Hilgendorf / Kudlich / Valerius (Hrsg.) – Handbuch des Strafrechts. Band 1: Grundlagen des Strafrechts – Rezensiert von: Thomas Feltes

Hilgendorf / Kudlich / Valerius (Hrsg.); Handbuch des Strafrechts. Band 1: Grundlagen des Strafrechts; Heidelberg (C.F. Müller) 2019, XLII, 1245 Seiten, 270.- Euro, ISBN ISBN 978-3-8114-9001-7

Das insgesamt auf neun Bände angelegte „Handbuch des Strafrechts“, das am Ende über 8.000 Seiten umfassen soll und in der Gesamtausgabe 1.800.- Euro kostet, ist eine Gesamtdarstellung des deutschen Strafrechts und Strafverfahrensrechts, das nicht über Kommentierungen einzelner Vorschriften, sondern in Form themenspezifischer Abhandlungen erschlossen wird. Es besteht aus drei Sektionen, von denen die erste die Grundlagen sowie den Allgemeinen Teil des Strafrechts behandelt, die zweite den Besonderen Teil mit ausgesuchten Teildisziplinen des Strafrechts und die dritte das Strafverfahrensrecht.

Hier vorgestellt wird der Band 1, der mit „Grundlagen des Strafrechts“ überschrieben ist.

Dieses Handbuch will insgesamt die Dogmatik in den Mittelpunkt stellen und vor allem die Grundlagen und deren Fortentwicklung berücksichtigen. Losgelöst von den Herausforderungen des Augenblicks und des Einzelfalls soll es die Entwicklung des deutschen Strafrechts beständig und dauerhaft aus einer kritischen Distanz begleiten (so der Verlag). Das Werk erhebt den Anspruch, aufgrund von „Interdisziplinarität und Einbeziehung europäischer und internationaler Tendenzen … über die nationalen Grenzen hinaus für die gesamte strafrechtliche Forschung und Praxis von Interesse (zu sein). Rechtsphilosophische, rechtssoziologische, geistesgeschichtliche Grundlagen und verfassungsrechtliche Vorgaben des deutschen Strafrechts werden ebenso einbezogen wie allgemeine Fragen der juristischen Methodenlehre und neue dogmatische Herausforderungen. Zur Klärung der empirischen Grundlagen sind Kriminologie und Kriminalstatistik prominent vertreten“ (Verlagstext).

Gerade der letzte Punkt veranlasst eine Besprechung hier im Polizei-Newsletter. Denn tatsächlich finden sich in dem ersten Band (neben allgemeinen Ausführungen zur Geschichte und zu den dogmatischen Hintergründen unseres Strafrechts) zwei Abschnitte, die sich mit „Strafrechtssetzung, -anwendung und –forschung“ sowie mit neueren Entwicklungen im Strafrecht beschäftigen. Darin finden sich Beiträge von Kaspar zu den Grundlagen der Kriminologie (S. 897 ff.) und zu kriminologischen Forschungsfeldern (S. 953 ff.) sowie von Heinz zur Kriminalstatistik (S. 1003 ff.) und zu „Kriminalität und Kriminalitätskontrolle“ (S. 1055 ff.).

Vor allem die Beiträge von Heinz haben die von ihm gewohnte Qualität, auch wenn man aktuellere Daten und Analysen auf seiner eigenen website, dem „Konstanzer Inventar“[1] bekommt. Und: Dem Rezensenten fiel auf, dass das Stichwort „Polizei“ in dem doch umfangreichen Stichwortverzeichnis nicht auftaucht. Lediglich die PKS sowie das „Polizeistrafrecht“ werden dort genannt. Ein strukturelles Problem? Oder hat man nicht erkannt, dass die Polizei eigentlich der „Gatekeeper“ des Strafverfahrens ist, mit dem sich dieses Handbuch so tiefgehend beschäftigen will. Ob dies in den kommenden Bänden nachgeholt wird? Man wird sehen. So bleibt der Eindruck, dass man die „Gesamte Strafrechtswissenschaft“ doch nicht unerheblich reduziert hat, und dies, obwohl zuletzt Plank umfassend und dogmatisch gut begründet deutlich gemacht hat, dass zu dieser „Gesamten Strafrechtswissenschaft“ nicht nur die Kriminologie, sondern beispielsweise auch die Kriminalistik und damit eben auch die Polizei gehören[2]. Schade, dass dieses aktuelle Werk von Holger Plank nicht in der Literaturliste auftaucht. Aber irgendwie passt dieser Eindruck leider auch zu einigen Beiträgen in dem Band: Vielfach wird das (gerafft) wiedergegeben, was sich in den einschlägigen Lehrbüchern findet. Nur selten wird tiefergehend argumentiert und noch seltener werden entsprechende Standard-Monografien oder Aufsätze zitiert. Auch dies kann und sollte man man in den kommenden Bänden noch optimieren.

[1] https://www.jura.uni-konstanz.de/heinz/forschung/das-konstanzer-inventar/

[2] Plank, Holger:   „Gesamte Strafrechtswissenschaft“ – Ein fallanalytischer Diskurs am Beispiel eines Kriminalromans. Holzkirchen 2017

Rezensiert von: Thomas Feltes