Polizei : Newsletter Nr. 296, Mai 2025

 1)   Längerer Beitrag Mai: Vertrauen in die Polizei
 2)   Einstellungsprüfung bei der Polizei: Mehr als 50% der Bewerber fallen durch
 3)   Zweiter Periodischer Sicherheitsbericht für Sachsen
 4)   Häusliche Gewalt gegen Männer
 5)   Suizide vor allem von Männern - gendersensible Suizidprävention
 6)   Schuldumkehr durch Frontex-Berichte
 7)   Rolle der Umgebung bei Einbruchsentscheidungen
 8)   Deeskalation und Nicht-Eskalation bei Polizeieinsätzen. Eine Analyse anhand von Bodycam-Aufnahmen
 9)   Polizeiliche Autorität: Selbstschemata
10)  Prävention der Pädophilie
11)  Polizeikontrollen und Prävalenz psychischer Gesundheitsprobleme
12)  Kriminologie und Strafrechtswissenschaft – ein Abhängigkeitsverhältnis?
13)  Legitimitätsbasierte Polizeiarbeit
14)  Keine Zeitersparnis durch KI-gestützte Erstellung von Polizeiberichten
15)  Jugendliche als Opfer sexueller Gewalt und Polizei
 
1) Längerer Beitrag Mai: Vertrauen in die Polizei
Muslime sind oftmals einer verstärkten Überwachung durch die Polizei ausgesetzt. Dieses Misstrauen wurde auch mit dem mangelnden Vertrauen der Muslime in die Polizei in Verbindung gebracht. Unter Verwendung eines explorativen qualitativen Designs untersucht eine Studie, wie Muslime die Behandlung durch die Polizei antizipieren und welche Auswirkungen antizipatorische (Un-)Gerechtigkeit auf das Vertrauen hat. Die Studie unterstreicht die Dualität des individuellen Vertrauens und die Frage, unter welchen Bedingungen die Menschen der Polizei vertrauen, dass sie oder andere fair behandelt werden. Der längere Beitrag in diesem Monat beschäftigt sich mit der Studie, den Problemen dahinter und den daraus zu ziehenden Konsequenzen für die Polizei. Er findet sich in meinem neuen Blog „PolizeiWissenschaft“ https://www.thomasfeltes.de/index.php/blog
 
 
2) Einstellungsprüfung bei der Polizei: Mehr als 50% der Bewerber fallen durch
Fast zwei Drittel der Hamburger Polizeibewerber fielen zuletzt durch die Sprachprüfung bei ihrer Bewerbung. Insbesondere am sogenannten „Lückendiktat“ scheitern viele (mehr als 60 Prozent). Den größten Anteil hat dabei das Lückendiktat gehabt, das nun abgeschafft wurde. Trotzdem werde weiterhin neben der kognitiven Leistungsfähigkeit die Sprachkompetenz abgefragt. Nach Einführung des neuen Testverfahrens habe sich die Durchfallquote auf 50 Prozent verbessert. http://www.polizei-newsletter.de/links.php?L_ID=1200
 
 
3) Zweiter Periodischer Sicherheitsbericht für Sachsen
Der Bericht blickt auf die Kriminalitätsentwicklung der Jahre 2019 bis 2023. Das aktuelle Erfassungssystem der polizeilichen und justiziellen Daten erlaubt noch keine Erstellung einer fallbezogenen Verlaufsstatistik, wie sie perspektivisch angestrebt werden soll. Um diesem Umstand Rechnung zu tragen, wurde mithilfe von Trichtermodellen versucht, den Ausfilterungsprozess von polizeilich registrierten Fällen bis hin zur Verurteilung in fast allen Kriminalitätsfeldern anschaulich zu skizzieren. Ergänzend wurden sächsische Befunde aus der bundesweiten Bevölkerungsbefragung in den Bericht aufgenommen. Diese liefern Erkenntnisse zur persönlichen und sozialen Kriminalitätsfrucht, zum Sicherheitsgefühl sowie zur Wahrnehmung von und Sorge vor politischem Extremismus in Sachsen. Was leider fehlt in dem Bericht ist eine Analyse der unterschiedlichen Erfassungen von Kriminalität durch Polizei, Justiz und Bevölkerung. Hier kommt der Bericht über eine Beschreibung leider nicht hinaus. http://www.polizei-newsletter.de/links.php?L_ID=1201
 
 
4) Häusliche Gewalt gegen Männer
Dieses Thema findet in der Literatur wenig Beachtung, da Männer in der Gesellschaft zumeist als Täter und weniger als Opfer von Gewalt in Partnerschaften wahrgenommen werden. Eine neue Studie aus Australien widmet sich den spezifischen Merkmalen von erwachsenen männlichen Opfern sowie den relevanten weiblichen Verdächtigen oder Angeklagten, die in intimen Beziehungen der Gewalt bezichtigt werden. Ziel ist es, ein besseres Verständnis für dieses komplexe Thema zu schaffen und auf die oftmals ungehörte Problematik aufmerksam zu machen. http://www.polizei-newsletter.de/links.php?L_ID=1202
 
 
5) Suizide vor allem von Männern - gendersensible Suizidprävention
In Österreich werden etwa drei Viertel der Suizide von Männern verübt. Der Bericht stellt umfassende Erklärungsansätze und Daten dar. Die Forschungsergebnisse zeigen, wie Suizidprävention und Hilfe in Krisen gestaltet sein müssen, damit Männer davon profitieren. Darüber hinaus beleuchtet sie die Herausforderungen, die Männer bei der Hilfesuche und der Annahme von Hilfe erleben und bietet Einblicke in die zugrundeliegenden Ursachen für diese Schwierigkeiten. https://shop.budrich.de/produkt/vulnerabilitaet-von-maennern-in-krisen/
 
 
6) Schuldumkehr durch Frontex-Berichte
Ein Kommentar zeigt auf, wie die Risikoanalyseberichte von Frontex Abweichung und Schuld umkehren, indem sie Schmuggler, Flüchtlinge und Migranten in einen Topf werfen und letztere als für ihr eigenes Leid an Europas Grenzen verantwortlich machen, während sie die Rolle der restriktiven Migrationspolitik und der Grenzkontrollen bei der irregulären Migration, die diese Probleme überhaupt erst hervorgerufen haben, vertuschen. https://journals.sagepub.com/doi/10.1177/03063968241291509
 
 
7) Rolle der Umgebung bei Einbruchsentscheidungen
Bei der Entscheidung, einen Einbruch zu begehen, spielt die Umgebung eine wichtige Rolle. Die zugrundeliegenden Mechanismen, die Umweltmerkmale mit der Wahrnehmung verknüpfen, sind jedoch größtenteils ungetestet. Anhand einer Fallstudie zum Thema Einbruch erkundeten inhaftierte Wohnungseinbrecher eine virtuelle Nachbarschaft mit Häusern, die sich in Bezug auf die Risiken und Vorteile eines Einbruchs unterschieden. Ein Ergebnis: Einbrecher passen ihre Wahrnehmungen als Reaktion auf die mit Risiken und Belohnungen verbundenen Merkmale der Umgebung an. Darüber hinaus verändert die Erfahrung diese Wahrnehmung, wobei erfahrenere Täter glauben, dass sie weniger wahrscheinlich erwischt und gesehen werden und folglich eher in ein Haus einbrechen werden. http://www.polizei-newsletter.de/links.php?L_ID=1203
 
 
8) Deeskalation und Nicht-Eskalation bei Polizeieinsätzen. Eine Analyse anhand von Bodycam-Aufnahmen
Diese Studie beschäftigt sich mit der sog. Emotionsdysregulation bei Polizeibeamten in Einsatzsituationen. Ausgewertet wurden Bodycam-Aufnahmen. Getestet wurde der Einfluss individueller, situativer und umweltbedingter Prädiktoren auf die Emotionsdysregulation. Aufnahmen von Bodycams mit 568 separaten Interaktionen bei einer kleinen Behörde in den Vereinigten Staaten umfassten mehr als 11.000 Minuten Kontakt zwischen Polizeibeamten und Bürgern. Der größte Prädiktor für eine emotionale Dysregulation auf Seiten des Beamten ist die Dysregulation auf Seiten der Person, um die es geht. Angesichts der Rolle von Emotionen bei der Entscheidungsfindung und ihrer weitgehenden Vernachlässigung in der polizeilichen Fachliteratur zeigen diese Ergebnisse, wie nützlich es ist, auf die reichhaltigen Daten zurückzugreifen, die in den Aufnahmen der Bodykameras enthalten sind. https://journals.sagepub.com/doi/abs/10.1177/14613557241311054
 
 
9) Polizeiliche Autorität: Selbstschemata
Polizeiliche Autorität soll das Handeln von Polizeibeamten leiten. Eine Studie der Universität Bielefeld rekonstruiert persönliche Theorien über die Autorität der Polizei anhand von qualitativen Interviews mit deutschen Polizeibeamten und Polizeianwärtern. Diese persönlichen Theorien werden in vier Selbstschemata unterteilt, die sich zusammensetzen aus: dem effektiven und bestmöglichen Umgang mit möglichen Problemen, die bei der Polizeiarbeit auftreten; verschiedenen normativen Ordnungen, die das Verhältnis zwischen der Polizei und der Zivilgesellschaft definieren; einem Verweis auf wünschenswerte Persönlichkeitsmerkmale für Polizeibeamte; und symbolischen Darstellungen von Polizeiautorität. Solche Selbstschemata beeinflussen die Interaktionen der Polizei mit den Bürgern und offenbaren eine Vielfalt polizeilicher Vorstellungen von Autorität. Die verschiedenen Selbstschemata der Autorität scheinen ihren Ursprung in unterschiedlichen Hintergründen zu haben, wie z.B. praktische Erfahrungen in der Polizeiarbeit, formale Ausbildung an Polizeihochschulen, Einhaltung allgemein akzeptierter gesellschaftlicher Normen wie Fairness, Gewaltlosigkeit, Respekt und persönliche Überzeugungen. https://journals.sagepub.com/doi/abs/10.1177/14613557241293588
 
 
10) Prävention der Pädophilie
Seit Mitte der 2000er Jahre zielen therapeutische Institutionen, Selbsthilfe und mediale Debatten darauf, sexuelle Gewalt gegen Kinder verursacherbezogen zu verhindern. Sie bestärken Pädophile zu Kontrolle und sexueller Selbstbestimmung. Anhand von Interviews, Behandlungskonzepten und Mediendarstellungen analysiert eine Veröffentlichung die Struktur sexueller Selbstbestimmung. Open Access unter https://www.campus.de/e-books/wissenschaft/soziologie/kontrolle_und_selbstbestimmung-18602.html
 
 
11) Polizeikontrollen und Prävalenz psychischer Gesundheitsprobleme
Eine Sekundäranalyse untersucht den Zusammenhang zwischen polizeilichen Anhalte- und Durchsuchungspraktiken und der Prävalenz psychischer Gesundheitsprobleme in England. Die Ergebnisse deuten außerhalb einer Großstadt auf einen Zusammenhang zwischen einer höheren Zahl von Anhaltungen und Durchsuchungen und der Prävalenz psychischer Probleme hin, der auch dann noch besteht, wenn Faktoren wie ethnische Zugehörigkeit, Altersdemografie, Benachteiligung, Kriminalitätsrate und Zugänglichkeit zu lokalen Diensten berücksichtigt werden. Innerhalb Londons hingegen korrelierte die Häufigkeit von Durchsuchungen stärker mit höheren Kriminalitätsraten und ethnischer Vielfalt, während die Prävalenz psychischer Probleme und andere soziodemografische Faktoren keine signifikanten Auswirkungen zeigen. Die Studie zeigt, dass die psychische Gesundheit, der Anteil der schwarzen Bevölkerung und die ethnische Vielfalt insgesamt einen direkten Einfluss auf die Häufigkeit von Kontrollen und Durchsuchungen im ganzen Land haben. https://journals.sagepub.com/doi/full/10.1177/14613557241293004
 
 
12) Kriminologie und Strafrechtswissenschaft – ein Abhängigkeitsverhältnis?
Nach verbreitetem Verständnis stellt die Kriminologie empirisches Wissen bereit, das die Strafrechtswissenschaft selektiv in die Bildung von Dogmatik eingehen lässt. Dem wird hier eine Perspektive gegenübergestellt, die diese Praxis der kriminologischen Beobachtung unterzieht. Der Beitrag will damit der „Randwissenschaft“ Kriminologie stärkeren Einfluss geben. http://www.polizei-newsletter.de/links.php?L_ID=1204
 
 
13) Legitimitätsbasierte Polizeiarbeit
In den letzten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts wurde das Top-down-Management der Kriminalität betont. Polizeidienststellen entwarfen Strategien und verließen sich auf ihre Fähigkeit, Gewalt anzuwenden, Kriminalität zu bekämpfen. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts wurde die Notwendigkeit erkannt, die Bürger und die Gemeinschaft stärker zu berücksichtigen. In dieser Literatur wird sowohl nachgewiesen, dass Legitimität Auswirkungen auf gesetzesbezogenes Verhalten hat, als auch, dass die Gerechtigkeit der Verfahren, durch die Autorität geschaffen und umgesetzt wird, die Legitimität beeinflusst. Kriminologen haben diese Ideen in Studien über Gerichte, Polizei und Justizvollzugsanstalten getestet und bestätigt. http://www.polizei-newsletter.de/links.php?L_ID=1205
 
 
14) Keine Zeitersparnis durch KI-gestützte Erstellung von Polizeiberichten
Eine Studie untersucht das Potenzial von künstlicher Intelligenz (KI), die Zeit zu reduzieren, die Polizeibeamte für das Schreiben von Berichten aufwenden. In einer randomisierten, kontrollierten Studie hatte die Unterstützung durch künstliche Intelligenz hatte keinen signifikanten Einfluss auf die Dauer der Erstellung von Polizeiberichten. Die Ergebnisse widersprechen den Erwartungen des Marketings in Bezug auf die Wirkung dieser Technologie und deuten darauf hin, dass durch den Einsatz von KI-gestützter Berichterstellung keine Zeitersparnis bei der Berichterstellung zu erwarten ist. https://link.springer.com/article/10.1007/s41887-024-00096-7
 
 
15) Jugendliche als Opfer sexueller Gewalt und Polizei
Studien dazu, wie junger Menschen, die sexuellen Kindesmissbrauch erlebt haben, beurteilen, was hilfreich oder nicht hilfreich war und wie die Dienste verbessert werden können, um eine sekundäre Viktimisierung zu minimieren, fehlen weitgehend. Die vorliegende Arbeit stützt sich auf halbstrukturierte Interviews mit jungen Menschen im Alter von 14 bis 25 Jahren in Irland und Kanada über ihre Erfahrungen mit der Offenlegung von erlebter sexueller Gewalt und dem Umgang mit dem System Polizei. Die Untersuchung ergab drei Schlüsselthemen: die Bedeutung des Gefühls der Sicherheit durch Freundlichkeit, Transparenz und Glaubwürdigkeit, die Bedeutung des Mitspracherechts und die Bedeutung rechtzeitiger Gerichtsverfahren. https://onlinelibrary.wiley.com/doi/full/10.1002/car.2875?campaign=woletoc