Polizei : Newsletter Nr. 51, April 2003

 1)   Polizeiarbeit in der Einwanderungsgesellschaft
 2)   Deutsche Kriminalistische Gesellschaft in der Gründung
 3)   Evaluation zur Einführung der praktisch-mündlichen Prüfung in Bayern
 4)   Knigge für Knast-Neulinge
 5)   Mangelnde Zukunftschancen machen Jugendliche krank
 6)   Polizei und Polizeiforschung – zwei neue Sammelbände
 7)   Antiquarische Bücher via Internet
 8)   Polizeiwissenschaft auf dem Vormarsch
 9)   Lombroso heute?
10)  Führen Misshandlungen im Kindesalter zu späterer Delinquenz?
11)  Rauschgiftjahresbericht des BKA nur noch im Internet
12)  Forschung und Flüchtlingsintegration
13)  Neues Angebot des Berliner Beauftragten für Datenschutz
14)  Bericht zur Rasterfahndung in Berlin
 
1) Polizeiarbeit in der Einwanderungsgesellschaft
Rudolf Leiprecht hat eine Studie zur Polizeiarbeit vor dem Hinterrund von Migrationsproblemen vorgelegt. Neben allgemeinen Informationen zum Thema Einwanderung in Deutschland beschäftigt sich Leiprecht intensiv mit dem Thema Polizei und multikulturelle Gesellschaft und stellt verschiedene Projekte und Initiative innerhalb der Polizeien der deutschen Bundesländer vor. Zusätzlich enthält das Buch eine umfangreiche Zusammenstellung von Literatur zum Thema sowie von Adressen von Personen und Polizeibehörden, die sich mit dem Thema beschäftigen. Das Buch hat 101+103 Seiten (zweisprachig, Deutsch und Niederländisch), ist im niederländischen Elsevier Overheid Verlag erschienen und wird in Deutschland über den Felix-Verlag Holzkirchen vertrieben (mail@felix-verlag.de, Fax: 08024-7572) zum Preis von € 21.- (zuzügl. Porto und Verpackung).
 
 
2) Deutsche Kriminalistische Gesellschaft in der Gründung
Mehrere in Praxis, Forschung und Lehre tätige Kriminalisten betreiben derzeit die Gründung einer Deutschen Gesellschaft für Kriminalistik (DGfK). Unter www.kriminalistik.info sind weitere Informationen sowie einige Beiträge zum Thema verfügbar (Danke an R. Ackermann für den Hinweis).
 
 
3) Evaluation zur Einführung der praktisch-mündlichen Prüfung in Bayern
Die bayerische Bereitschaftspolizei, zuständig für die Ausbildung des gesamten polizeilichen Nachwuchses in Bayern, hat eine praktisch-mündliche Prüfung an Stelle der lediglich mündlichen Prüfung eingeführt. Schon in der Ausbildung wird in verschiedenen Ausbildungsfächern mit Rollentrainings und praxisnahen Übungen gearbeitet. Von den Prüflingen müssen spontane Situationen aus dem beruflichen Alltag gemeistert werden. In der abschließenden Anstellungsprüfung wird die klassische mündliche Prüfung durch eine 30-minütige Handlungskompetenz und 15-minütiger Fachkompetenzprüfung ersetzt. Bei einer im Jahre 2000 durchgeführten Befragung von 302 Prüflingen, von denen 157 nach dem alten und 145 nach dem neuen System geprüft wurden, bescheinigen u.a. lediglich 28 % der Auszubildenden nach dem alten System, jedoch 79 % der Auszubildenden nach dem neuen System der Prüfung „Praxisnähe“ zum polizeilichen Alltag. Auch steigt die „Zufriedenheit mit dem Prüfungsvorbereitung“ bzw. „Zufriedenheit mit dem Prüfungssystem“ jeweils um ca. 20 Prozentpunkte. Quelle: Muff, Albin: Handlungsorientierte Ausbildung und Prüfung, Kriminalistik 2003, S. 55 -57
 
 
4) Knigge für Knast-Neulinge
Der Amerikaner David Novak, selbst Ex-Strafgefangener, bietet diverse Bücher und Informationen zum Thema „Wie überstehe ich den Knast?“ im Internet an www.davrie.com Zielgruppe: Vor allem Wirtschaftsstraftäter.
 
 
5) Mangelnde Zukunftschancen machen Jugendliche krank
Nach einer Studie des Zentrums für Sozialpolitik der Universität Bremen, die 1999 im Auftrag der Gmünder Ersatzkasse durchgeführt wurde und an der mehr als 9.300 Personen beteiligt waren, werden Jugendlichen mit schlechten Aussichten auf einen Arbeitsplatz häufiger krank als Gleichaltrige mit besseren Zukunftschancen. Es gibt danach einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen Schulbildung und Zukunftsperspektiven einerseits und subjektivem und objektiven Krankheits­empfin­den und entsprechendem Verhalten andererseits: Je niedriger der Bildungsabschluss, umso häufiger und intensiver sind Krankheit und eigene düstere Zukunftsaussichten. Zukunftssorgen können offensichtlich nicht nur Elan und Lebenszuversicht rauben, sie machen ganz konkret krank. Eine Kurzübersicht über die Ergebnisse steht im Online-Bereich des Polizei-Newsletter zur Verfügung. Das Buch kostet 9,90 Euro und ist über den Buchhandel zu beziehen: Band 13 der GEK-Edition "Young is beautiful? Zukunftsperspektiven, Belastungen und Gesundheit im Jugendalter. Ergebnisbericht zu einer Studie über Belastungen und Probleme, Gesundheitsbeschwerden und Wertorientierungen 14-25-jähriger GEK-Versicherter" von Gerd Marstedt, Rainer Müller, Dieter Hebel und Hardy Müller, ISBN 3-537-44013-8, 200 Seiten, erschienen 2000.
 
 
6) Polizei und Polizeiforschung – zwei neue Sammelbände
Jo Reichertz und Norbert Schröer (Uni Essen) haben einen Sammelband herausgegeben, der die empirischen Befunde der sog. „hermeneutischen Polizeiforschung“ seit ihrer Entstehung in den späten 80er Jahren zusammenträgt. Dabei geht es u.a. um die Organisation polizeilicher Aufklärungsarbeit, die Handlungslogik polizeilichen Vernehmens und die dolmetscher-gestützte Ermittlungsarbeit. Zusätzlich enthält der Band (z.T. kritische) Kommentare anderer Polizeiforscher. J. Reichertz, N. Schröer (Hrsg.), Hermeneutische Polizeiforschung, Opladen 2003 (237 S., € 24,90). Fast zeitgleich ist der Band „Polizei der Gesellschaft. Zur Soziologie der Inneren Sicherheit“, hrsg. von Hans-Jürgen Lange (Opladen 2003, 472 Seiten, € 39,90) erschienen, der ca. 25 Einzelbeiträge umfasst und einen exzellenten Überblick über den Stand der (nicht nur) soziologischen Polizeiforschung und -diskussion gibt. Beide Bände sind im Leske+Budrich-Verlag in der Reihe „Studien zur Inneren Sicherheit“ erschienen und nicht nur für Polizei-Theoretiker einen Blick wert (sicherlich werden alle Bibliotheken der Polizei-Fachhochschulen diese Bände anschaffen).
 
 
7) Antiquarische Bücher via Internet
Unter www.zvab.com werden über 7,5 Millionen Bücher von 1.200 Antiquariaten angeboten. Bestellung und Kauf erfolgen ebenso wie die Abrechnung über eine einzige Website. Genial für alle, die ältere, oder billig neue Bücher suchen.
 
 
8) Polizeiwissenschaft auf dem Vormarsch
Auch in Deutschland scheint der Polizeiwissenschaft der Durchbruch zu gelingen. Mehrere Konferenzen und Workshops an der Polizei-Führungsakademie (zuletzt im Februar 2003) sowie Seminare und theoretische und empirische Forschungsarbeiten an Polizei-Fachhochschulen haben nicht nur den nötigen Druck ausgeübt, sondern offen­sichtlich auch Überzeugungsarbeit in der Polizei geleistet. In Verbindung mit der Überleitung der Polizei-Führungsakademie in eine Deutsche Hochschule der Polizei (mit einem akademischen Master-Abschluss, der sich in die in Deutschland gegenwärtig eingeführten gestuften Studiengänge einordnet) ergibt sich hier eine dauerhafte und fundierte Basis für eine empirische Polizeiforschung, deren Ergebnisse der Polizeipraxis zugute kommen. Einen Überblicksbeitrag, in dem auch die wichtigsten Akteure der gegenwärtigen Entwicklung und ihre Arbeiten vorgestellt werden, wird demnächst in der Zeitschrift „Die Kriminalpolizei“ erscheinen. Vorab ist der Beitrag von Thomas Feltes mit dem Titel: „Frischer Wind und Aufbruch zu neuen Ufern? Was gibt es Neues zum Thema Polizeiforschung und Polizeiwissenschaft?“ im Internet verfügbar unter http://www.thomasfeltes.de/htm/News.htm .
 
 
9) Lombroso heute?
Inzwischen hat auch RTL in der hessischen Polizei-Fachhochschule dieses Experiment wiederholt: In einem eindrucksvollen Experiment stellte Hans-Dieter Schwind, em. Professor an der Uni Bochum (jetzt Uni Osnabrück) seinen Jura-Studenten in einer Vorlesung insgesamt 13 Personen vor. Die Studenten sollte raten, wer Verbrecher und wer unbescholtener Bürger ist. Zur Urteilsfindung, so das klare Ergebnis, taugt die äußere Erscheinung überhaupt nicht. Näheres dazu im Spiegel-Bericht unter http://www.spiegel.de/unispiegel/wunderbar/0,1518,135815,00.html oder (kritisch dazu) die taz ruhr unter http://www.taz-ruhr.de/5.8.99/7.html (schon aus 1999).
 
 
10) Führen Misshandlungen im Kindesalter zu späterer Delinquenz?
Verschiedene Studien im In- und Ausland (u.a. vom Kriminologischen Forschungsinstitut in Hannover, www.kfn.de) hatten nachgewiesen, dass Misshandlungen im Kindes- und Jugendalter im Zusammenhang mit späterer Delinquenz und Drogenmissbrauch stehen. Eine neue Studie hat nun keinen solchen Zusammenhang gefunden zwischen Misshandlungen im Kindesalter und kriminellem Verhalten und Drogenmissbrauch im Erwachsenenalter. Allerdings fanden die Forscher einen übereinstimmenden Einfluss von Misshandlungen, die nur im Heranwachsendenalter und ausdauernd stattfanden. Source: T. Ireland, C. Smith, T. Thornberry: Developmental Issues in the Impact of Child Maltreatment on Later Delinquency and Drug Use. In: Criminology 40, 2, 2002, S. 359-399
 
 
11) Rauschgiftjahresbericht des BKA nur noch im Internet
Der Rauschgiftjahresbericht des Bundeskriminalamt wird nicht mehr schriftlich verschickt, sondern ist nur noch im Internet auf der Webseite www.bka.de abzurufen, und zwar unter der Rubrik "Kriminalitätslageberichte".
 
 
12) Forschung und Flüchtlingsintegration
In England wird versucht, Studien zum Thema Flüchtlingsintegration systematisch zu untersuchen. Ziel ist es, die Untersuchungsergebnisse mit politischer Praxis zu verbinden und zu einer neuen und besseren Integration beizutragen. Ein Bericht über eine Machbarkeitsstudie findet sich unter http://www.homeoffice.gov.uk/rds/pdfs2/rdsolr1302.pdf .
 
 
13) Neues Angebot des Berliner Beauftragten für Datenschutz
Das Angebot informiert über Aufgaben und Tätigkeit des Berliner Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit im Bereich der Informationsfreiheit. Darüber hinaus sind auch Informationen über nationale und internationale Entwicklungen der Informationsfreiheit abrufbar. Mehr unter: http://www.informationsfreiheit.de/index.htm
 
 
14) Bericht zur Rasterfahndung in Berlin
Ein Sonderbericht des Berliner Datenschutzbeauftragten über die Rasterfahndung bietet einen sehr guten Einblick in die Anwendung und die Ergebnisse dieses Instrumentes nach dem 11.9.2001. Danach wurden in Berlin 58.032 Datensätze gerastert, die zu 3.641 Treffern führten. Nach manuellem Abgleich wurden 114 Personen identifiziert, die die Kriterien der Rasterfahndung erfüllten und gegen die dann konventionell ermittelt wurde. Ein „Schläfer“ fand sich nicht darunter. Quelle: CILIP 73, 3, 2002, S. 109 unter Verweis auf www.datenschutz-berlin.de/informat/sonderbericht/rasterfahndung.pdf