage). Einlass nur unter Voralge eines Dienstausweises. Weitere Info und Voranmeldung: http://www.gpec.de Dazu passend: Links zu Polizeibehörden weltweit (von Andorra bis Zypern) finden man (etwas versteckt) auf der Homepage des Polizeitechnischen Instituts der PFA unter http://www.pfa.nrw.de/pti_online_neu/index.htm ; die Homepage hat auch ansonsten viel zu bieten: (eigene) Forschungsberichte, Produktübersichten, links u.a. zum Thema Polizeitechnik.
 
 
13) PKS-Zahlen des Bundes seit 1987 im Netz
Das BKA hat pdf-files mit verschiedenen Tabellen aus der PKS seit 1987 (bis zum Jahr 2000) ins Netz gestellt. Zusätzlich können die Daten als Excel-Datei heruntergeladen (und weiterverarbeitet) werden. Zu finden ist das alles unter www.bka.de - dann weiterklicken auf „Polizeiliche Kriminalstatistik“. Für die Jahre 1997-2000 ist der Gesamtbericht auch online aufbereitet und kann als Word-Dokument heruntergeladen werden. Unter der Rubrik „Kriminalprävention“ findet sich auch eine recht gute link-Sammlung. Schade nur, dass die einzelnen Seiten keine eigenen Internet-Adressen haben; dann könnte man besser direkt auf sie verweisen.
 
 
14) Assessment Center vorteilhaft bei polizeilichem Auswahlverfahren
Eine kritische Analyse untersucht einen der Schlüsselaspekte bei der Einstellung von Polizei-Nachwuchskräften: die psychologischen Auswahlkriterien. Eine Grundlage für die Entwicklung eines alternativen, sozialeren Auswahlsystems unter Einbeziehung von Assessment Centers wird vorgestellt. Eric Metchik, An analysis of the 'screening out' model of police officer selection. Police Quarterly 1999, 2(1), S. 79-95, 1999.
 
 
15) Nachtrag: Gewalt in der Schule und die Medien nach Erfurt:
Ein Übersichtsbeitrag mit Verweise auf Stellungnahmen und Studien findet sich unter http://www.heise.de/newsticker/data/tec-14.05.02-000/ (Danke an Gerhard Spiess).
 
 
16) Zum Schluss (ausnahmsweise mal etwas nicht zum Lachen...): Kompetenznetz Depression
Das Kompetenznetz "Depression" bietet wissenschaftlich fundierte Informationen zum Thema Depression an. Durch das Ausfüllen des Wissensquiz zur Depression kann man zudem helfen, den aktuellen Wissensstand über Depression in der Bevölkerung festzustellen http://www.kompetenznetz-depression.de/.