Polizei : Newsletter Nr. 137, Januar 2011

 1)   Spurensicherung der Polizei bei Einbruchdiebstählen meist sinnlos?
 2)   Experten erwarten Rückgang der Jugendkriminalität
 3)   Schengener Informationssystem II gescheitert
 4)   Reform der Sicherungsverwahrung in Deutschland
 5)   Weniger Todesurteile in den USA
 6)   Ehrenamtliche Polizeihelfer
 7)   Proaktive Polizeistrategien gegen Ordnungswidrigkeiten schmälern das Ansehen der Polizei
 8)   Neue Untersuchung zur Rückfallwahrscheinlichkeit in den USA
 9)   Kriminologie und kritische Pädagogik
10)  Handbuch Kriminalprävention der Vereinten Nationen
11)  Internetvorlesung zum Thema "Sport, Gewalt und Prävention"
12)  Neues Informationsportal des DFK im Internet
13)  Materialien zum Thema jugendliche Mehrfach- und Intensivtäter
14)  Veranstaltungshinweis: Crime, Criminalistics & Criminal Psychology
15)  Rezensionen
 
1) Spurensicherung der Polizei bei Einbruchdiebstählen meist sinnlos?
In einer kleineren Studie, die am Lehrstuhl für Kriminologie und Polizeiwissenschaft der Ruhr-Universität Bochum durchgeführt wurde, zeigen sich Hinweise darauf, dass die Sicherung von daktyloskopischen Spuren in Zusammenhang mit Einbruchdiebstählen meist nicht zu einer Aufklärung der Tat beiträgt. Im Rahmen der (nicht repräsentativen) Studie konnte gezeigt werden, dass in lediglich 0,2 % der untersuchten Einbruchdiebstähle die Sicherung von Spuren zur Aufklärung der Taten beigetragen hat. Im Hinblick auf diese sehr geringen Erfolgsaussichten und den zeitlichen sowie personellen Aufwand lässt sich daher der Sinn von daktyloskopischen Spurensicherungen kritisch hinterfragen. Eine Ursache für die geringen Erfolgsaussichten könnte in einer „zunehmenden Sensibilisierung potentieller Täter durch ‚Lehrfilme‘ im Abendprogramm der Fernsehsender (z. B. CSI)“ gesehen werden. Unter der Rubrik Online-Dokumente findet sich auf der Homepage des Polizeinewsletter eine kurze Zusammenfassung der Ergebnisse der Untersuchung: http://www.polizei-newsletter.de/online_documents_german.php
 
 
2) Experten erwarten Rückgang der Jugendkriminalität
Der Ergebnisbericht der Untersuchung „Mögliche Entwicklungen der Jugend(gewalt)kriminalität in Deutschland“ (JuKrim 2020) liegt nun vor. Ziel der Studie war es, unter Einsatz verschiedener Methoden, mögliche Prognosen für die Entwicklung der (Gewalt-)Jugend¬kriminalität im Zeitraum 2010 bis 2020 zu erstellen. Die Ergebnisse der Experteninterviews lassen vermuten, dass sich die tatsächliche Anzahl von Jugenddelikten reduzieren wird. Da die Akzeptanz von Gewalt in der Gesellschaft weiter abnehmen wird, kann es jedoch zu einem Anstieg der Fallzahlen in der Polizeilichen Kriminalstatistik kommen (Hellfeld). Die Ergebnisse der Untersuchung deuten darauf hin, dass es sich bei Jugendkriminalität auch in der Zukunft überwiegend um Delinquenz geringer Schwere handeln wird. Die Befunde stehen damit teilweise im Widerspruch zu der Berichterstattung in den Medien über das Thema Jugendkriminalität. Der vollständige Ergebnisbericht steht im Internet zum kostenlosen Download bereit: http://www.bundesrat.de/cln_161/DE/gremien-konf/fachministerkonf/imk/Sitzungen/10-11-19/anlage1zu6,templateId=raw,property=publicationFile.pdf/anlage1zu6.pdf
 
 
3) Schengener Informationssystem II gescheitert
Die Kommission der Europäischen Union wurde 2001 mit der vollständigen technischen Erneuerung des Schengener Informationssystems (SIS) beauftragt. Hierbei handelt es sich um eine nichtöffentliche Datenbank, in der Informationen über Personen und Gegenstände aus den Schengen-Staaten eingetragen sind, die zur Fahndung stehen oder als vermisst ausgeschrieben sind. Zugriff auf die Datenbank haben nur staatliche Sicherheitsbehörden aus dem Schengen-Raum. Die Erweiterung und Verbesserung des Systems war wegen der langen Verarbeitungszeiten und den sich seit dem 11. September 2001 verändernden Anforderungen an transnationale Polizeizusammenarbeit dringend geboten. Der für 2011 geplante Start des neuen Systems SIS II wurde nun zum fünften Mal verschoben, da der gewählte technische Ansatz zu komplex ist, nicht erweitert werden kann und somit bereits veraltet ist. Quelle: Müller, H., (2010): Das Scheitern des Schengener Informationssystem (SIS II). Deutsche Polizei - Zeitschrift der Gewerkschaft der Polizei 12, 34-36.
 
 
4) Reform der Sicherungsverwahrung in Deutschland
Das Gesetz zur grundlegenden Neuordnung der Sicherungsverwahrung wurde im Dezember 2010 vom Bundesrat gebilligt. Die Neuordnung wurde wegen eines Urteils des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) vom 17. Dezember 2009 erforderlich. Die Neuerungen umfassen sowohl eine Reform des Rechtes der Sicherungsverwahrung, als auch ein Gesetz zur Unterbringung psychisch gestörter Gewalttäter. Die Reform basiert im Kern auf einer Stärkung der vorbehalten Sicherungsverwahrung. Daher kann angenommen werden, dass die Anzahl der Urteile in denen eine Sicherungsverwahrung vorbehalten sein wird erheblich ansteigen wird. Das Gesetz zur Therapierung und Unterbringung psychisch gestörter Gewalttäter dient letztlich nur dem Zweck diejenigen Straftäter, die aufgrund des Urteils des EGMR entlassen werden mussten, in geschlossenen therapeutischen Anstalten unterbringen zu können. Weiter Informationen können der Homepage des Bundesrates entnommen werden: http://www.bundesrat.de/cln_171/SharedDocs/TO/878/erl/12,templateId=raw,property=publicationFile.pdf/12.pdf Mit der Reform hat sich u.a. eine Tagung des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe am 6. Dezember 2010 in Herne beschäftigt. Die dort gehaltenen Referate stehen demnächst zur Verfügung, das Referat von Michael Alex und Thomas Feltes steht bereits auf der website des Polizei-Newsletter unter „Online-Dokumente“ zur Verfügung.
 
 
5) Weniger Todesurteile in den USA
Das U.S. Departement of Justice hat neue Statistiken zur Todesstrafe in den USA veröffentlicht. Daraus geht hervor, dass Ende 2009 3.173 Insassen in US-amerikanischen Gefängnissen einsaßen, die zum Tode verurteilt sind. 2009 wurde die Todesstrafe 52-mal vollstreckt. Verhängt wurde sie 2009 112-mal. Hierbei handelt es sich um den niedrigsten Wert seit 1977. Im Durchschnitt wartet ein zum Tode verurteilter Sträfling derzeit über 14 Jahre auf die Vollstreckung des Urteils. Quelle: Snell, T., (2010): Capital Punishment, 2009 - Statistical Tables. U.S. Department of Justice, Bureau of Justice Statistics, NCJ 231676. Das vollständige Dokument steht als Volltext zum Download zur Verfügung: http://bjs.ojp.usdoj.gov/content/pub/pdf/cp09st.pdf
 
 
6) Ehrenamtliche Polizeihelfer
Gravelle und Rogers (2010) setzen sich kritisch mit dem Einsatz von ehrenamtlichen Polizeihelfern (sog. Voluntteers) in England und Wales auseinander. Die Autoren finden zwar Hinweise dafür dass ehrenamtliche Freiwilligenarbeit zur Kostenreduktion der Polizeiarbeit führen kann. Allerdings sehen sie im Einsatz von Volunteers kein günstiges Allheilmittel für die Polizeiarbeit sondern verweisen auf organisatorische und insbesondere auf kulturelle Vorbehalte gegenüber dem Einsatz von ehrenamtlichen Polizeihelfern. Quelle: Gravelle, J., Rogers, C. (2010): The Economy of Policing - The Impact of the Volunteer. Policing 4(1), 56-63.
 
 
7) Proaktive Polizeistrategien gegen Ordnungswidrigkeiten schmälern das Ansehen der Polizei
In einer Untersuchung von Gau und Brunson (2010) werden die Auswirkungen von allgemeinen Verkehrskontrollen auf das Ansehen der Polizei untersucht. Dabei zeigt sich, dass diese Kontrollen häufig als Schikane empfunden werden. Dieser Umstand wirkt sich wiederum negativ auf das Ansehen der Polizei in der Bevölkerung aus. Der Effekt wurde besonderes deutlich bei jungen Männern beobachtet. Die Autoren verweisen darauf, dass dieser Verlust an Ansehen die Polizeiarbeit insgesamt nachhaltig behindern kann und kommen daher zu dem Schluss dass sämtliche proaktiven Polizeistrategien die gegen Ordnungswidrigkeiten gerichtet sind letztlich nicht zu mehr Sicherheit beitragen. Quelle: Gau, A., Brunson, R. (2010): Procedural Justice and Order Maintenance Policing: A Study of Onner.City Young Men`s Perceptions of Police Legitimacy. Justice Quarterly 27(2), 255-279.
 
 
8) Neue Untersuchung zur Rückfallwahrscheinlichkeit in den USA
Green und Winik (2010) haben die Auswirkungen des Richters bei Strafverfahren auf die Rückfallwahrscheinlichkeit von Verurteilten untersucht. Dabei verglichen sie die Rückfallraten von Verurteilten deren (letzter) Fall von milden Richtern verhandelt wurden mit den Rückfallraten von Verurteilten deren (letzter) Fall von Richtern verhandelt wurden die in der Regel strengere Urteile verhängen. Die Zuweisung der Angeklagten zu einer der beiden Gruppen von Richtern erfolgte rein zufällig. Die Autoren konnten keinen Zusammenhang zwischen den Rückfallraten und der Haltung des Richters beobachten. Lediglich das Strafmaß hatte Einfluss auf die Rückfallwahrscheinlichkeit. So führten hohe Strafmaße im Durchschnitt zu höheren Rückfallwahrscheinlichkeiten. Die Befunde der Untersuchung beziehen sich allerdings nur auf Drogendelikte. Quelle: Green, D., Winik, D. (2010): Using Random Judge Assignments to Estimate the Effects of Incarceration and Probation on Recidivism among Drug Offenders. Criminology 48(2), 357-387.
 
 
9) Kriminologie und kritische Pädagogik
Die kritische Pädagogik basiert auf der grundsätzlichen Annahme, dass die Vermittlung von Wissen nur dann gelingen kann, wenn die Lernenden dazu befähigt werden unabhängig zu reflektieren und kritisch zu hinterfragen. Barton et al. weisen in ihrem Beitrag “Reading the Word and Reading the World: The Impact of a Critical Pedagogical Approach to the Teaching of Criminology in Higher Education” daraufhin, dass es für Studenten der Kriminologie von besonderer Bedeutung ist politische und gesellschaftliche Zusammenhänge zu durchdringen, um Mechanismen gesellschaftlicher Unterdrückung durchschauen zu können. In dem Beitrag werden auch Methoden aus der Lehrpraxis der Kriminologie beschrieben, die das soziale und politische Bewusst-sein entsprechend schärfen sollen. Quelle: Barton, A., Corteen, K., Davies, J. & Hobson, A. (2010): Reading the Word and Reading the World: The Impact of a Critical Pedagogical Approach to the Teaching of Criminology in Higher Education. Journal of Criminal Justice Education 12(1), 24-41.
 
 
10) Handbuch Kriminalprävention der Vereinten Nationen
Die Vereinten Nationen haben ein Handbuch zu den Richtlinien der Kriminalprävention veröffentlicht. Die Publikation richtet sich an Praktiker aus dem Bereich der Kriminalprävention in allen Ländern. Das Handbuch behandelt sowohl übergeordnete Themen wie Präventionsstrategien, als auch die konkreten Schritte zur Planung einzelner Projekte. Das "Handbook on the Crime Prevention Guidelines. Making them Work" kann im Internet kostenlos heruntergeladen werden: http://www.unodc.org/documents/justice-and-prison-reform/crimeprevention/10-52410_Guidelines_eBook.pdf
 
 
11) Internetvorlesung zum Thema "Sport, Gewalt und Prävention"
Das United Nations Office on Drugs and Crime (UNODC) in Wien organisiert seit Dezember 2010 eine international ausgerichtete Internetvorlesung zum Thema Gewalt und Gewaltprävention bei Fußballveranstaltungen. Auf der Website http://www.unodc.org/e-lectures/sport/ finden sich mehrerer Kurzpräsentationen von verschiedenen Beteiligten aus Praxis, Politik und Wissenschaft.
 
 
12) Neues Informationsportal des DFK im Internet
Das deutsche Forum Kriminalprävention (DFK) hat sein Informationsportal im Internet vollständig überarbeitet. Das Portal „Prävention im Überblick“ kann über die URL http://www.kriminalpraevention.de/praevention-datenbank.html erreicht werden und stellt Informationen zu Präventionsprojekten aus der Praxis sowie Hinweise auf die Ergebnisse aus der wissenschaftlichen Forschung bereit. Besonderes nützlich ist die Recherchefunktion, die mit den Datenbanken mehrere (Landes-)Präventionsgremien verbunden ist und somit die verschiedenen Informationsangebote bündelt. Quelle: Kahl, W. (2010): Prävention im Überblick – das neue Informationsportal des DFK. Forum Kriminalprävention - Zeitschrift der Stiftung Deutsches Forum für Kriminalprävention 4, 11-13
 
 
13) Materialien zum Thema jugendliche Mehrfach- und Intensivtäter
Das Bundeskriminalamt (BKA) hat im November 2010 eine Tagung mit dem Titel Jugendliche Mehrfach und Intensivtäter in Wiesbaden ausgerichtet. Die Veranstaltung sollte dem Wissenstransfer zwischen kriminologischer Forschung und polizeilicher Praxis dienen. Auf der Homepage des BKA sind nun die Materialien zu den Referaten in gebündelter Form bereitgestellt worden. (http://www.bka.de/kriminalwissenschaften/veroeff/inh/sonstiges_pdf/12_24_tagung_mehrfach_intensivtaeter_vortraege.pdf) Neben einer kompakten Beschreibung des wissenschaftlichen Forschungsstandes finden sich auch kurze und nützliche Beschreibungen von Präventionsmaßnahmen aus der Praxis.
 
 
14) Veranstaltungshinweis: Crime, Criminalistics & Criminal Psychology
Der zwölfte Jahreskongress der International Academy for Investigative Psychology (IAIP) wird unter dem Motto „Crime, Criminalistics & Criminal Psychology“ stehen. Die Veranstaltung wird zwischen dem 31. März und dem 2. April 2011 an der Vrije Universiteit in Amsterdam stattfinden. Im Zentrum des Kongress werden insbesondere die Methoden kriminologischer Forschung stehen. Beitragsvorschläge können noch bis zum 24. Januar 2011 eingereicht werden. Weitere Informationen finden sich im Internet: http://new.ia-ip.org/conference_12/
 
 
15) Rezensionen
Unter der Rubrik Buchbesprechungen sind auf der Website des Polizei-Newsletter (http://polizei-newsletter.de/books_german.php) folgende neue Buchbesprechungen zu finden: Katrin List stellt die Dissertation von Ariane Pöhn „Traumatisierung von Vergewaltigungsopfern“ vor und Marianne Lübbemeier setzt sich kritisch mit dem Buch von Kirstin Heisig „Das Ende der Geduld“ auseinander.