Polizei : Newsletter Nr. 293, Februar 2025

 1)   Basler Polizei im Fokus: Toxische Kultur
 2)   Je mehr sich die Dinge ändern, desto mehr bleiben sie gleich: Eine mehrstufige nationale Bewertung der Lehrpläne von Polizeiakademien in den USA
 3)   Missbrauch der Gesichtserkennung in den USA
 4)   Kritik an der MEGAVO-Studie
 5)   Unbekannte Tote nach 30 Jahren identifiziert
 6)   Kriminalitätsfurcht und Umwelt: Studie mit Google Street View
 7)   Polizei und Partnerschaften
 8)   Gewalt an Feiertagen nimmt zu
 9)   Ausschreibung für den Preis der Deutschen Gesellschaft für Kriminalistik
10)  KI-Einsatz im Gazastreifen
11)  25 Jahre Polizeiausbildung in UK
12)  Wetter und Kriminalität
13)  Kriminalitätskonzentration auf wenige Bereiche
14)  Zusammenhang zwischen Polizeikontrolle und psychischer Gesundheit der Bürger
15)  Der längere Beitrag: Stress führt zu Fehlern bei Polizeieinsätzen
 
1) Basler Polizei im Fokus: Toxische Kultur
Der Alltag in der Basler Polizei sei geprägt von einer Angstkultur – wer Kritik übt, wird abgestraft. Im Beförderungswesen gäbe es Vetternwirtschaft. Sexistische und rassistische Praktiken sind verbreitet und würden strukturell begünstigt – so die Ergebnisse einer aktuellen Studie mit über 300 Interviews in der Polizei in Basel. http://www.polizei-newsletter.de/links.php?L_ID=1178
 
 
2) Je mehr sich die Dinge ändern, desto mehr bleiben sie gleich: Eine mehrstufige nationale Bewertung der Lehrpläne von Polizeiakademien in den USA
Anhand von 421 Polizeiakademien in den USA wurde der Wandel in den Kernbereichen der Grundausbildung von Polizeianwärtern untersucht. Die Studie ist die erste seit den 1980er Jahren. Die Ergebnisse zeigen starke empirische Belege für den langfristigen Widerstand gegen Veränderungen in der polizeilichen Grundausbildung, der auf der anhaltenden Überbetonung traditioneller Aspekte der Grundausbildung (z. B. Einsatz tödlicher Waffen) gegenüber anderen Teilen (z. B. gemeinschaftsorientierte Polizeiarbeit) beruht. http://www.polizei-newsletter.de/links.php?L_ID=1179
 
 
3) Missbrauch der Gesichtserkennung in den USA
Die Polizei setzt die Gesichtserkennung in den USA so ein, wie sie nie gedacht war: Als Abkürzung, um Verdächtige ohne weitere Beweise zu finden und zu verhaften. Im Vertrauen auf die unbewiesene Gesichtserkennungstechnologie überspringen die Ermittler manchmal Schritte, und mindestens acht Amerikaner wurden zu Unrecht verhaftet, wie eine Untersuchung der Washington Post ergab. http://www.polizei-newsletter.de/links.php?L_ID=1180
 
 
4) Kritik an der MEGAVO-Studie
Die Untersuchung zu „Motivation, Einstellung und Gewalt im Alltag von Polizeivollzugsbeamten“ versprach eine Zustandsbeschreibung der deutschen Polizeien aus der Sicht ihrer Beschäftigten. Die Ergebnisse sind wenig überraschend und wegen methodischer Probleme mit Vorsicht zu genießen, so eine Kritik. Die Studie habe das Vorhaben in einem denkbar harmlosen Forschungsansatz umgesetzt. Im Kern hat die Studie Meinungen, Einschätzungen, mitgeteilte Erfahrungen und Einstellungen erhoben. Durch die unklare Rekrutierung der Beforschten/Beteiligten seien die Ergebnisse weit von repräsentativen Aussagen entfernt und werfen eher ein Licht auf den unproblematischen Teil der Polizeien. http://www.polizei-newsletter.de/links.php?L_ID=1181
 
 
5) Unbekannte Tote nach 30 Jahren identifiziert
Die New Yorker Behörden haben die Leiche einer Frau, die vor mehr als 30 Jahren in Queens gefunden wurde, mit Hilfe moderner DNA-Technologie identifiziert. Die „Cold Case“-Abteilung des New York Police Department hat zusammen mit Gerichtsmedizinern die Frau identifiziert. Ein privates Labor erstellte das genealogische Profil aus den Skelettresten, bevor es in öffentliche Datenbanken hochgeladen wurde. Die Ergebnisse wurden an NYPD's Investigative Genealogy Squad weitergegeben, die einen Stammbaum erstellten. Die Ermittler nahmen dann Kontakt zu potenziellen Familienmitgliedern auf, die DNA-Proben zum Vergleich mit den Überresten einreichten. http://www.polizei-newsletter.de/links.php?L_ID=1182
 
 
6) Kriminalitätsfurcht und Umwelt: Studie mit Google Street View
Ob Menschen eine Umgebung als sicher oder unsicher wahrnehmen ist wichtig für die Lebensqualität. Die Wahrnehmung wird durch die bauliche Umgebung beeinflusst. In dieser Arbeit wird ein Ansatz vorgestellt, der den Erfassungs- und Analyseprozess automatisiert. Der Ansatz nutzt Google Street View und die Google Vision API, um Merkmale der bebauten Umgebung zu extrahieren. Die Ergebnisse zeigen, dass einige Merkmale stärker mit Bereichen assoziiert sind, in denen Menschen ein Gefühl von Sicherheit oder Angst empfinden. Die vorgestellte Methodik und die explorative Forschung bieten eine Grundlage für eine systematische computergestützte Beobachtung zur Ermittlung von Umweltkorrelaten der Kriminalitätsfurcht. http://www.polizei-newsletter.de/links.php?L_ID=1183
 
 
7) Polizei und Partnerschaften
Partnerschaften in der Polizeiarbeit werden weltweit eingesetzt, um Probleme mit Kriminalität und Unordnung zu verringern. Die Polizei geht Partnerschaften ein, um gemeinsam für die öffentliche Sicherheit zu sorgen. Third-Party-Policing (TPP) ist eine besondere Art von Partnerschaft, bei der die Polizei Kriminalität und Unordnung durch die Zusammenarbeit mit (und über) dritte Partner bekämpft. Anhand systematischer Überprüfungen und Metaanalysen wird in einem aktuellen gezeigt, dass TPP-Maßnahmen wirksam zur Verringerung von Kriminalität und Störung der öffentlichen Ordnung beitragen, ohne diese Probleme zu verdrängen. Dieses Buch ist derzeit noch als Open Access verfügbar. http://www.polizei-newsletter.de/links.php?L_ID=1184
 
 
8) Gewalt an Feiertagen nimmt zu
Eine Studie aus Australien zeigt, dass die von der Polizei erfassten Übergriffe an Feiertagen drastisch ansteigen. Der Tag des Jahres mit der höchsten Zahl von Übergriffen sowohl im Bereich der häuslichen als auch der nicht-häuslichen Gewalt ist der Neujahrstag, dort zwischen Mitternacht und 3 Uhr. Eine weitere Spitze ist am ersten und zweiten Weihnachtsfeiertag zu verzeichnen. http://www.polizei-newsletter.de/links.php?L_ID=1185
 
 
9) Ausschreibung für den Preis der Deutschen Gesellschaft für Kriminalistik
Für den Preis können die im Jahr 2024 veröffentlichten oder entstandenen und noch nicht veröffentlichten Arbeiten eingereicht werden, die sich mit der Kriminalistik oder einem ihrer Teilgebiete befassen und die einen Fortschritt für die Kriminalistik in Wissenschaft und Praxis darstellen. Der Preis der DGfK ist mit 2.000 Euro dotiert. Einsendeschluss ist der 30. April 2025. Näheres auf https://kriminalistik.com/preis-der-dgfk/
 
 
10) KI-Einsatz im Gazastreifen
Nach dem Angriff der Hamas am 7. Oktober 2023 begann die israelischen Verteidigungskräfte mit der Bombardierung des Gazastreifens. Dabei stützten sie sich auf eine Datenbank, die im Laufe der Jahre zusammengestellt worden war und in der die Adressen von Häusern, Tunneln und anderen für die militante Gruppe wichtigen Infrastrukturen verzeichnet waren. Doch irgendwann ging die Zieldatenbank zur Neige. Um das Kriegstempo aufrechtzuerhalten, griff man auf ein ausgeklügeltes Werkzeug der künstlichen Intelligenz namens Habsora - oder „das Evangelium“ - zurück, das in kürzester Zeit Hunderte von zusätzlichen Zielen generieren konnte. Der Einsatz von KI zur raschen Auffüllung der Zieldatenbank ermöglichte es dem Militär, seine Kampagne ohne Unterbrechung fortzusetzen. http://www.polizei-newsletter.de/links.php?L_ID=1186
 
 
11) 25 Jahre Polizeiausbildung in UK
Mit der Entwicklung der Polizeiausbildung in UK beschäftigt sich ein Beitrag, der die zunehmende Komplexität der polizeilichen Landschaft und neue Herausforderungen wie Technologie, erhöhte Verletzlichkeit und neue Verbrechen betont, die dazu geführt haben, dass Polizeibeamte andere Fähigkeiten und Kenntnisse benötigen als früher. Eine Möglichkeit, dies zu ermöglichen, sei die zunehmende Professionalisierung des Polizeidienstes, einschließlich der Akademisierung der polizeilichen Ausbildung und der Betonung der Entwicklung eines besseren, auf Fakten basierenden polizeilichen Wissens. Der Artikel untersucht, warum die Hochschulbildung zunehmend an Bedeutung gewonnen hat, warum der Widerstand gegen den Akademisierungsprozess anhält. https://journals.sagepub.com/doi/full/10.1177/14613557241298821
 
 
12) Wetter und Kriminalität
Wettervariablen, wie Temperatur und Niederschlag, sind seit langem als Prädiktoren für kriminelles Verhalten bekannt. In der aktuellen Studie wird untersucht, welche Rolle Temperatur und Niederschlag zusammen mit den Orten für die Wahrscheinlichkeit von Straßenraub in Cincinnati, Ohio, spielen. Die Ergebnisse zeigen, dass die Temperatur, nicht aber der Niederschlag, die Wahrscheinlichkeit des Auftretens von Straßenraub erhöht, selbst nach der Kontrolle für das Vorhandensein von potenziell kriminogenen Orten. http://www.polizei-newsletter.de/links.php?L_ID=1187
 
 
13) Kriminalitätskonzentration auf wenige Bereiche
Eine systematische Überprüfung von Studien zur Kriminalitätskonzentration in den letzten 35 Jahren hat 47 Arbeiten identifiziert, die über Kriminalitätskonzentrationen in einer mikrogeografischen Analyseeinheit berichten. Die Konzentration der Kriminalität war im Allgemeinen bei bestimmten Arten von Straftaten stärker, und die Bandbreiten der Konzentration waren im Allgemeinen kleiner. Die Untersuchung zeigt, dass ein allgemeiner Rahmen für ein Gesetz der Kriminalitätskonzentration für eine große Anzahl von Städten in vielen Regionen der Welt gilt. https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S1359178924000697?via%3Dihub
 
 
14) Zusammenhang zwischen Polizeikontrolle und psychischer Gesundheit der Bürger
Eine Metastudie wertet 92 Studien aus, die den Zusammenhang zwischen polizeilichem Handeln und psychischer Gesundheit untersucht, und zwar für Personen aller Ethnien, Altersgruppen und Länder, wobei der Schwerpunkt auf der Untersuchung der Auswirkungen polizeilichen Handelns auf die psychische Gesundheit der Menschen lag. Insgesamt unterstreichen die Erkenntnisse einen Zusammenhang zwischen polizeilichen Begegnungen und negativen Auswirkungen auf die psychische Gesundheit. Quantitative Untersuchungen untermauern diesen Zusammenhang, während qualitative Studien Einblicke in die Erfahrungen von Personen bieten, die das, was sie oft als ungerechte Polizeipraktiken wahrnehmen, direkt erlebt haben oder in die Berichte darüber eingeweiht wurden. https://journals.sagepub.com/doi/full/10.1177/14613557241296238
 
 
15) Der längere Beitrag: Stress führt zu Fehlern bei Polizeieinsätzen
Ausgangslage
Unter physiologischen Stressbedingungen müssen Polizeibeamte manchmal in Sekundenbruchteilen Entscheidungen über Leben und Tod treffen, wobei Leistungsdefizite tragische Folgen haben können. In einer aktuellen kanadischen Studie wurde die Leistung von 122 Polizeibeamten im aktiven Dienst während eines realistischen Szenarios mit tödlicher Gewalt untersucht, um festzustellen, ob die Leistung durch den Ausbildungsstand der Beamten, ihre Dienstjahre bei der Polizei und ihre Stressreaktivität beeinflusst wurde.

Ergebnisse
Die Ergebnisse zeigten, dass das Szenario zu einer erhöhten Herzfrequenz (d. h. 150 Schläge pro Minute) sowie zu Wahrnehmungs- und kognitiven Verzerrungen, wie z. B. einem Tunnelblick, führte. Die durchschnittliche Leistungsbewertung des Szenarios lag bei 59 %, wobei 27 % der Teilnehmer mindestens einen Fehler bei der Anwendung tödlicher Gewalt machten. Eine erhöhte Stressreaktivität war ein Prädiktor für eine schlechtere Leistung und mehr Fehler bei der Anwendung tödlicher Gewalt. Das Ausbildungsniveau und die Dauer des Polizeidienstes hatten unterschiedliche und komplexe Auswirkungen auf die Leistung und die Fehler bei der Anwendung tödlicher Gewalt. Die Ergebnisse verdeutlichen die Notwendigkeit, die polizeilichen Ausbildungspraktiken kritisch zu reflektieren und weiterhin evidenzbasierte Verbesserungen der Ausbildung vorzunehmen. Sie verdeutlichen auch, dass Schulungen zwar die Ergebnisse deutlich verbessern können, eine fehlerfreie Leistung aber angesichts der Grenzen der menschlichen Leistungsfähigkeit unter Stress wahrscheinlich nicht möglich ist.

Methodik
Eingesetzt wurden Fragebogen, Pulsmessuhren, szenariobasiertes Waffentraining, Stressweste und -gürtel sowie Videoaufzeichnung Mit einem demografischen Fragebogen wurden Alter, Geschlecht, Dienstjahre, Erfahrung in der Strafverfolgung, Ausbildung, selbst angegebene Herz-Kreislauf-Erkrankungen und die Einnahme von Medikamenten, die das Herz-Kreislauf-System beeinträchtigen könnten, erfasst. Die Häufigkeit des Alkohol-, Tabak- und Koffeinkonsums sowie die Häufigkeit der sportlichen Betätigung wurden ebenfalls erfasst. Zusätzlich wurden Geräte zur Überwachung der Stressreaktivität eingesetzt. Und zwar Herzfrequenz-Messuhren. Diese zeichnen kontinuierlich die Herzfrequenz und die R-R-Intervalle (d. h. die Schlag-zu-Schlag-Intervalle) und wurden bereits in früheren Studien verwendet. Sie wurden auch anhand von Elektrokardiogrammen in Krankenhausqualität validiert. Außerem wurden die Teilnehmer mit einer sog. „StressVest“ ausgestattet, einem projektilfreien System, das ein realistisches szenariobasiertes Waffentraining ermöglicht. Die Dienstpistolen sind so umgerüstet, dass sie einen Laserimpuls abfeuern, der die StressVest® aktiviert, wenn er die Körpermitte, die Seite oder den Kopf trifft. Bei einem Treffer gibt der StressX® PRO-Gürtel entweder eine Vibration oder einen Schock an den Unterleib des Teilnehmers ab. Das System löst nachweislich eine Stressreaktivität aus, die anhand der Herzfrequenz gemessen wird und die dem Training mit nicht-tödlicher Trainingsmunition entspricht. Um die Leistung der Teilnehmer zu kodieren, wurde jedes Szenario mit drei GoPro-Kameras aufgezeichnet, die an zentralen Stellen im Untersuchungsgebiet angebracht waren. Alle Teilnehmer trugen außerdem einen Eye-Tracker.

Das Szenario
Wie im Zusatzmaterial (link dazu im Beitrag)) näher beschrieben, wurden die Teilnehmer einem Szenario mit tödlicher Gewalt ausgesetzt. Das Szenario fand in einem Gebäude statt. Alle Teilnehmer wurden zu einer Wohnung gerufen, weil eine weibliche Beschwerdeführerin anzeigte, dass eine männliche Person stark getrunken und gegen seine Bewährungsauflagen verstoßen habe. An diesem Punkt sagte der Moderator: „Szenario läuft“, und die Teilnehmer hatten die Möglichkeit, die Zentrale um zusätzliche Informationen zu bitten, wenn sie dies wünschten.

Der Beitrag enthält umfassende Ausführungen zur verwendeten Methodik und zur Interpretation der Ergebnisse. http://www.polizei-newsletter.de/links.php?L_ID=1188