Hansjakob Walder – „Kriminalistisches Denken“

Walder[1], Hansjakob[2];„Kriminalistisches Denken“; 10., überarbeitete Auflage 2016, 350 Seiten

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Das Praktiker-Handbuch „Kriminalistische Denken“ wurde im Frühjahr 2016 überarbeitet. Das grundlegende System des sogenannten „kriminalistischen Zyklus“ hat Hansjakob beibehalten. Die Inhalte des Zyklus bzw. die verwendeten Mittel wurden aktualisiert und beispielsweise auf die Gegebenheiten der zunehmend digitaler werdenden Ermittlungsarbeit angepasst.So wird etwa die Beschaffung digitaler Daten (im Internet) und der Umgang mit immer größer werdenden Datenmengen thematisiert.

Das Buch beschäftigt sich mit kriminalistischem Denken und dem Prozess, den eine Ermittlungsperson durchläuft, um einen Verdacht auf eine Straftat nachweisen oder ausräumen zu können. Dabei werden die Inhalt dreigeteilt dargestellt:

  1. Aufgabe und Mittel
  2. Die Methode
  3. Das Ergebnis.

Im ersten Teil findet sich die Einleitung zu diesem Handbuch. Neben einem Abriss der folgenden Inhalte werden die Herausforderungen thematisiert, denen Kriminalisten gegenüberstehen. Beispielhaft kann hier die menschliche Neugierde angesprochen werden: Der Kriminalist ist neugierig auf die Lösung eines Falles, möchte den Ablauf einer Tat rekonstruieren und Antworten finden. Hierbei muss er sich immer wieder selbst reflektieren, darf einzelne Tatbestandsmerkmale einschlägiger Strafnormen nicht vergessen und muss bei aller Dynamik sorgfältig beachten, dass getroffene Entscheidungen nicht rückgängig gemacht werden können. Hansjakob gelingt es, die Komplexität der Ermittlungsarbeit darzustellen. Als erfahrener Kriminalist findet man sich hier wieder, fühlt sich stellenweise „ertappt“.

Im zweiten Teil widmet Hansjakob sich der Methodik. Bei einfach gelagerten Sachverhalten reichen oftmals wenige Arbeitsschritte, um den Täter beweiskräftig überführen und den Fall lösen zu können. Komplexe Fälle dagegen, teils mit vagem Anfangsverdacht,  sind für die eingesetzten Ermittler zugleich interessant und hausfordernd. In diesen Fällen gilt es, die Ermittlungen strukturiert durchzuführen, keine voreiligen Schlussfolgerungen zu ziehen und keine Spur aus den Augen zu verlieren. Angelehnt an den US-amerikanischen Intelligence Cycle weist Hansjakob auf den prozesshaften Ablauf der Ermittlungsarbeit hin und stellt mit dem kriminalistischen Zyklus ein Handlungsmodell vor. Dieser Zyklus beinhaltet die Punkte: Verdacht – Daten analysieren – Hypothesen bilden – Programm bestimmen – Fehlende Daten beschaffen.

Der dritte Teil widmet sich der Beweisführung. Hier stellt Hansjakob Probleme wie mangelnde Struktur, mangelnde Rechtskenntnisse, Ermittlungsfehler u.ä. dar, dessen sich der Kriminalist fortlaufend bewusst sein sollte.

Die Inhalte werden durch zahlreiche Beispiele veranschaulicht und Merksätze zum Ende der einzelnen Unterkapitel bieten die Möglichkeit der Wiederholung. Schwerpunkt des Handbuches liegt auf dem Methodenteil. Der Autor arbeitet in der Schweiz. Dennoch sind nahezu alle Inhalte auf die Bundesrepublik Deutschland übertragen worden. Ergänzend kann angemerkt werden, dass ein Stichwortverzeichnis gezielt zu gesuchten Inhalten führt. Dagegen werden einzelne Aussagen nicht durch Literaturangaben gestützt. Die Literaturauswahl wird lediglich übersichtsartig dargestellt. Hierauf weist der Autor eingangs hin.

Das Handbuch kann nicht als rechtliches Nachschlagewerk dienen. Im Zuge der Beweismitteldarstellung werden einschlägige Rechtsgrundlagen nur teilweise benannt. Teilweise erfolgt noch ein kurzer Problemaufriss, wenn eine Ermächtigungsgrundlage umstritten ist. Zudem ist es kein umfassendes Nachschlagewerk für Ermittler oder gar „Ersatz“ für eine grundlegende Ausbildung. Dennoch kann es sowohl Berufseinsteiger wie erfahrene Kriminalisten überzeugen. Um sich in die Arbeit eines Kriminalisten einzuarbeiten und kriminalistisch denken zu lernen, ist dieses Handbuch sehr gut geeignet. Neben der grundlegenden Systematik werden zahlreiche Anregungen zur Beschaffung von Daten u.v.m. gegeben. Und um erfahrene (eingefahrene) kriminalistische Arbeit zu reflektieren und ggf. neu auszurichten, kann dieses Buch ebenfalls nützlich sein.

[1] Begründet von Prof. em. Dr. iur. Hans Walder †

[2] Fortgeführt von Dr. iur. et lic. oec. Thomas Hansjakob; seit 1988 Untersuchungsrichter und seit 2004 Staatsanwalt, später Erster Staatsanwalt, in St. Gallen; Lehrbeauftragter für Strafprozessrecht an den Universitäten St. Gallen und Luzern (www.hansjakob.ch)

Rezensiert von: Anne Hammes