Ulrich Eisenberg – Jugendgerichtsgesetz

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Eisenberg, Ulrich; Jugendgerichtsgesetz; 18.Auflage, München 2016, Beck-Verlag, ISBN 978-3-406-68261-2, 1.521 Seiten, 99.- €

jugendgerichtsgesetz

Arthur Kreuzer bezeichnet den Kommentar als „Standardwerk“ und einzigen JGG- Kommentar, „der seit 1982 fast schon im Jahresrhythmus neu bearbeitet erscheint. (…) Nur in diesem Kommentar findet sich ein zusätzliches, nützliches, ausführliches Entscheidungsregister mit Fund stellen nach weisen von rund hundert Seiten.“ Richtig so! Tatsächlich überzeugt der Kommentar mit praxisgerechter Konzeption, klarer Darstellung und umfassender Auswertung der Rechtsprechung auf der einen, einem beständig kritischen Blick auf die Regelungen und die Praxis des Jugendstrafrechts auf der anderen Seiten. Dem Neuling helfen dabei Hinweise zur Entstehung des JGG und zu aktuellen Reformbestrebungen und –vorstellungen, vor allem auch in Bezug auf europäische Regelungen (S. 4 ff.).

Besonders wichtig aber ist, dass Eisenberg nicht müde wird, Erkenntnisse aus Kriminologie, Psychologie und Sozialwissenschaften einzubeziehen, auch wenn man inzwischen den Eindruck haben kann, dass die jugendstrafrechtliche Praxis weitestgehend ohne solche Grundkenntnisse auszukommen glaubt – sieht man sich nur die (nicht vorhandenen) Voraussetzungen an, unter denen man Jugendstaatsanwalt oder Jugendrichter werden kann[1].

Schwerpunkte der Kommentierung sind die jugendstrafrechtliche Verantwortlichkeit, die Beurteilung des Entwicklungsstandes Heranwachsender sowie das Rechtsfolgensystem unter Berücksichtigung der Prognosestellungen im Allgemeinen sowie konkret bei einzelnen Maßnahmen oder Strafen. Dies alles wird, wie wir wissen, in der Praxis eher so nebenbei abgehandelt; hier orientiert man sich mehr an „haben wir schon immer so gemacht“ oder „ das gibt hier xy…“ bzw. „das hat bisher nichts gefruchtet, also müssen wir jetzt…“. Umso wichtiger (und wenn auch vor allem für den Verteidiger) ist ein Kommentar, der hilft, hier auch einmal dem Praxis-Mainstream etwas entgegenzusetzen – auch wenn „Konfliktverteidigung“ im Jugendstrafrecht nicht gern gesehen wird, weder von Staatsanwaltschaft und Gericht, noch von den Verteidigern, die in der Regel als Pflichtverteidiger auftreten und sich zukünftige Mandate nicht durch kritisches Verteidigen verbauen wollen.

Die 18. Auflage des Kommentars von Eisenberg verarbeitet alle Neuerungen bis Anfang September 2015. Bereits dargestellt werden das in Kürze in Kraft tretende 3. Opferrechtsreformgesetz sowie das geplante Gesetz zur Änderung der Regelungen über die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus. Berücksichtigt ist auch die neueste Gesetzgebung zum Untersuchungshaftvollzug, Jugendstrafvollzug und Jugendarrestvollzug auf Landesebene. Die Neuauflage bietet darüber hinaus einen detaillierten Ausblick auf den Entwurf der Europäischen Richtlinie vom 24.11.2013 über Verfahrensgarantien in Strafverfahren für verdächtigte und beschuldigte Kinder. Die neueste Literatur und Rechtsprechung – v.a. die Judikatur des EGMR – sind umfassend berücksichtigt.

Insgesamt ein Kommentar, der es verdient, häufig benutzt zu werden. Denn zu oft wird gerade im Jugendstrafverfahren darauf vertraut, dass „leichtere“ Fälle im Vorfeld durch die Staatsanwaltschaft eingestellt werden (und dann braucht man ja keine rechtlichen Erläuterungen…) und die Gerichte es dann (nur) mit wirklich schweren Fällen zu tun haben. Beides zu hinterfragen ist Aufgabe der Verteidigung, sofern sie denn in der Lage ist, ihre Rolle angemessen auszuüben.

[1] Dazu zuletzt Wiesener, Andrea: Qualifikationsanforderungen an Jugendrichter und Jugendstaatsanwälte. Neuerungen und Alternativen zur Umsetzung. Holzkirchen 2014

Rezensiert von: Thomas Feltes