Polizei : Newsletter Nr. 54, Juli 2003

 1)   Studie zur Vorhersehbarkeit von Tötungs- und Sexualdelikten
 2)   Effektivität von Polizeiarbeit und Verantwortlichkeit
 3)   Daten zu Rückfällen bei Sexualstraftätern
 4)   Zusammenhang zwischen Alkohol-Verkaufsstellen und Kriminalität
 5)   Bericht des CPT (Committee for the prevention of torture) zu seinem Besuch in Deutschland
 6)   Finger statt Maus
 7)   Alleine Kegeln, aber gemeinsam Verbrecher jagen?
 8)   Strafvollzugsarchiv Bremen online
 9)   Zoo Hannover setzt ab sofort auf automatische Gesichtserkennung für Jahreskarteninhaber
10)  Gefangenenzahl in den USA überschreitet erstmals die 2 Mio.-Grenze
11)  Bericht zum Zusammenwirken von Britischen Truppen, dem Geheimdienst  und gewalttätigen Loyalisten in Nordirland
12)  Three Strikes als Mittel zur Prävention?
13)  Sucht- und Drogenbericht der Bundesregierung verfügbar
14)  Gründung der Gesellschaft für problemorientiertes Lernen in der Polizei
15)  Konferenz der “Europäischen Akademie für Forensische Wissenschaften” in Istanbul
 
1) Studie zur Vorhersehbarkeit von Tötungs- und Sexualdelikten
Unter dem Titel „Murder an Serious Sexual Assault. What criminal histories can reveal about future serious offending“ hat das britische Homeoffice in der Reihe “Police Research Papers” eine Studie zur Frage der Vorhersagbarkeit von Tötungs- und sexueller Gewaltkriminalität veröffentlicht. Anders als andere Studien geht es in der vorliegenden Untersuchung nicht darum, allgemeine Rückfalldelinquenz vorherzusagen. Vielmehr ist es Ziel der Studie, einschätzen zu lernen, wie hoch das Risiko weiterer schwerer Straftaten (Mord u.ä.) bei denjenigen Tätern ist, die erstmals wegen einer schweren Gewalttat verurteilt wurden. Die Verf. wollen dabei in ihrer Untersuchung keine Wahrscheinlichkeiten berechnen, sondern mögliche Risiken aufzeigen. Die Studie kann abgerufen werden unter: http://www.homeoffice.gov.uk/rds/prgpdfs/prs144.pdf
 
 
2) Effektivität von Polizeiarbeit und Verantwortlichkeit
Wenn die Polizei das Gesetz verletzt, dann sind mehr negative als positive Folgen das Ergebnis – sowohl für die Polizei insgesamt, als auch für den einzelnen Polizisten. Der bekannte Polizeiwissenschaftler David Bayley untersucht in einem Beitrag sieben Gründe, warum Polizeibeamte, die das Gesetz verletzen, gegen die Interessen der Polizei handeln. Quelle: David Bayley: Law Enforcement and the Rule of Law: Is there a Tradeoff? In: Criminology and Public Policy, 2, 1, 2002, p. 133-154
 
 
3) Daten zu Rückfällen bei Sexualstraftätern
Unter dem Titel „Sexual offenders – measuring reconviction, reoffending and recidivism“ hat das British Homeoffice eine Untersuchung von Louise Falshaw u.a. veröffentlicht. Ziel der Untersuchung war es u.a. herauszufinden, ob es Möglichkeiten gibt, die Zahl der Rückfälle  bei Sexualstraftätern genauer zu erfassen. Die Höhe der Rückfälle ist für Forscher relativ schwer zu bestimmen, da im Rahmen von offiziellen Statistiken lediglich eine Wiederverurteilung registriert wird. Dies kann aber nur eine Annäherung an die Zahl der Rückfälle (d.h. Vorfälle ohne Verurteilung wegen eines Sexualdelikts) sein. Die Verfasser benennen, welche offiziellen Quellen in Großbritannien zur Verfügung stehen und schlagen vor, diese Angaben durch „inoffizielle“ Daten, also solche, die im Rahmen von Forschungsvorhaben gewonnen werden, zu ergänzen. Die vier Seiten lange Zusammenfassung der Studie kann unter http://www.homeoffice.gov.uk/rds/pdfs2/r183.pdf herunter geladen werden.
 
 
4) Zusammenhang zwischen Alkohol-Verkaufsstellen und Kriminalität
Eine Studie in den USA ist Zusammenhängen zwischen der sozialen Struktur einer Nachbarschaft, der Anzahl von Alkohol-Verkaufsstellen und Gewaltkriminalität nachgegangen. Im Ergebnis ist die Gewaltkriminalität umso höher, je mehr solcher Verkaufsstellen im Viertel verfügbar sind – auch wenn man andere Einflussfaktoren wie z.B. die soziale Struktur kontrolliert. Quelle: Gorman, D.M., P.W. Sperr, P.J. Gruenewald, Spatial dynamics of alcohol availability, neighbourhood structure and violent crime. In: Journal of Studies on Alcohol, 62, 5, 2001, S. 628-636.
 
 
5) Bericht des CPT (Committee for the prevention of torture) zu seinem Besuch in Deutschland
Der Bericht, der sich auf den Besuch des Komitees im Dezember 2000 bezieht, steht  nunmehr im Internet unter http://www.cpt.coe.int/en/states/deu.htm zur Verfügung. Auf der CPT-homepage findet man auch die Stellungnahme der Bundesregierung zu diesem Bericht. Beachtenswert ist, dass das CPT bei seinem nunmehr vierten Besuch erstmals eine Maßregelanstalt und eine Jugendstrafanstalt besucht hat. Zum Fehlen der gesetzlichen Regelung im Jugendstrafvollzug wird im Bericht Stellung genommen.
 
 
6) Finger statt Maus
Computer, die Gesten verstehen, kannte man bisher nur aus Filmen (Minority-Report). Die Firma FingerWorks (USA) vertreibt jetzt eine elektronische Matte, die Handbewegungen berührungslos erkennt und in Befehle für den PC umsetzt: www.fingerworks.com
 
 
7) Alleine Kegeln, aber gemeinsam Verbrecher jagen?
Unter dem provozierenden Titel „Bowling alone, policing together“ beschäftigt sich ein Beitrag von Eric Klinenberg mit der weltweit zu beobachtenden Entwicklung zu „Community Policing“. Er stellt dabei die Vor- und Nachteile dieser Reform gegenüber und kommt zu dem Ergebnis, dass der damit zusammenhängende Nachbarschaftsaktivismus und die Beteiligung der Bürger an polizeilichen Aktivitäten durchaus auch kritisch gesehen werden muss: So werde dadurch traditionelle Sozialarbeit häufig in den privaten Bereich verlagert und Polizeibeamte werden zu Oberaufsehern und Wächtern über das Leben in der Gemeinde. Für den Autor geht diese Entwicklung einher mit mehr Misstrauen, Verdacht und Angst, die zu den leitenden Prinzipien von Politik und Gemeinwesenarbeit werden. Quelle: Social Justice 28, 3, 2001, S.75-80.
 
 
8) Strafvollzugsarchiv Bremen online
Unter www.strafvollzugsarchiv.de kann im Bestand des Strafvollzugsarchivs online recherchiert werden. Es handelt sich dabei um eine Datenbank mit zur Zeit rund 5800 Titeln - Büchern (auch in englischer Sprache), Aufsätzen aus Zeitschriften und grauer Literatur und Urteilen aus dem Bereich Strafvollzug.
 
 
9) Zoo Hannover setzt ab sofort auf automatische Gesichtserkennung für Jahreskarteninhaber
Die größte Biometrieanwendung Europas findet sich im Erlebnis-Zoo Hannover: Zur Überprüfung der 60.000 Dauerkartenbesitzer setzt die Zooleitung ab sofort auf das biometrische Zutrittskontrollsystem ZN-Face der ZN Vision Technologies AG. Die von der ZN AG gemeinsam mit der Bosch Sicherheitssysteme GmbH realisierte Lösung aus Kartenleser und automatischer ZN-Gesichts­erkennung löst das bisher am Zooeingang eingesetzte Fingerabdrucksystem ab. Quelle: www.zn-ag.com
 
 
10) Gefangenenzahl in den USA überschreitet erstmals die 2 Mio.-Grenze
Anfang April 2003 waren in den USA mehr als 2.1 Mio. Menschen in den USA inhaftiert: Zwei Drittel davon in staatlichen Gefängnissen mit Freiheitsstrafen von mehr als einem Jahr, ein Drittel in lokalen „jails“. Mit einer Gefangenenquote von über 700 auf 100.000 Einwohner ist damit ein neuer Höhepunkt erreicht worden. http://www.cjcj.org/press/inmate_population.html. Ursachen für den nach wie vor dramatischen Anstieg der Gefangenenzahlen, der vor allem auch schwarze Jugendliche und Heranwachsende trifft, sind die harten Strafen bei Drogenbesitz und die „Three-Strikes-Gesetzgebung“, wonach bei der dritten Verurteilung lebenslängliche Strafen verhängt werden müssen.
 
 
11) Bericht zum Zusammenwirken von Britischen Truppen, dem Geheimdienst  und gewalttätigen Loyalisten in Nordirland
Sir Stevens, Commissioner der Londoner Metropolitan Polizei und einer der anerkanntesten Polizeibeamten in England, hat nach mehreren Jahren der Forschung einen Bericht über die Verwicklung der britischen Geheimdienste (secret service) mit einigen der gewalttätigsten Gruppen der paramilitärischen Loyalistengruppen in Nordirland vorgelegt. Darin wird aufgezeigt, wie dieses Netzwerk funktionierte, wie Morde an Katholiken hätten verhindert werden können und wie Ermittlungen absichtlich behindert wurden. Die Staatsanwaltschaft prüft derzeit entsprechende strafrechtliche Ermittlungen. Einige Teile des Berichtes sind verfügbar unter http://www.met.police.uk/commissioner/MP-Stevens-Enquiry-3.pdf
 
 
12) Three Strikes als Mittel zur Prävention?
Die Praxis einiger US-amerikanischer Staaten, bei einer dritten Verurteilung massive Haftstrafen zu verhängen, scheint weniger erfolgreich zu sein als von den Initiatoren erwartet. Dies geht aus den Studien des Centre of Juvenile and Criminal Justice hervor, einer privaten Non-Profitorganisation, deren Ziel unter anderem die Reform der amerikanischen Strafrechtspolitik ist. Soziale Probleme sollen demnach nicht durch eine Zunahme der Gefängnisstrafen bekämpft werden. Das CJCJ weist folgende Defizite der Three Strikes-Policiy nach: In 65% der Fälle sind nicht die eigentlich anvisierten besonders gefährlichen Gewalttäter die Betroffenen; die Verbrechensrate nimmt nicht stärker ab als in US-Staaten, die Three Strikes nicht eingeführt haben; im Gegensatz zu den Erwartungen kostet die Praxis den Steuerzahler 500 Millionen Dollar mehr pro Jahr; 74% der Verurteilten gehören ethnischen Minderheiten an oder sind arm, so dass kaum von einem fairen Vorgehen gesprochen werden kann. Mehr Informationen über Kritik an Three Strikes und über das CJCJ finden sich unter http://www.cjcj.org/rsr/index.php.
 
 
13) Sucht- und Drogenbericht der Bundesregierung verfügbar
Er steht im Internet (www.bmgs.de) zum Herunterladen zur Verfügung. Der rückläufige Trend bei den Todesfällen infolge des Konsums illegaler Drogen hat angehalten. Nach einem Rückgang von fast 10% im Jahr 2001 gab es einen erneuten Rückgang um 17,5% im Jahr 2002. Mit 1.513 drogenbedingten Todesfällen wurde das Niveau von 1990 erreicht. Die Abhängigkeit von Nikotin, Alkohol und Medikamenten hat ein besorgniserregendes Ausmaß angenommen. Jedes Jahr sterben in Deutschland über 40.000 Menschen infolge ihres Alkoholkonsums, über 50.000 alkoholkranke Menschen wurden in Fachkliniken und Suchtbehandlungseinrichtungen behandelt, über 1,2 Mio. Menschen gelten als alkoholabhängig - davon sind ungefähr ein Drittel Frauen. Bei der Medikamentenabhängigkeit, unter der in Deutschland ebenfalls ca. 1,2 Mio. Menschen leiden, beträgt der Frauenanteil zwei Drittel. Eine besondere Zielgruppe mit einem hochriskanten Alkoholkonsummuster sind Jugendliche, die „Binge drinking“, das gezielte Rauschtrinken, praktizieren. In Deutschland rauchen 16,7 Mio. Menschen, über 110.000 Menschen sterben jährlich an tabakbedingten Krankheiten - das sind über 300 Todesfälle pro Tag. Das Einstiegsalter beim Rauchen ist mit 13,6 Jahren erschreckend niedrig.
 
 
14) Gründung der Gesellschaft für problemorientiertes Lernen in der Polizei
Die Methode des problemorientierten Lernens ist ein pädagogischer Ansatz, der auf die Lernenden und den Lernprozess ausgerichtet ist. Für die Polizei ist dieser Ansatz besonders geeignet im Hinblick auf die Anforderungen und Kompetenzen, die im Bereich der lokalen Sicherheit gefordert sind. Im Vergleich zu allen anderen pädagogischen Ansätzen verspricht die Methode eine deutlich bessere Verbindung von Schule und Praxis. Diese neue Methode verfügt über gute Referenzen: an der medizinischen Fakultät von Harvard und an vielen anderen medizinischen Fakultäten in der ganzen Welt werden die Studierenden heute nach der Methode des problemorientierten Lernens ausgebildet. Verschiedene Websites von Universitäten bieten reiche Informationsquellen zum problemorientierten Lernen, insbesondere http://www.udel.edu/pbl/ oder http://www.udel.edu/pbl/. Bisher fehlte allerdings eine vergleichbare Website im Bereich Polizei. Seit der Gründung der Gesellschaft für problemorientiertes Lernen in der Polizei (PSPBL) steht nun eine Website zur Verfügung, die ganz den Erfahrungen mit der Methode des problemorientierten Lernens in amerikanischen Polizeikorps gewidmet ist: http://www.pspbl.com/.
 
 
15) Konferenz der “Europäischen Akademie für Forensische Wissenschaften” in Istanbul
Vom 22.-27. September 2003 findet in Istanbul die dritte Tagung der „European Academy of Forensic Science“ (EAFS), eine Tagung, die von dem Europäischen Netzwerk Forensischer Institute (ENFSI) organisiert wird, statt. In insgesamt 26 Sektionen werden alle Themen aus dem Bereich der forensischen Kriminalistik, Psychologie und Medizin behandelt. Näheres unter www.eafs2003.org