Arnd Koch / Martin Löhnig (Hrsg.) – Die Schule Franz von Liszts – Sozialpräventive Kriminalpolitik und die Entstehung des modernen Strafrechts?

360) Koch, Arnd / Löhnig, Martin (Hrsg.); „Die Schule Franz von Liszts – Sozialpräventive Kriminalpolitik und die Entstehung des modernen Strafrechts?“[1]; (ISBN: 978-3-16-154148-3, 246 Seiten, Verlag Mohr Siebeck, Tübingen, 2016, 74.- €)

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Prof. Dr. Arnd Koch[2] und Prof. Dr. Martin Löhnig[3] dokumentieren in dem gemeinsam herausgegebenen Sammelband zehn der insgesamt elf Beiträge namhafter Strafrechtswissenschaftler[4] für eine vom Augsburger Center für Glo­bal Economic Law and Regulation (ACELR) geförderte Tagung an der Uni­versität Augsburg am 25. / 26. September 2014, die unter dem Leitthema  „v. Liszt-Schule und die Entstehung des modernen Strafrechts“ dem großen Straf­rechtslehrer, Kriminalpolitiker (und Kriminologen?) Franz von Liszt und des­sen ([un]mittelbaren)Verdiensten, (nicht nur) über seine zahlreichen Schüler[5] und Absolventen seines „Kriminalistischen Seminars[6] weitervermittelt, ge­wid­met ist.

Franz von Liszt und seinen Einfluss auf die Strafrechtswissenschaft sowie seine tragende Rolle als früher Kriminalpolitiker in einem weiteren Band zu würdigen hieße „Eulen nach Athen zu tragen“, würde man prinzipiell vermuten. Seine zahlreichen nicht nur für seine Epoche progressiv anmutenden Dikta, wie zum Beispiel „Staat und Recht (seien) um der Menschen Willen da – nicht etwa umgekehrt“ (ders. in: „Das Deutsche Reichsstrafrecht“, 1881, S. 2 f.) oder der gerade in Zeiten „sozialer Kälte und Exklusion“ bedeutsame Ausspruch „die beste Kriminalpolitik ist eine gute Sozialpolitik“ (ders. in: „Das Verbrechen als sozial-pathologische Erscheinung“, AuV, Band 2, S. 230 ff., 246) sind nach wie vor hochaktuell. Dennoch werden in den nun in einem Sammelband ver­öffentlichten Tagungsbeiträgen (durchaus) neue Facetten des Wissen­schaftlers „freigelegt“ bzw. in neuem Licht betrachtet:

  1. Wolfgang Frisch – Franz von Liszt – Werk und Wirkung (S. 1 – 26)
  2. Arnd Koch – „v. Liszt-Schule“ – Personen, Institutionen, Gegner (S. 27 – 56)
  3. Michael Pawlik – v. Liszt im Kontext zeitgenössischer philosophischer Strömungen (S. 57 – 86)
  4. Benno Zabel – Fran von Liszt und die Reformbewegung des Strafrechts (S. 87 – 118)
  5. Johannes Kaspar – Die „Unschädlichmachung der Unverbesserlichen“ – die v. Liszt –Schule und der Umgang mit gefährlichen Gewohnheitsverbrechern (S. 119 – 134)
  6. Franz Streng – Franz von Liszt als Kriminologie und seine Schule (S. 135 – 152)
  7. Carl-Friedrich Stuckenberg – Die v. Liszt-Schule und die Reform des Strafprozessrechts (S. 153 – 184)
  8. Martin Löhnig – Die v. Liszt-Schule im totalitären Kontext (S. 185 – 206)
  9. Richard F. Wetzell – Franz von Liszt und die internationale Strafrechtsreformbewegung (S. 207 – 228)
  10. Michael Kubiciel – Franz v. Liszt und das Europäische Strafrecht (S. 229 – 246)

Diese höchst unter­schiedlichen Aspekte des komplexen Wirkens bzw. des Vermächtnisses v. Listzts, die in den Beiträgen zum Ausdruck kommen, machen den geneigten Leser neugierig und man wird, soviel schon an dieser Stelle bemerkt, am Ende nicht enttäuscht. Ich will nur einige Beiträge hieraus, eigenen Interessen folgend in nicht-chronologischer Abfolge, kurz darstellen.

Der Erlanger Strafrechtswissenschaftler und Kriminologe, Prof. (em.) Dr. Franz Streng geht in seinem Beitrag (vgl. oben 6., S. 135 – 152) bspw. der Frage nach, welche Rolle von Liszt (als Kriminologe) für die Entwicklung der Kriminologie als Wissenschaftsdisziplin einnahm. Von Liszt hat „selbst keine empirische kriminologische Forschung“ betrieben[7], dennoch in seinem „Krimi­nalistischen Seminar“ empirisch-kriminologische Arbeiten angeregt und namhafte Krimino­logen gefördert. Typisch für die Vorgehensweise von Liszts, so Streng, sei „die Verknüpfung von kriminalpolitischen Anliegen mit hierfür grundlegenden kriminologischen Ausführungen“, wie er sie bspw. im Rahmen seiner großen abschnittsweisen Abhandlung unter dem Titel „Kriminalpolitische Aufgaben“[8] in den ersten drei Jahrgängen der von ihm mitherausgegebenen „Zeitschrift für die Gesamte Strafrechtswissenschaft“ (ZStW) 1889 – 1892 vornahm. Obwohl v. Liszt sich den von Garofalo mit dem Titel seines 1885 erschienen Lehrbuchs eingeführten Begriff „Kriminologie“ nicht zu eigen machte[9], gilt er als einer der ersten kriminalpolitisch motivierten Kriminal­soziologen. Insbesondere seine kontinuierliche Nutzung der zur Verfügung stehenden Daten der damaligen Kriminalstatistik für seine eigenständigen kriminalpolitischen Anliegen weise ihn deshalb als „genuinen, selbst for­schenden Kriminologen“ aus, so Streng[10]. Er fokussierte vor allem auf die damals zahlreichen gesellschaftlichen Problem­lagen, die er zu diesen krimi­nalstatistischen Befunden in Beziehung setzte, obgleich er nie eine darüber hinausreichende eigenständige Kriminalitätstheorie entwarf. Daneben war es ihm ein besonderes Anliegen, die Auswirkungen von Strafe zu messen und somit über eine „Tätertypologie“ die Entwicklung eines „Zweckgedankens im Strafrecht“[11] herauszuarbeiten, den er allerdings fast aus­schließlich spezial­präventiv interpretierte. Streng geht sogar soweit, von einer „Liszt`schen Schule … von großer Bedeutung für die Kriminologieentwicklung in Deutschland“ zu sprechen.[12] Unstrittig ist in jedem Fall aber die „Offenheit des Liszt`schen Ansatzes für Befunde aus allen human- und sozial­wissenschaftlichen Dis­ziplinen“ zur Befruchtung und Weiterentwicklung der dogmatischen Straf­rechtswissenschaft, für sich alleine eine anerkennenswerte und weitreichende Leistung!

Dem Gedanken einer v. Liszt-Schule (auf v. Liszt selbst, vgl. ZStW 20 / 1900, S. 295, ist im Übrigen die Bezeichnung „jungdeutsche Kriminalistenschule“ zurückzuführen) geht auch der Mitherausgeber Arnd Koch in seinem Beitrag (vgl. oben 2., S. 27 – 56) zeitgeschichtlich am Beispiel zweier früher Liszt`scher Programmschriften[13] intensiver nach, in denen von Liszt mit „elementar“ anmutender Kritik auf den „schroffen Gegensatz zwischen universitärem Betrieb und den praktischen Bedürfnissen“ hinwies und dabei insbe­sondere auch auf eine curriculare Aufwer­tung des Strafrechts, einschließlich der Psychiatrie, der Psychologie und der Gefängniswissenschaft in der universitären juristischen Ausbildung drängte.[14] V. Liszt betrachtete in radikalem Bruch mit dem tradierten Wissenschaftsverständnis die Strafrechtswissenschaft in progressiver Weise als „Lehrmeisterin des Strafgesetzgebers“ und „zuverlässige Beraterin und Führerin im Kampf gegen das Verbrechen“ und schuf hierzu mit der Absicht einer Operationalisierung auch die passenden und fortschrittlichen (Diskurs-) Formate.[15] Vor allem in seinem bis zu seinem Tode im Jahr 1919 in 22. Auflage erschienenen (und später von seinem Schüler Eberhard Schmidt fortgeführten) fortschrittlichen „Lehrbuch des Deutschen Strafrechts“ entfaltete er das „Konzept der gesamten Strafrechtswissenschaft unter Einbeziehung der Krimi­nal­politik“, denn ohne letztere versinke das Strafrecht „als hervor­ragend praktische Wissenschaft … in lebensfremdes, öd-unfruchtbares Formel­spiel“. In Anlehnung an eine Studie Hilgendorfs (vgl. Titel 2, Fn. 108 m. w. N.) zu den Wesensmerkmalen (rechts-) wissenschaftlicher „Schulen“ gelangt Koch zu der Feststellung, es gäbe eine „Liszt-Schule“, freilich nicht in dem Sinne einer einheitlichen Bewegung mit einem festen „Programm“, aber mit einem Fundus gemeinsamer Grundüberzeugungen, wie z. B. einer „Öffnung des Strafrechts gegenüber den Erfahrungswissenschaften und der Kriminalpolitik“ und dem Eintreten für „absolut bzw. relativ unbestimmte Strafurteile“ etc.. Liszts Gegner[16], die „Klassiker“ als Antonym seiner „modernen Schule“,  kaprizierten daher insbesondere auf das „Konzept einer gesamten Strafrechts­wissenschaft“ und die „Instrumentalisierung des Strafrechts für die Erreichung sozialpolitischer Zwecke“ und überpointierten durchaus vorhandene Wider­sprüche im Liszt`schen Programm, v. a. aber das Fehlen handhabbarer Indika­toren / Kriterien für die Einordnung Auffälliger in eine der Liszt`schen Täter­typenkategorien[17]. Nach Kochs Überzeugung unterlagen die „Klassiker“ angesichts gelegentlichen Kokettierens v. Liszts mit Grenzüberschreitungen allerdings selbst einer Fehldeutung. Sie interpretierten die Texte von Liszts als Beiträge zu dogmatischen Fragen. Liszt schrieb jedoch aus Überzeugung weniger als Dogmatiker, denn als Politiker. „Ihm ging es (so Koch) um die Durchsetzung kriminalpolitischer Ziele, die Begründungen konnten wechseln.“[18]

Prof. Dr. Stuckenberg[19] widmet sich in seinem Beitrag (vgl. oben 7., S. 153 – 184) dem Zusammenhang der v. Liszt-Schule mit der Reform des Straf­prozessrechts. Er bilanziert, dass v. Liszt und die zu seiner „Schule“ oder seinem Umkreis zählenden und zugleich in der IKV aktiven Wissenschaftler sich in der Tat oft und intensiv mit einer Strafprozessreform befasst hätten. Allerdings sei das Proprium der Liszt-Schule, „Kurzer Prozess“ oder „Soziales Strafrecht – liberaler Strafprozess“ von Liszt und seinen „Schülern“ nicht mit gleicher Verve wie die Reform des materiellen Strafrechts und nur wenig einheitlich verfolgt worden. Für v. Liszt selbst war tatsächlich die Reform des Strafgesetzbuches stets logisch vorrangig. Eine Reform des Strafverfahrens kam für ihn erst danach in Frage. Die Stimmen der v. Liszt-Schule zur Straf­verfahrensreform, so Stuckenberg, seien so unterschiedlich wie die Personen selbst, woraus er auf dem immer noch spärlich beackerten Feld einer dogmatisch nachhaltigen Strafprozessrechtsreform[20] schließt, dass das strafprozessuale Pro­fil der v. Lisztianer weit weniger markant erscheine als das materiell-rechtliche.

Prof. Dr. Kubiciel von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität zu Köln nimmt sich in seinem Beitrag (siehe oben Nr. 10, S. 229 – 246) einer heute kriminalpolitisch eminent bedeutsamen Facette Liszt`scher Aktivitäten an, nämlich den (denkbaren) Eckpunkten europäischer (Kriminal-) und Strafrechts­politik. Zu Zeiten v. Liszts galt das Strafrecht als „domaine réservé“ des Nationalstaates, sodass seine erstmals 1894 veröffentlichten Gedanken zu einem gemeinsamen Strafrecht der Staaten Europas als „beinahe revolutionär“ gelten mussten. Zwei Jahrzehnte später wurde dieser Gedanke mit dem Ausbruch des 1. Weltkrieges Gegenstand einer ernstzunehmenden kriminal­politischen De­batte, u. a. mit dem Ziel einer Friedenssicherung nach dem Krieg mit Hilfe einer (Straf-)Rechtsangleichung. Liszt hielt dabei das Strafrecht für ein Mittel zur Nivellierung von Kulturunterschieden und damit zur Schaffung eines (mitteleuropäischen) Zusammengehörigkeitsgefühls. Strafrecht sei nicht nur ein „Kulturprodukt“ sondern auch ein „Kulturhebel“. Damit griff er einer später vor allem unter Jescheck und Kaiser initiierten und aktuell am MPI in Freiburg   nach wie vor – schon vor dem denominativen Hintergrund der Forschungseinrichtung notwendigerweise – intensiv betriebenen / fortgeführten internationalen Strafrechtsvergleichung vor. Mansdörfer[21] stellt hierzu aus aktueller Sicht fest: Europäische Kriminal­politik thematisiert (auch und nicht ausschließlich seit der Ratifizierung des „Lissabon-Vertrags“[22]) die Zwecke und die Ziele des Ein­satzes des Strafrechts auf Euro­päischer Ebene. Die zentralen Fragen, in welchen Bereichen es auf europäischer Ebene notwendig erscheint, mit den Mitteln des Strafrechts steuernd ein­zugreifen, wo diese Eingriffe eher im Wege einer Mindestharmonisierung und wo im Wege einer verbesserten Koordination der nationalen Rechte erfolgen soll, wurden im Vertrag von Lissabon klar beant­wortet. Die Ausgestaltung des europäischen Strafrechts nach Lissabon orientiert sich in Art. 67 AEUV in erster Linie an dem Ans­pruch der Union, den Bürgern der Union einen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts zu bieten. Im neuen EUV wird der einheitliche Rechts- und Freiheitsraum – anders als bisher in Art. 29, S. 1, 4. Spiegelstrich EUV a. F. – weniger deutlich als Ziel, sondern stärker faktisch formuliert. Der einheitliche Rechts- und Freiheitsraum wird nun in Art. 3 Abs. 2 EUV noch vor dem Europäischen Binnenmarkt in Art. 3 Abs. 3 EUV genannt. Die Union hat sich damit von einem einheitlichen Wirtschafts­raum zu einem supranationalen Lebensraum entwickelt. Für eine europäische Strafrechts­integration ist das Ziel des einheitlichen Freiheits- und Sicher­heitsraumes von zentraler Bedeutung: Die Politik der inneren Sicherheit ist zwar seit jeher Kern staatlicher Souveränität. Bereits im Vertrag von Maastricht wurde aber im Jahr 1992 die Notwendigkeit staatenübergreifenden Handelns anerkannt; sie blieb freilich stark intergouvernemental geprägt und wurde in Art. 29  ff. EUV geregelt. Der Lissabon-Vertrag schließt die Entwicklung insoweit ab, als er diesen Bereich nunmehr in Teil 3, Titel V AEUV verankert und gem. Art. 67, 82 ff. AEUV zu einer von vierundzwanzig internen (intensiv diskutierten[23]) Politiken der Union erklärt. Eine Pauschalermächtigung zu einer globalen Strafrechts­harmonisierung ist damit freilich nicht verbunden. Nach wie vor wird gerade dieser Politikbereich, bezeichnen wir ihn in Anlehnung an v. Liszt als „Einsatz des Strafrechts als „Kulturhebel“, mit guten Gründen sehr kritisch diskutiert. Kubiciel rät abschließend dazu, „am (europäischen) Gebäude des Strafrechts nur behutsam zu bauen und es im Übrigen bei der Pflege des wissenschaftlichen, kulturellen und persönlichen Austauschs zu belassen.“

Von Liszt gebührt, so Prof. (em.) Dr. Wolfgang Frisch in seinem Beitrag (vgl. oben 1., S. 1 – 26) der Verdienst, dem (heutigen) Selbstverständnis des Strafrechts das Bewusstsein einer „interdisziplinären, international zu betrei­benden Wissenschaft“ eingehaucht zu haben. Neben der Analyse der Rechts­sätze des materiellen Rechts und des Verfahrensrechts, deren Auslegung und der Erarbeitung von Grundbegriffen und Prinzipien sowie die Ordnung all dessen in einem System, stehe die Strafrechtswissenschaft „dezidiert im Kontext einer gediegenen Ausbildung des künftigen Praktikers – was dieser benötige, gebe das Maß!“ Dieser Einschätzung ist nur wenig entgegenzuhalten.

Prof. Dr. Michael Pawlik[24]  kommt (vgl. den Hinweise auf seinen Beitrag oben Nr. 3, S. 57 – 86) das Fazit in Bezug auf den Akademiker v. Liszt zu: „Liszt war kein Rechtsphilosoph! Er war ein bedeutender Rechtsreformer und ein begnadeter Didaktiker des Strafrechts – ein großer Strafrechtsdenker war er hingegen nicht.“

Gleichwohl bleiben seine Leistungen für die Anlage und die Gestaltung der (gesamten) Strafrechtswissenschaft auch knapp 100 Jahre nach seinem Tod im Jahr 1919 nach wie vor bemerkenswert. Er hat mit seinen bekannten aber auch, wie an vielen Stellen in dem vorliegenden, von Koch und Löhnig herausge­gebenen Kompendium nachlesbaren unbekannteren Schriften nachweisbar zahlreiche bedeutende Strafrechtsdenker befruchtet und damit auch mittelbar dazu beigetragen, die Strafrechtsdogmatik fortzuentwickeln. Er war stets unbequem und hat dabei bewusst den salzigen Finger sehr frühzeitig in z. T. noch heute offene Wunden juristischer strafrechtlich-dogmatischer und zugleich (erforderlicher) praxisorientierter Lehre gelegt.

Die Veranstalter haben sehr namhafte Referenten für die Tagung gewonnen. Daraus musste ein sehr gut lesbarer Band über einen bedeutenden frühen Kriminalpolitiker und Strafrechtslehrer entstehen. Bedauerlich ist (rückblickend) nur, dass man nicht selbst auf die zugrundeliegende und sicher hochinteressante Tagung im Jahr 2014 an der Universität Augsburg aufmerksam geworden ist. Diesen Umstand vermag der nun erschienene Sammelband aber wenigstens partiell zu heilen.

[1] Siehe Hinweis auf der  Verlags-Website von Mohr Siebeck

[2] Prof. Dr. Arnd Koch, Lehrstuhl für Strafrecht, Strafprozessrecht, Risiko- und Präven­tionsstrafrecht sowie Juristische Zeitgeschichte, Direktor des Instituts für die gesamte Strafrechtswissenschaft an der Juristischen Fakultät der Universität Augsburg.

[3] Prof. Dr. Martin Löhnig, Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Deutsche und Europäische Rechts­geschichte sowie Kirchenrecht an der Juristischen Fakultät der Universität Regensburg, Veranstalter zahlreicher Tagungen und Ringvorlesungen zur Rechtsgeschichte und zur Juristischen Zeitgeschichte.

[4] Vgl. Tagungsflyer.

[5] Obgleich nach Koch nicht alle als ihm und seiner „Schule“ nahestehende „Schüler“ von Liszt im engeren Sinne bezeichnet werden dürfen, ergab seine Suche, alleine auf deutschsprachige Universitäten beschränkt, (Beitrag 2, Kapitel IV, S. 40 f.), 23 Seminarteilnehmer, die in den nachfolgenden Jahrzehnten, mehr oder weniger exponiert, universitär Strafrecht lehrten. Zu nennen sind hier unter anderem solch bedeutende (Straf-) Rechtswissenschaftler wie Robert von Hippel, Alexander Graf zu Dohna, Ernst Delaquis, Gustav Radbruch, Herbert Engelhardt, Ernst Rosenfeld, Eberhard Schmidt, Eduard Kohlrausch, Moritz Liepmann, Franz Exner, Hans von Hentig, Hermann Kantorowicz et al. (vgl. ergänzend nur Therese Stäcker, 2012, „Die Franz von Liszt-Schule und ihre Auswirkungen auf die deutsche Strafrechtsentwicklung).

[6] Die Erkenntnisse des zunächst während des Liszt`schen Aufenthalts in Marburg ins Leben gerufene und später in Halle und zuletzt in Berlin fortgeführten Seminars wurden seit 1889 in loser Folge als Abhandlungen des Kriminalistischen Seminars (vgl. hier bspw. nur den 4. Band, 1. Heft im Volltext) bei der Berliner Verlags­buchhandlungen Guttentag heraus­gegeben.

[7] So z. B. Göppinger, in: „Die gegenwärtige Situation der Kriminologie“, 1964, S. 5 (zugleich Veröffentlichung seiner Antrittsvorlesung an der Universität Tübingen vom 03. Dezember 1963).

[8] Dieser Zyklus findet sich zusammengefasst im ersten Band seiner Strafrechtlichen Aufsätze und Vorträge (AuV, 1905, S. 290 – 467).

[9] Er unterschied vielmehr zunächst die „Kriminal-Biologie (Anthropologie)“ von der „Kriminal-Soziologie (Statistik)“, vgl. AuV, 1. Band, 1905, S. 290 ff., 291,

[10]  Wenngleich er dies „ganz sicher nur im `Nebenfach` neben Strafrecht und Kriminalpolitik war und wohl auch sein wollte“, so Streng an anderer Stelle.

[11]  Vgl. hierzu auch seine Marburger Antrittsvorlesung von 1882, „Der Zweckgedanke im Strafrecht“, AuV, 1. Band, 1905, S. 126 ff..

[12] Diese Überzeugung ist in der Lehre allerdings zumindest umstritten, vgl. z. B. nur Frommel, in: Neue Kriminalpolitik (NK), Ausgabe 4 / 2012, S. 152 – 159, die es explizit ablehnt, von einer eigenständigen (strafrechtlich-kriminologische), bis heute fortwirkenden Liszt`schen Schule zu sprechen.

[13]  Vgl. Marburger Antrittsvorlesung (Fn. 11), die als „Marburger Programm“ bekannt ist und bis heute als „Schlüsseltext der Strafrechtsgeschichte“ bezeichnet wird und seine Mar­burger Rektorats-Antrittslese „Die Reform des Juristischen Studiums in Preußen“ aus dem Jahr 1886 (vgl. Dernburg, v. Liszt et. al., Zusammenfassung der Thesen in der Zeitschrift für deutschen Zivilprozeß, Bd. 10, 1887, S. 524 – 531, dokumentiert in der Digitalen Bibliothek Juristischer Zeitschriften des 19. Jahrhunderts des Max-Planck-Instituts für europäische Rechtsgeschichte).

[14]  Eine Kritik, die (zwar in gänzlich anderen institutionellen universitären und wissen­schaft­lichen Zusammenhängen, aber dennoch) heute am Beispiel weitgehend fehlender kriminalistischer Inhalte in der juristischen (im Übrigen wie auch in der polizeilichen) Ausbildung, wie sie ebenfalls von v. Liszt schon in seiner Berliner Antrittsvorlesung „Die Aufgaben und die Methode der Strafrechtswissenschaft“ im Jahr 1899 (vgl. AuV. 2. Band, S. 284 ff., 296) bemängelt wurde, nach wie vor v. a. im Zusammenhang mit der strafprozessrechtlichen Kompetenz des juristischen Nachwuchses, gerade im Rahmen der sachgerechten Beweiswürdigung in der Haupt­verhandlung, virulent ist. Es gibt im Moment neben dem „kriminalistischen Angebot“ an der privaten Steinbeis-Hochschule in Berlin nur eine staatliche Universität (Juristische Fakultät der Ruhr-Universität Bochum, ab der zwölften Auflage 2016 des Masterstudiengangs „Kriminologie, Kriminalistik  und Polizeiwissenschaft“ am Lehrstuhl von Prof. Dr. Feltes), an der in nennenswertem Umfang (dort insgesamt 900 Stunden spezifischer Workload Kriminalistik) die Disziplin Krimi­nalistik gelehrt wird.

[15] Z. B. die dezidiert wissenschaftlich ausgerichtete Zeitschrift für die Gesamte Strafrechtswissenschaft, die Mitbegründung der Internationalen Kriminalistischen Vereinigung (IKV), in deren Statuten explizit zum Ausdruck kam (Art. 1), dass „Verbrechen und Strafe ebenso sehr vom anthropologischen und soziologischen wie vom juristischen Standpunkt aus ins Auge gefasst werden müssen“ und die sich deutlich gegenüber „jener (damals aktuellen) Richtung der Strafrechtswissenschaft (abgrenzen wollte), welche … den theoretischen und praktischen Kriminalisten grundsätzlich auf die formal-juristische Begriffsbildung beschränken“ wollte (vgl. von Liszt, ZStW 9 / 1889, S. 367) oder aber des „Kriminalistischen Seminars“, dessen höchste Aufgabe, so von Liszt, in der „Ausbildung künftiger Lehrer des Strafrechts“ bestand.

[16]  V. a. Karl Binding, Karl Birkmeyer, Friedrich Oetker und Johannes Nagler

[17] Die dem Sicherungsgedanken unterfallenden „Unverbesserlichen“ („Gewohnheitsver­brecher“, die unschädlich gemacht werden müssten), den „Abschreckbaren“ und den „Besserungsfähigen“. Fortschrittliche kriminalpolitische Gedanken von Liszts und der IKV, wie jene zu einer Jugendgerichtsbewegung, zu bedingten Strafaussetzungen und zum Institut einer Geldstrafe und im damaligen Kontext hoch missverständliche Aussagen von Schülern von Liszts, wie etwa Radbruch, von einer „Überwindung des Strafrechts“ und dessen Ersetzung durch etwas – nicht näher definiertes – „Besseres“, verunsicherten konservative Strafrecht­ler und erzeugten deren (unerbittliche) Reaktanz.

[18] Als beredtes Beispiel für v. Liszts „undogmatisches Verhältnis gegenüber theoretischen Fundierungen“ zitiert Koch eine (symptomatische) Äußerung desselben während der Brüsseler Hauptversammlung der IKV im Jahr 1910 zum Themenkomplex „Sicherungsstrafe v. Maßregel“: „Ich bin der festen Überzeugung, daß, wenn eine Einigung über die praktische Seite der Frage erfolgt, die theoretische Konstruktion schon nachfolgen wird.“

[19]  Lehrstuhl für deutsches und internationales Strafrecht und Strafprozessrecht, Strafrechts­vergleichung sowie Strafrechtsgeschichte an der Juristischen Fakultät der Universität Bonn.

[20] Insofern darf man gespannt sein, ob und ggf. welche (dogmatischen / praktischen) Folgen das vielgestaltige Gutachten der Expertenkommission  zur Reform des Strafprozessrechts vom 13. Oktober 2015 in der 18. Legislaturperiode zeitigt.

[21] Mansdörfer, HRRS 1 / 2010, S. 11 ff.

[22] Vertrag von Lissabon zur Änderung des Vertrags über die Europäische Union und des Ver­trags über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft“ (ABl. EU 2007 Nr. C 306/1)

[23]  Vgl. nur die Aktivitäten der „European Criminal Policy Initiative“

[24]  Lehrstuhl für Strafrecht, Strafprozessrecht und Rechtsphilosophie an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, Institut für Strafrecht und Strafprozessrecht, Abteilung 1.

Rezensiert von: Holger Plank