Margit Seckelmann – Evaluation und Recht. Strukturen, Prozesse und Legitimationsfragen staatlicher Wissensgewinnung durch (Wissenschafts-)Evaluationen – Rezensiert von: Thomas Feltes

Seckelmann, Margit; Evaluation und Recht. Strukturen, Prozesse und Legitimationsfragen staatlicher Wissensgewinnung durch (Wissenschafts-)Evaluationen; Tübingen, Mohr Siebeck 2018. XXVII, 685 S., ISBN 978-3-16-154390-6, 129.- Euro

Eine „wirkungsorientierte Rechtswissenschaft“ (Hoffmann-Riem[1]) oder besser noch: eine wirkungsorientierte Gesetzgebung und Rechtsanwendung wünschen sich (angeblich) alle, die im System der Rechtssetzung und Rechtsanwendung tätig sind. Angefangen bei den Referenten in den Ministerien, die Gesetze vorbereiten, über die Bundestagsabgeordneten, die sie verabschieden, bis hin zu Polizeibeamten, Staatsanwälten und Richtern, die Rechtsvorschriften im guten Glauben daran, dass sie sinnvoll und notwendig sind, anwenden. In der Realität sieht es dann schon anderes aus, wenn beispielsweise Gesetze überprüft und ggf. angepasst werden sollen, weil sie die intendierte Wirkung nicht erzielen oder vielleicht sogar gegenteilige Effekte. Auch die Rechtsprechung ignoriert regelmäßig mehr oder weniger die wissenschaftlich nachgewiesenen Wirkungen der verhängten Strafen, und die Polizei ist seit jeher ein Stiefkind, wenn es um die (unabhängige!) Evaluation ihrer Arbeit geht.

Zwar mag man Hoffmann-Riem zustimmen, der schreibt: „Recht wird seit jeher zur Verwirklichung von Zwecken geschaffen und ist auf die Erzielung rechtlicher und faktischer Wirkungen ausgerichtet. … Die Wirkungen von Recht erschöpfen sich nicht im Erlass von Rechtsakten (als output) und der bei den Adressaten eintretenden Folgen (als impact). Bedeutsam für die Rechtsetzung wie für die Rechtsanwendung sind vielfach auch gesellschaftliche Folgen (als outcome). Sämtliche dieser Folgen können auch Gegenstand besonderer Verfahren der prospektiven Folgenabschätzung und der retrospektiven Erfassung und Evaluation der Wirkungen von Recht sein.“ (aaO.)

Wie aber verschaffen sich Gesetzgebung und Verwaltung Wissen über die Wirkungen ihrer Regelungsprogramme? Und müssen sie dies überhaupt? Margrit Seckelmann geht dem Einsatz von evaluativen Verfahren als Instrumenten staatlicher Wissensgewinnung und Wirkungsüberprüfung nach. Dabei behandelt sie die Genese von Evaluationen als policy-Elementen, die Frage nach dem Bestehen einer „Beobachtungs-“ oder „Evaluationspflicht“ und die Probleme von Evaluationsklauseln als Elementen einer „sunset legislation“. Sie untersucht die bei Evaluationsverfahren zugrunde gelegten Methoden und setzt sich mit den von ihnen jeweils ausgehenden Gefahren einer Fehlsteuerung sowie den mit ihrem Einsatz verbundenen Rechtsfragen auseinander.

Die vorgelegte Habilitationsschrift deckt den gesamten Bereich von grundlegenden Fragen von der „Evaluation in der Wissensgesellschaft“ bis hin zu „governance by information“ ab. Das Stichwort „evidence based policy making“, das sowohl in der Kriminologie, als auch in der Polizeiwissenschaft eine große Rolle spielt –auch hier eher theoretisch als in der Praxis, wird ebenso behandelt.

Vor dem Hintergrund der durchgängig eher randständig behandelten Frage, ob und wie man rechtliches Handeln evaluieren kann und soll ist es umso wichtiger, sich immer wieder die Notwendigkeit, aber auch die Grenzen wissensbasierter Politik vor Augen zu führen. Dazu dient die Arbeit von Seckelmann, denn sie deckt den gesamten Bereich bis hin zum „lernenden Recht“ ab. Zusätzlich beschäftigt sie sich auch intensiv mit der Evaluation als neues Legitimationsinstrument öffentlich finanzierter Forschung. Auch dies ein Bereich, der bislang eher vernachlässig wurde, und zwar sowohl auf nationaler, als auch auf internationaler Ebene. Während bei der Vergabe von Forschungsgeldern eine intensive Prüfung und (meist auch unabhängige) Bewertung der Anträge erfolgt, steckt die Überprüfung, ob das, was im Antrag versprochen wurde, auch umgesetzt worden ist, ebenso noch in den Kinderschuhen wie die Frage, ob man für das bereitgestellte Geld auch einen entsprechenden Mehrwert bekommen hat. Auch hier kann die Arbeit von Seckelmann wichtige Anhaltspunkte bieten.

Die von der Autorin ebenfalls intensiv behandelte Evaluation im Hochschulbereich (Stichwort: Exzellenzinitiative, Akkreditierungen, Ratings und Rankings) verschafft dem Leser nicht nur einen Überblick über diesen inzwischen kaum überschaubaren Bereich; man wird auch darauf aufmerksam gemacht, wie willkürlich die dort getroffenen Entscheidungen teilweise sind und dass die nach außen vermittelte Unabhängigkeit nur bedingt zutrifft.

Wenn die Arbeit sich am Ende mit der Frage beschäftigt, wie ein „wissenschaftsgeleitetes Evaluationsrecht“ aussehen kann, dann dürfte dieses Kapitel wohl eher für diejenigen von Interesse sein, die ein solches Recht fordern und entsprechende Gesetze planen. Ansonsten aber ist das Buch eine wichtige Quelle für alle, die ein wissensbasiertes (und nicht bauch- oder public-opinion-gestütztes) Arbeiten in Politik und (Rechts)Praxis fordern. Bleibt zu hoffen, dass die von Seckelmann gewonnenen Erkenntnisse auch tatsächlich an den richtigen Stellen ankommen und umgesetzt werden.

[1] Wolfgang Hoffmann-Riem, Wirkungsorientierte Rechtswissenschaft. Impact and outcome-oriented legal scholarship. Verfügbar unter: https://www.law-school.de/fileadmin/content/law-school.de/de/units/unit_affil_riem/pdf/422_Wirkungsorientierte_Rechtswissenschaft_18.7.2018.pdf

Rezensiert von: Thomas Feltes