Polizei : Newsletter Nr. 59, Dezember 2003

 1)   Integration von Immigranten in England
 2)   Verbrechensfurcht und das Gefühl der sozialen Bedrohung
 3)   Wirklich kriminell? Verbrechensbekämpfung in der Realität
 4)   Privat betriebenes Informations- und Benachrichtigungssystem für Opfer von Straftaten in den USA
 5)   Was kostet Alkoholmissbrauch? Zusammenhänge zwischen Alkohol und Kriminalität?
 6)   Sicherheitsrisiko Jugend?
 7)   Schutz-Jacke teilt Elektroschocks aus
 8)   Deutsche Gesellschaft für Kriminalistik e.V.
 9)   Sollte man Zielvorgaben für die Polizei abschaffen?
10)  Spion-Chips in PKWs
11)  Jugendkriminalität in Deutschland – aktuelle Befunde
12)  Bremer Längsschnittstudie zu kriminellen Karrieren von Jugendlichen
13)  Einflüsse von Arbeitsbelastungen, Arbeitszufriedenheit und Burn-out von Polizisten auf polizeiliche Gewaltausübungen und Opfererfahrungen.
 
1) Integration von Immigranten in England
Im Home Office Online Report 28/ 03 findet sich ein Bericht über die Integration von Immigranten und Flüchtlingen in Großbritannien im Zeitraum von 1996 – 2001. Es wird ein Überblick über die Forschungen zu diesem Thema gegeben und aufgezeigt, dass weitergehende Daten und Sachwissen über Prozesse und Faktoren über die Integration von Immigranten und Flüchtlingen nicht in ausreichendem Maße vorhanden sind. http://www.homeoffice.gov.uk/rds/pdfs2/rdsolr2803.doc. Im Home Office Online Report 29/ 03, dem Teil 2 der Studie, werden u.a. die Themenbereiche Erziehung, Arbeitsmarkt, Gesundheit und Unterbringung untersucht

http://www.homeoffice.gov.uk/rds/pdfs2/rdsolr2903.pdf.
 
 
2) Verbrechensfurcht und das Gefühl der sozialen Bedrohung
Neuerdings werden verstärkt Zusammenhänge zwischen Verbrechensfurcht und Gefühlen der sozialen Bedrohung diskutiert. So konnte z.B. eine Studie zeigen, dass die Mobilisierung von sozialer Kontrolle (die wiederum in engem Zusammenhang steht mit Verbrechensfurcht, aber auch mit präventiven Faktoren in einer Nachbarschaft) beeinflusst wird von der Wahrnehmung der Bedrohung durch Straftaten, die mit der empfundenen Nähe anderer Personen einhergeht. Dabei steht das Gefühl, durch Kriminalität bedroht zu sein, sowohl mit ethnischen Faktoren, als auch mit Nationalitätsfaktoren („race“) im Zusammenhang. Dies gilt insbesondere für Personen, die einer Minoritätengruppe angehören. Quelle: Chiricos, T. u.a.: Perceived racial and ethnic composition of neighborhood and perceived risk of crime. In: Social Problems 48, 3, 2001, S. 322-340.
 
 
3) Wirklich kriminell? Verbrechensbekämpfung in der Realität
Unter diesem Titel stehen auf der Homepage des Zweiten Deutschen Fernsehens eine große Anzahl durchaus lesenswerten (Kurz-)Beiträge zu diversen kriminalistischen, kriminalbiologischen, forensischen und kriminologischen Themen bereit. Zugang über www.zdf.de dann zu „Wissen und Entdecken“ bzw. direkt

http://www.zdf.de/ZDFde/inhalt/16/0,1872,1020400,00.html
 
 
4) Privat betriebenes Informations- und Benachrichtigungssystem für Opfer von Straftaten in den USA
VINE ist die Abkürzung für das 24-Stunden-Informations- und Benachrichtigungssystem, das es in ganz USA Kriminalitätsopfern ermöglicht, fristgerechte und zuverlässige Informationen über Kriminalfälle und den Haftstatus von Tätern per Telefon, Web oder e-mail zu erhalten. Den patentierten VINE Service gibt es in mehreren Hundert Gemeinden in 36 US-Staaten. 26 staatliche Vollzugseinrichtungen und zwei kanadische Provinzen benutzen VINE, um Opfer über einsitzende Täter auf dem Laufenden zu halten. Das VIEN Daten-Netzwerk (www.appriss.com/network.html ist das größte privat geführte integrierte Informationsnetzwerk der Nation im  Bereich Strafrecht. Es verlinkt mehr als 1.200 Strafrechtsbehörden in 36 Staaten und deckt 58% der in staatlichen und kommunalen Einrichtungen Einsitzenden ab. Durch das Netzwerk sammelt Appriss Täterinformationen fast in Echtzeit von Hunderten verschiedener Gefängnisdirektionen im ganzen Land. Die Informationen gehen ein, werden verarbeitet und für den sofortigen Zugriff der VINE Benutzer im VINE Datencenter in Louisville, Kentucky, gespeichert.  Das VINE Datennetzwerk verarbeitet monatlich mehr als 13 Millionen Protokolle. Als eines der größten und erfolgreichsten e-government Programme macht VINE es Opfern und anderen Bürgern leicht, Informationen über Kriminalfälle und den Haftstatus von Tätern einfach durch einen Telefonanruf zu bekommen. Opfer können anrufen, um sich über den aktuellen Haftstatus eines Einsitzenden zu informieren - ist er noch im Gefängnis? wann wird er entlassen?- und kann sich registrieren lassen, um sofort benachrichtigt zu werden, wenn sich am Haftstatus des Einsitzenden etwas ändert, z.B. bei Entlassung oder Flucht. Im Jahr 2002 gingen bei VINE 3 Millionen Anrufe von Opfern ein. VINE Kunden nutzen die sichere VINEWatch Website, um Opfer zu registrieren und andere Statusberichte zu erhalten und Benachrichtigungsbriefe vor Ort zu drucken, um sie dann den Opfern zuzustellen. http://www.appriss.com/VINE.html; Beispiel aus Minnesota: http://www.dps.state.mn.us/mccvs/VINE/Fact%20sheet.doc; s. auch  http://www.webcheck.ag.state.oh.us/
 
 
5) Was kostet Alkoholmissbrauch? Zusammenhänge zwischen Alkohol und Kriminalität?
Zu den Kosten “alkoholassoziierter Krankheiten” ist jetzt eine Studie erschienen: www.rki.de/GBE/GBE.htm Danach betragen die durch Alkoholmissbrauch jährlich verursachten Kosten in Deutschland rund 20 Milliarden Euro. 42.000 Menschen sterben jährlich an den Folgen ihres Alkoholkonsums. Quelle: Konturen (Fachzeitschrift für Sucht und soziale Fragen) 3, 2003, S. 16 f..  Die ökonomischen Kosten für Alkohol, Tabak und illegale Drogen für die französische Gesellschaft werden unter Verwendung eines Krankheitskostenrahmens geschätzt. Der Gebrauch von Alkohol, Tabak und illegalen Drogen kostete in Frankreich 1997 mehr als 200 Milliarden Francs (FF), d.h. 3.714 FF pro Kopf oder 2,7 % des Bruttoinlandsprodukts. Alkohol verschlingt mehr als die Hälfte der Sozialkosten für Drogen, wobei der Hauptanteil auf den Verlust an Produktivität wegen  vorzeitigem Tod,  Morbidität und Haftstrafen zurückzuführen ist. Illegale Drogen erzeugen Pro-Kopf-ausgaben von 227,43 FF.  Die Kosten für die Strafrechtsverfahren verschlingen 3.911,46 Mio. FF. Quelle: Philippe Fenoglio, Véronique Parel, Pierre Kopp The Social Cost of Alcohol, Tobacco and Illicit Drugs in France, 1997. In: European Addiction Research 2003;9:18-28. Unter dem Titel “Alcohol and Crime” geht ein Bericht des Britischen Home Office dem Umfang und der Art des Zusammenhangs zwischen Alkohol und Gewalt nach. Der Bericht analysiert die Faktoren, die für ein höheres Risiko verantwortlich sind, Opfer alkoholbedingter Gewalt zu werden und zeigt, dass die Mehrheit dieser Vorkommnisse (63%) der Polizei nicht bekannt werden. http://www.homeoffice.gov.uk/rds/whatsnew1.html On-line report 35/03 - Alcohol-related assault: findings from the British Crime Survey.
 
 
6) Sicherheitsrisiko Jugend?
Beim Deutschen Jugendinstitut in München sind zwei Projekte eingerichtet, die sich speziell mit dem Thema Jugendkriminalität beschäftigen. Die „Arbeitsstelle Kinder- und Jugendkriminalitätsprävention“ ist seit 1997 und noch bis 2007 im Auftrag des Bundesministeriums für Familie und Jugend tätig (www.dji.de/jugendkriminalitaet). Das „Kinderpanel Entwicklungsresourcen und –risiken in der Lebenswelt von Kindern“ wird sich ebenfalls im Auftrag dieses Ministeriums mit der Forschung zu Lebenslagen von Kindern beschäftigen: www.dji.de, dann weiter mit forschung, projekte, kinderpanel). Quelle: DJI Bulletin 63, Sommer 2003
 
 
7) Schutz-Jacke teilt Elektroschocks aus
Eine Jacke, die bei Berührung durch Dritte leichte Elektro-Schocks austeilt, entwickelt eine amerikanische Firma (derzeit nur für Frauen). Selbst mit äußerster Willenskraft soll so ein Angreifer den Träger nicht ergreifen können. Auf der Innenseite ist die Jacke (natürlich) isoliert. Sie wird mit einem Schlüssel und einem Schalter am Ärmeln aktiviert und über eine 9-Volt-Batterie mit Strom versorgt. Quelle: Trendletter 7, 2003, S. 12; www.no-contact.com (mit eindrucksvollen Videoaufnahmen).
 
 
8) Deutsche Gesellschaft für Kriminalistik e.V.
Als Ergebnis eines mehrjährigen Diskussionsprozesses innerhalb der Kriminalistik - Dozenten der Fachhochschulen der Länder und des Bundes sowie der Polizei-Führungsakademie wurde am 15. Mai 2003 die Deutsche Gesellschaft für Kriminalistik (DGfK) gegründet. Als unabhängige Gesellschaft verfolgt sie das Ziel, die Kriminalistik in Wissenschaft, Praxis sowie Aus- und Weiterbildung zu fördern. Weitere Informationen über die Deutsche Gesellschaft für Kriminalistik sind im Internet unter www.kriminalistik.info oder www.kriminalistik.com abrufbar.
 
 
9) Sollte man Zielvorgaben für die Polizei abschaffen?
Das CPB Netherlands Bureau for Economic Policy Research hat einen Bericht über den Wert  von Zielerfüllungsverträgen zwischen der Nationalregierung und den regionalen Polizeibehörden herausgegeben. Solche Verträge stellen eine direkte Verbindung zwischen der Erreichung einiger quantitativer Leistungsziele und finanziellen Anreizen her. Der Autor kommt zu dem Schluss, dass die Polizei wohl am meisten profitiert von kompetenter Beurteilung ihrer Arbeit, indem die Kundenzufriedenheit untersucht wird und durch den Einsatz von Bewertungskommittees, die aus Leuten bestehen, die mit Polizeiarbeit vertraut sind. Diese Einschätzung steht im Widerspruch zu der Idee, eine Anzahl von Zielen im Vertrag festzuschreiben. In Bezug auf Polizeiarbeit verführen solche Verträge dazu, sich auf die Erfüllung der Zahlen zu konzentrieren statt auf Leistungsverbesserung. Zusammenfassung und PDF-Datei unter: http://www.cpb.nl/eng/pub/document/31/
(Thanks to Ben A. Vollaard, Fellow RAND Graduate School, Los Angeles, z.Zt. Centraal Planbureau, The Hague, Holland)
 
 
10) Spion-Chips in PKWs
Schluss mit Falschparken und gefährlichem Überholen: "Spion-Chips" in jedem Auto könnten bald alle Verkehrssünder entlarven. Nach britischen Medienberichten arbeiten derzeit Polizeispezialisten für die Regierung in London an Plänen, die in ganz Europa solche winzigen Chips in jedem Fahrzeug ermöglichen würden. 47 Vergehen soll das System zur "elektronischen Fahrzeugidentifizierungs-Verfolgung" (EVI) ahnden können - vom Autodiebstahl bis zum Fahren ohne Versicherung. Großbritannien müsste nach den Berichten bestehende Systeme zur Verkehrsüberwachung nur minimal verändern. Autoproduzenten wären verpflichtet, die Chips in alle Neufahrzeuge einzubauen, alte Autos würden nachgerüstet. Der Chip registriert etwa ein zu hohes Tempo direkt im Auto und verpetzt den Raser an einen Zentralcomputer. Damit würde jeder Sünder garantiert geschnappt. URL: http://focus.msn.de/G/GN/gn.htm?snr=123722&streamsnr=241
 
 
11) Jugendkriminalität in Deutschland – aktuelle Befunde
Statistische Befunde und kriminologische Kommentare zur Entwicklung der Jugendkriminalität in Deutschland hat Wolfgang Heinz (Konstanz) aktuell (Juli 2003) zusammengestellt und im Internet unter http://www.uni-konstanz.de/rtf/kik/Jugendkriminalitaet-2003-7-e.pdf bereitgestellt. Weitere Dokumente aus dem „Konstanzer Inventar Kriminalitätsentwicklung“ finden sich unter http://www.uni-konstanz.de/rtf/kik
 
 
12) Bremer Längsschnittstudie zu kriminellen Karrieren von Jugendlichen
Längsschnittstudien sind selten, teuer und methodisch aufwändig. Eine solche Studie liegt nun aus Deutschland vor. Sie beschäftigt sich mit der kriminellen (und schulischen sowie beruflichen) Karriere von Jugendlichen. Insgesamt wurden 424 Jugendliche im Zeitraum zwischen 1988 und 2001 (also über 14 Jahre hinweg) begleitet. Insgesamt 83% der Jugendlichen waren irgendwann einmal Täter, d.h. nur rund 17% begingen zwischen 14 und 27 Jahren keine Straftat. 12% wiederum haben durchgängig im gesamten Zeitraum irgendwelche Delikte begangen. Dabei ist Delinquenz „eingestreut in die Lebensphase Jugend“ (Schumann), d.h. Straftaten sind Episoden in diesem Lebensabschnitt, die sich ggf. in unbestimmten Abständen wiederholen. Die Studie geht auf die Bedingungen für bestimmte Abläufe von kriminellen Karrieren und den Ausstieg daraus ein. Quelle: Karl F. Schumann (Hrsg.): Berufsbildung, Arbeit und Delinquenz. Bremer Längsschnittstudie zum Übergang von der Schule in den Beruf bei ehemaligen Hauptschülern. Band 1; Juventa-Verlag Weinheim und München 2003, € 25.- , Karl F. Schumann (Hrsg.): Delinquenz im Lebensverlauf, Bremer Längsschnittstudie zum Übergang von der Schule in den Beruf bei ehemaligen Hauptschülern. Band 2, Juventa-Verlag Weinheim und München 2003, € 23.- (beide Bände zusammen € 39.-). Eine ausführlichere Besprechung der Studie findet sich in der Bücher-Ecke des Polizei-Newsletter unter http://www.polizei-newsletter.de/books_german.php
 
 
13) Einflüsse von Arbeitsbelastungen, Arbeitszufriedenheit und Burn-out von Polizisten auf polizeiliche Gewaltausübungen und Opfererfahrungen.
Gewalttätige Begegnungen zwischen der Polizei und Personen aus der Bevölkerung werden oftmals mit hohen Arbeitsbelastungen von Polizeibeamten zu erklären versucht. In einer in der Schweiz durchgeführten Studie wurden nun Zusammenhänge zwischen Arbeitsbelastungen und Gewalterfahrungen der Polizei untersucht. Hierzu wurden Polizeibeamte der Stadtpolizei Zürich über deren Gewaltanwendungen, Opfererfahrungen, Arbeitsbelastungen, Arbeitszufriedenheit und Burn-out schriftlich befragt. Dabei geht es um die Einschätzungen des Einflusses von stressbezogenen Faktoren auf die Gewaltausübung jenseits von Einzelfällen und normativen Bezügen. Zusätzlich wurden in einer Aktenanalyse Strafuntersuchungen gegen Polizisten wegen Gewalt sowie Anzeigen gegen Personen, die Polizeibeamten drohten oder angriffen, untersucht. Im Einklang mit Internationalen Studien zeigt sich in der Studie, dass die untersuchten Polizeibeamten im Vergleich zu anderen, nicht helfenden Berufen stärker ausgeprägte zynische, depersonalisierte Einstellungen gegenüber Kunden aufweisen und sich als weniger Wirksam in ihrer Arbeit erleben. Insgesamt stellt der Autor fest, dass ein starker wechselseitiger starker Zusammenhang von Opfererfahrungen und Gewaltausübung besteht. Vor diesem Hintergrund plädiert er im Ergebnis für die vermehrte Vermittlung von Deeskalationstaktiken. Quelle: Patrik Manzoni, Gewalt zwischen Polizei und Bevölkerung. und Opfererfahrungen. Verlag Rüeger, Zürich-Chur 2003, 29,40 Euro; die komplette Besprechung des Buches findet sich in der „Bücherecke“ des Polizei-Newsletter unter http://www.polizei-newsletter.de/books_german.php