Polizei : Newsletter Nr. 99, Juli 2007

 1)   Lebensverlauf und Militärdienst in Vietnam - eine Analyse
 2)   Untersuchung von Internet-Kriminalität
 3)   Zusammenhang zwischen Ladendiebstahl und Einbruch
 4)   Leistungsmessung von Polizeiarbeit
 5)   Auf welche "zerbrochenen Fenster" kommt es an? Schule, Wohnumfeld und Familie und ihr Zusammenhang mit Unsicherheitsgefühlen von Jugendlichen
 6)   Trainings- und Unterrichtsmaterial über Polizei und Menschenrechte der UN
 7)   Electronischer Hausarrest und jugendliche Straftäter
 8)   Islam und Identität in Deutschland
 9)   TalkLeft - Kriminalitätspolitik
10)  Forschung für zivile Sicherheit
11)  Kriminalitätskartografie - Crime Mapping
12)  Wissen zum Strafvollzug
13)  Cyberpiraterie
14)  Klassifikation von Brandstiftern
15)  Landespolizeischule - ein Enthüllungsbericht?
 
1) Lebensverlauf und Militärdienst in Vietnam - eine Analyse
Frühere Forschungen zeigen, dass der Militärdienst Männern mit persönlichen und sozialen Nachteilen eine neue Chance gibt und so möglicherweise die normalen Entwicklungsmuster im Lebensverlauf ändert. Diese Forschung wurde jedoch hauptsächlich an Soldaten des zweiten Weltkriegs durchgeführt. Relativ wenige Studien haben den Einfluss des Militärdienstes in Vietnam und seine Auswirkungen auf den individuellen Lebensverlauf untersucht. Die Autoren untersuchen nun seine Auswirkungen auf Drogenkonsum und Haftstrafen in den weiteren Lebensverläufen. Anhand von Längsschnittdaten wurde eine Gruppe von Männern über einen Zeitraum von 15 Jahren beobachtet. Analysen der Daten brachten wesentliche Auswirkungen ans Licht, die mit dem Dienst in Vietnam in Zusammenhang gebracht wurden. Jugendliche aus der Unterschicht, bei denen sich schon Delinquenz-Muster entwickelt hatten, hatten mit großer Wahrscheinlichkeit Dienst in Vietnam geleistet. Es scheint jedoch auch, dass der Dienst dort wesentlich den individuellen Drogenkonsum erhöhte und damit die Kriminalitätsrate. Quelle: Wright, J. P., Carter, D. E., & Cullen, F. T. (2005). A life-course analysis of military service in Vietnam, in: JOURNAL OF RESEARCH IN CRIME AND DELINQUENCY, 42(1), 55-83.
 
 
2) Untersuchung von Internet-Kriminalität
Ein Sonderbericht des National Institute of Justice beschäftigt sich mit der Untersuchung von Hochtechnologie-Kriminalität. Er ist eine Informationsquelle für Menschen, die für die Aufklärung von Internet- und anderen Computernetzwerken verantwortlich sind. Quelle: Investigations Involving the Internet and Computer Networks (NCJ 210798) (137 pp.) Online unter: http://www.ncjrs.gov/pdffiles1/nij/210798.pdf
 
 
3) Zusammenhang zwischen Ladendiebstahl und Einbruch
Diese Forschung untersucht den Zusammenhang zwischen Ladendiebstahl und Einbruch in kriminellen Karrieren. Anhand der Ergebnisse wird dargestellt, dass Ladendiebstahl eine wichtige Rolle in den Kriminalitätsmustern von Wiederholungstätern spielt und damit die Vorstellung, dass Ladendiebstahl ein weniger schweres Vergehen als Einbruch sei, in Frage gestellt. Angesichts dieser Ergebnisse wird dargelegt, dass durch die Aufklärung von mehr Ladendiebstählen auch mehr Einbrüche aufgeklärt werden könnten. Die Ermittlung von Ladendieben zusammen mit gründlicherer Anwendung von herkömmlichen Untersuchungsmethoden könnte zu einer höheren Aufklärungsquote von Einbrüchen führen. Quelle: Schneider, J. L. (2005). The link between shoplifting and burglary: The booster burglar, in: BRITISH JOURNAL OF CRIMINOLOGY, 45(3). 395-401.
 
 
4) Leistungsmessung von Polizeiarbeit
Der Bericht "Law Enforcement Tech Guide for Creating Performance Measures That Work" (NCJ 217499) (160 S.) beschreibt einen Prozess über sechs Schritte für die Messung von (polizeilicher) Leistung und enthält Praxis-Beispiele, Empfehlungen und Checklisten usw. Dieses Handbuch soll Behörden und Agenturen bei der Entwicklung der notwendigen Evaluationstools zur Verbesserung von Programmen und Initiativen helfen. Online unter: http://www.cops.usdoj.gov/mime/open.pdf?Item=1968
 
 
5) Auf welche "zerbrochenen Fenster" kommt es an? Schule, Wohnumfeld und Familie und ihr Zusammenhang mit Unsicherheitsgefühlen von Jugendlichen
Diese Studie untersucht, ob die Furcht junger Leute vor Viktimisierung und Gefühle der Unsicherheit mit anderen Faktoren als tatsächlicher Viktimisierung zusammenhängen. Während einige bekannte Faktoren (z.B. niedriger sozio-ökonomischer Status) mit Gefühlen der Unsicherheit zusammenhingen, war der wichtigste Faktor dafür erlebte Störung der Ordnung an der Schule. Das könnte also die schulische Version der "zerbrochenen Fenster" sein, die den Schülern signalisiert, dass die Erwachsenen sich nicht genug kümmern und ihnen der Überblick fehlt - was bei den Schülern das Unsicherheitsgefühl verursacht. Der wichtigste Faktor für das Wohlergehen der Heranwachsenden ist das Zugehörigkeitsgefühl zu ihrer Schule. Schüler, die sich fair behandelt fühlen und am Schulleben aktiv teilnehmen, neigen weniger zu risikoreichen Verhaltensweisen. Also könnte die Reparatur der "zerbrochenen Fenster", hier der gestörten Ordnung, an der Schule eine spürbar positive Auswirkung auf das Sicherheitsgefühl der Jugend haben. Quelle: Mijanovich, T., & Weitzman, B. C. (2003). Which "broken windows" matter? School, neighborhood, and family characteristics associated with youths' feelings of unsafety, in: JOURNAL OF URBAN HEALTH BULLETIN OF THE NEW YORK ACADAMY OF MEDICINE, 80(3), 400-415.
 
 
6) Trainings- und Unterrichtsmaterial über Polizei und Menschenrechte der UN
Die UN bietet viel Material für die Arbeit in der Menschenrechts- und Polizeiausbildung. Die Serie zur professionellen Ausbildung, die aus Handbüchern besteht, soll das Bewusstsein für internationale Standards schärfen und richtet sich an Zielgruppen, die entsprechend ihrer Möglichkeiten, auf nationaler Ebene die Menschenrechtssituation zu beeinflussen, ausgewählt wurden. Diese Veröffentlichungen dienen auch Organisationen, die Weiterbildung in Menschrechtensfragen anbieten, als Arbeitsunterlage. Die Serie für den Unterricht bietet Material für den allgemeinen Menschenrechtsunterricht: sie umfasst Informationen über das Weltprogramm für Menschenrechtsunterricht/-bildung, eine Studie zu diesem Thema und Menschenrechtsverträge, eine Vorschriftensammlung über internationale und regionale Instrumente, die sich mit Menschenrechtsunterricht befassen sowie ein praktisches Heft mit Tipps für Aktivitäten zu diesem Thema innerhalb des Schulsystems. Das ganze Material ist online erhältlich unter: http://www.ohchr.org/english/about/publications/training.htm
 
 
7) Electronischer Hausarrest und jugendliche Straftäter
Diese Forschung untersucht eine der umstrittenen Strafen, die Großbritannien von den USA übernommen hat: die elektronische Fussfessel für junge Straftäter. 29 Jugendliche (22 männliche, 7 weibliche), die im März, April und Mai 2004 zu elektronischem Hausarrest verurteilt worden waren, gehörten zu der untersuchten Gruppe. Die Daten stammten von der Stadtverwaltung Southampton und dem Innenministerium. Die Ergebnisse zeigten, dass die Fußfessel kein wirksames Abschreckungsmittel für Jugendliche ist: 41% begingen auch während des Hausarrests Straftaten. Es ist äußerst wichtig, dass dieses Verfahren durch zusätzliche Informationen ergänzt wird, vor allem darüber, wie über seine Angemessenheit entschieden wurde. Teil dieser Informationen sollte sein, ob der Straftäter schon vorher Hausarrest erhielt, ob eine Straftat während des Arrests begangen wurde und ob ein vorheriger Hausarrest eine Einzelmaßnahme oder Teil einer anderen Verurteilung war. Quelle: Ranger, J. (2006). Electronic curfew orders and juvenile offenders, in: POLICE JOURNAL, 79(1), 29-41.
 
 
8) Islam und Identität in Deutschland
Die Verantwortlichen in Deutschland sollten sich auf die praktischen Probleme konzentrieren, die den sozialen Zusammenhalt unterminieren - politische Entfremdung, übereifrige Polizei und wirtschaftliche Ungleichheit -, und nicht der Versuchung erliegen, innenpolitisch mit Hardliner-Sprüchen über türkische und andere muslimische Einwanderer Punkte zu gewinnen. "Islam und Identität in Deutschland", der neuste in einer Reihe von Berichten der renommierten International Crisis Group zum Islam und Islamismus in Europa, geht Fragen auf den Grund, die effektiv angegangen werden müssen, wenn die Integration der muslimischen Einwanderer und der hier Geborenen, die für den sozialen Zusammenhalt und politische Stabilität notwendig ist, erreicht werden soll. Weder politisch-islamistische noch Dschihad-Gruppen fanden viel Zustimmung, vor allem unter den Türkischstämmigen, die drei Viertel der muslimischen Bevölkerung ausmachen. Die Wurzeln der Probleme der Türkisch-Deutschen und anderer Muslime liegen in ihrer Entrechtung, sozialer Diskriminierung und dem Mangel an wirtschaftlicher und politischer Integration, nicht in der Religion. Der Bericht ist erhältlich unter: http://www.crisisgroup.org/home/index.cfm?id=4693&l=1
 
 
9) TalkLeft - Kriminalitätspolitik
Das Online-Magazin mit liberaler Berichterstattung über Politik und Ungerechtigkeit mit Bezug zu Kriminalität. http://www.talkleft.com/ Viele Links und Informationen für den "kritischen" Kriminologen und Polizeiwissenschaftler.
 
 
10) Forschung für zivile Sicherheit
Auf der European Conference on Security Research (März 2007, Berlin) wurde die Studie "Forschung für die zivile Sicherheit; Eine Bestandsaufnahme: Forschungslandschaft und Ansprechpartner" vorgestellt. Die Studie versteht sich als Handbuch der Forschungslandschaft und liefert eine erste Übersicht über Akteure, die in Forschung und Wissenschaft sicherheitsrelevante Themen bearbeiten. Die Studie kann auf der Seite www.sicherheitsforschungsprogramm.de herunter geladen werden.
 
 
11) Kriminalitätskartografie - Crime Mapping
Das National Institute of Justice plant mit Unterstützung von Forschern der Universität Michigan eine Nachfolgestudie zum Crime Mapping Survey von 1997. Damals wurden sowohl Benutzung und Art von Kriminalitätskarten und ihrer Analyse als auch die Bedürfnisse der Praktiker ausgewertet (Ergebnisse teilweise unter http://www.ncjrs.gov/pdffiles1/fs000237.pdf).
 
 
12) Wissen zum Strafvollzug
Im Rahmen eines von der EU mit finanzierten Projekts ist an der Universität Bremen ein elektronisches Wissensportal zum Strafvollzug eingerichtet worden. Es bietet Informationen und Erfahrungen aus der Arbeit des Strafvollzugs und stellt diese den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Justizvollzug zur Erleichterung und Verbesserung ihrer Arbeit zur Verfügung. Zugleich bietet das Portal eine auf Vollständigkeit angelegte Link-Liste zu Strafvollzugseinrichtungen und anderen relevanten Institutionen. http://selab40.informatik.uni-bremen.de/mediawiki/index.php/Portal (Dank an H.-J.Kerner)
 
 
13) Cyberpiraterie
Aus der Besprechung von Jo Reichertz (im PNL unter http://www.polizei-newsletter.de/books_german.php verfügbar: Die Arbeit ist vor allem für für Polizisten/innen interessant, die sich mit der Bekämpfung von Internet-Softwarepiraterie und online-Musikpiraterie beschäftigen wollen oder müssen. Mit dem Buch erhalten sie sehr viel von dem, was man darüber wissen muss oder besser: musste. Da der Abschluss des Manuskripts fast 5 Jahre zurückliegt (was in der Internetwelt eine halbe Ewigkeit ist), ist vieles überholt - vor allem vieles von dem, was von Lars Rau über die online-Musikpiraterie geschrieben wurde. Hier hat vor allem die Musikindustrie mit neuartigen Angeboten der Piraterie erheblich das Wasser abgegraben. Zudem hat sich durch die flächendeckende Einführung des MP3-Players und insbesondere durch die Einführung des iPod und von iTunes die Situation maßgeblich geändert. Dennoch möchte ich das Buch empfehlen - dies vor allem, weil es dem Leser bzw. der Leserin sehr viel grundsätzliches Wissen an die Hand gibt, das man auch heute noch zum Verständnis und zur Bekämpfung von Cyberpiraterie benötigt. Lars Rau, Phänomenologie und Bekämpfung von ‚Cyberpiraterie'. Eine kriminologische und kriminalpolitische Analyse. 295 Seiten. Cuvillier Verlag Göttingen, 2004. Preis: 40,00 Euro
 
 
14) Klassifikation von Brandstiftern
Das Buch, das zu diesem Thema erschienen ist, ist eine überarbeitete Version einer Diplomarbeit in Psychologie an der Universität Trier. Einige Vorarbeiten für diese Diplomarbeit hatte die Autorin in verschiedenen Artikeln in kriminalistischen Fachzeitschriften bereits veröffentlicht. Die Autorin unternimmt den Versuch, aus der Vielzahl sozialer, psychischer und sogar pathologischer Ursachen für Brandstiftungen eine Typologisierung dieser Täter als Ermittlungshilfe für die Praxis vorzunehmen. Dies geschieht auf dem Hintergrund zunehmender Erwartungen der Brandfahnder an Ergebnisse psychologischer, kriminologischer und kriminalistischer Forschung. Ursachen für diese zunehmende Erwartungshaltung der Praktiker sind neben der Tatsache, dass bei einem Brand bzw. den anschließenden Löscharbeiten viele Beweise bzw. Hinweise auf die Tat und den Täter regelmäßig zerstört werden, insbesondere die in den letzten Jahren durch die operative Fallanalyse oder in Einzelfällen der Profilerstellung genährten Hoffnungen auf diese neuen Methoden als Ermittlungshilfe sowie neuere Ergebnisse zur Typisierung bzw. Typenbildung in der empirischen und qualitativen Sozialforschung. Quelle: Bondü, Rebecca: Die Klassifikation von Brandstraftätern : eine Typologisierung anhand des Tatmotivs und anderer Variablen, (Polizei & Wissenschaft), Verlag für Polizeiwissenschaft Frankfurt a.M. 2006, 196 Seiten, graph. Darst., Kartoniert 19,80 EUR, ISBN 3-935979-87-8. Eine ausführliche Besprechung des Buches von Frank D. Stolt findet sich im Buchbesprechungsteil des PNL unter http://www.polizei-newsletter.de/books_german.php
 
 
15) Landespolizeischule - ein Enthüllungsbericht?
Als "Ratgeber & Tatsachenbericht - innovativ, schonungslos, wahrheitsgetreu" wird das Buch auf der Umschlagseite bezeichnet - alles dies ist es NICHT, und wenn es "wahrheitsgetreu" sein sollte, dann ist diese Wahrheit leider so bruchstückhaft dargestellt, dass sie - da kontextlos - keinen Sinn ergibt. Ein Auszug aus der Besprechung des Buches: "Ein Sammelsurium von halbgaren Tatsachen, unbegründeten Meinungen und Vermutungen, Auszügen aus anwaltlichen Schreiben und Gerichtsurteilen wird dem Leser zugemutet, und dies füllt breit gedruckt die fast 230 Seiten. Dabei wird man mit jeder Seite mehr, die man liest, ärgerlicher, weil ein durchaus wichtiges und tatsächlich sehr spannendes Thema (nämlich die Auswahl von Polizisten, der Umgang untereinander und zwischen Ausbildern und Auszubildenden und die impliziten Ausbildungsziele an solchen Einrichtungen) hier nicht nur verschenkt, sondern banalisiert wird. An einer (Fach-)Hochschule würde eine solche Arbeit weder formal noch inhaltlich die Voraussetzungen einer Seminararbeit im zweiten Semester erfüllen. Ob man damit an einer Landespolizeischule in einem Seminar Erfolg haben könnte, bezweifle ich ebenfalls (nicht wegen des Themas wohlgemerkt, sondern wegen der Aufbereitung)." Quelle: Martin Hamann, Landespolizeischule - der Enthüllungsbericht. HP-Erbach 2006, ISBN 3-939691-25-9, 229 Seiten, 17,90 Euro. Eine im Umfang der Qualität des Werkes Rechnung tragende Besprechung findet sich im Buchbesprechungsteil des PNL unter http://www.polizei-newsletter.de/books_german.php (der PNL hatte bereits in der Nr. 95, Februar 2007, auf das Buch hingewiesen).