Gespräche über den Staat – Utz Schliesky – Rezensiert von: Leif Artkämper

Schliesky, Utz; Gespräche über den Staat; 1. Auflage 2017, 276 Seiten, 19,95 €, ISBN: 978 3 406 71208 1

„Schließlich muss nicht alles Unerwartete uns das Fürchten lehren. Das gilt auch für Regierungsbildungen, die in ungewohnter Weise auf sich warten lassen. Der Staat handelt nach den Regeln, die unsere Verfassung für eine Situation wie diese ausdrücklich vorsieht, auch wenn solche Regeln in den letzten Jahrzehnten nie gebraucht wurden.“
Aber was genau ist dieser Staat, dem heutzutage immer wieder „Staatsversagen“ vorgeworfen wird? Welche Aufgaben hat er? Welchen Herausforderungen muss er sich stellen und inwieweit wird der Staat diesen Aufgaben gerecht?Diesen – und anderen fundamentalen – Fragen der Staatslehre geht Utz Schliesky in seinem Buch „Gespräche über den Staat“ auf den Grund. In seinem, im November 2017 erschienenen, Werk stellt Utz Schliesky, Professor für öffentliches Recht an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel und zugleich Direktor des Schleswig-Holsteinischen Landtags, im ersten Teil die Grundlagen eines Staates dar. Daraus entwickelt er einen Interviewleitfaden und führt sodann, im zweiten Teil des Buches, mit verschiedenen – staatsprägenden – Persönlichkeiten Gespräche über den Staat. Utz Schliesky spricht mit Andreas Voßkuhle, dem Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts sowie mit Peter Huber, der Richter im zweiten Senat des Bundesverfassungsgerichts ist. Überdies interviewt er Edzard Schmidt-Jortzig, ehemaliger Bundesjustizminister, sowie Norbert Lammert, der als langjähriger Präsident des Bundestags auf sich aufmerksam gemacht hat.
Im ersten Teil des Buches stellt der Autor dem Leser seine Gedanken zum Staat, dessen Strukturprinzipien sowie dessen Legitimität vor. Überdies skizziert er die Auswirkungen der Europäisierung und stellt Gefährdungspotentiale für einen funktionierenden Staat dar. Trotz der Kürze der Ausführungen schafft es Schliesky auf staatshistorische Gedanken einzugehen und bringt so dem Leser, auf eine gut verständliche Art und Weise, z.B. die Drei-Elementen-Lehre Jellineks näher; lässt es sich jedoch auch nicht nehmen auf die Staatsideen von Bodin, Hobbes und Locke einzugehen (Kap. 1.1 S. 13 f.). Im Anschluss an die Darstellungen der Grundideen gelingt es dem Autor immer wieder, selbst Schlussfolgerungen zu treffen, die aufgrund der Herleitung und der bewiesenen Umsicht überzeugen können. Beispielhaft soll auf die, das Staatsvolk betreffenden, Schlussfolgerungen von Schliesky verwiesen werden:
„Die Antwort auf die Frage, wer das Staatsvolk ist, gibt dann auch Aufschluss über die Frage nach der Identität des Staates. Denn ein Staat ohne eigene Identität ist schwer vorstellbar. Zur Identitätsbildung sind Abgrenzung (nicht Ausgrenzungen) erforderlich, die mit Respekt und Toleranz gegenüber „dem/den Anderen“ deutlich machen, wo die Identitätsgrenze verläuft.“ (Kap. 1.3, S.18)
Stellt der Autor im ersten Teil komplexe Zusammenhänge dar; überzeugen die Interviews durch die Einfachheit der Fragen: In welchem Verhältnis stehen Staat und Gesellschaft? (S. 106) Kann es Freiheit ohne den Staat geben? (S. 203) Es entstehen Gespräche auf Augenhöhe, die auf die, im ersten Teil des Buches gelegten, Grundlagen eingehen und diese durch das Expertenwissen punktuell vertiefen. Interessant und – soweit ersichtlich – einmalig ist es, in einem Werk, die unterschiedlichen Ansichten von sechs staatsprägenden Persönlichkeiten vergleichen zu können. Eine Auswertung der Interviews erfolgt im Nachgang jedoch nicht; Schliesky lässt die Interviews unkommentiert auf den Leser wirken. Vergleiche zu ziehen und Unterschiede herauszuarbeiten, bleibt dem Leser überlassen.
Nichtsdestotrotz ist mit diesem Buch ein meinungsbildendes Werk für alle staatsrechtlich, staats- und gesellschaftspolitisch Interessierten entstanden, welches auch für Nicht-Juristen einen guten Überblick über staatsrechtliche Grundlagen bietet. Dem Fazit „politischer kann ein Buch gegenwärtiger nicht sein“ ist beizupflichten und zu ergänzen, dass es dem Autor trotz der politischen Dimension gelingt, staatsrechtliche Grundlagen, die ein Verständnis der politischen Situation ermöglichen, darzulegen

Rezensiert von: Leif Artkämper