Meropi Tzanetakis / Heino Stöver (Hrsg.) – Drogen, Darknet und Organisierte Kriminalität. Herausforderungen für Politik, Justiz und Drogenhilfe. – Rezensiert von: Holger Plank

Tzanetakis, Meropi Dr.[1] / Stöver, Heino Prof. Dr.[2] (Hrsg.); Drogen, Darknet und Organisierte Kriminalität. Herausforderungen für Politik, Justiz und Drogenhilfe.[3]; ISBN: 978-3-8487-3998-1, 280 Seiten, Nomos Verlag, Baden-Baden, 2019, 54.- €

Der Sammelband, mit einem einführenden kritischen Geleitwort von Henner Hess zur seiner Meinung nach weitgehend gescheiterten bzw. fehlgeleiteten staatlichen Prohibi­tionspolitik versehen, vereint neben einer Einleitung von Tzanetakis und einem ab­­­schlie­ßenden Ausblick beider Herausgeber dreizehn Beiträge (davon drei in eng­lischer Sprache), die in den drei Ab­schnitten

  1. „Organisierte Kriminalität. Ein umstrittenes Konzept“ (vier Beiträge)
  2. „Drogenmärkte im Darknet. Aktivitäten und Akteure“ (vier Beiträge) und
  3. „Zum Umgang mit der neuen Herausforderung Darknet-Märkte“ (fünf Bei­träge)

thematisch gegliedert präsentiert werden (vgl. Fn. 3 – Inhaltsverzeichnis).

Die Beiträge entstammen zum großen Teil dem vom deutschen BMBF und dem österreichischen Förderungsprogramm für Sicherheitsforschung (KIRAS) des BMVIT geförderten international-interdisziplinären For­schungs­verbund „Orga­nisierte Kriminalität zwischen virtuellem und realem Drogenhandel“ (DROK).

Das Buch ist alleine deshalb interessant, weil die Beiträge offenbaren, dass schon das Thema Darknet an sich empirisch nicht hinreichend erforscht ist. Vor allem hinsichtlich des Ausmaßes, der Reichweite, Nutzerzahlen, Prävention bzw. der Beratung / „harm reduction“, der Angebotsreduzierung sowie ermittlungs­behördlicher Maßnahmen zu illegalen Online­marktplätze und Krypto­märkten mit dem „Handelsgut“ Drogen bleiben viele Fragen offen. Zusätzlich bietet die titelgebende Kombination mit den Attributen „Organisierte Kriminalität“ und „Drogen“ aber über die Beiträge des Bandes einen recht soliden ersten Überblick zur derzeitigen „For­schungs­landschaft“ und -literatur und erschließt insbesondere evidente Erkenntnislücken. Letzteres ist auch nicht weiter verwunderlich, ist das Phänomen als „Wegbereiter für eine disruptive kriminelle soziotechnische Innovation“ doch noch relativ jung[4] und aufgrund der strengen Abschottung der Betreiber, Händler und Nutzer nur sehr schwer zu öffnender Forschungszugänge und nur begrenzter er­mittlungsbehördlich-kasuistischer Erkenntnisse seither sozialwissenschaftlich nur eingeschränkt erschlossen.

Der Sammelband erscheint wegen der legislativen Aktivitäten rund um ein „IT-Sicherheitsgesetz 2.0[5], federführend vom Bundesinnenministerium als RefE Ende März an die beteiligten Ministerin zur Abstimmung versandt, in welchem neben zahlreichen straf-, nebenstraf- und sicherheitsrechtlichen Neuregelungen bspw. auch ein lange von den Ländern über die IMK, die JMK und zuletzt über den Bundesrat geforderter Tatbestand des „Zugänglichmachens von Leistungen zur Begehung von Straftaten“ (§ 126a StGB-E) als typischer „Darknet-Handelsplattform-Straf­tat­bestand“ ent­halten ist, ferner zum rechten Zeitpunkt, um den langsam beginnenden Diskurs hierzu immerhin mit einigen, wenn auch inhaltlich begrenzten empirischen Beiträgen zu begleiten.

Neben der dargelegten thematischen Fundierung und forschungsbasierten Genese der Beiträge des Buches möchte ich, ohne tiefer auf die Beiträge im Einzelnen oder die technische Struktur des Dark- bzw. Deep-Web und die verschiedenen Anonymisierungsdienste, von denen der TOR-Browser und die .onion-Struktur der/die Bekannteste sein dürfte, einzugehen, einen kurzen allgemeinen und inhaltlich-tendenziellen, bezogen auf die Gliederung und Beitragsfolge daher eher unstrukturierten Überblick zu ei­nigen wesentlichen Erkenntnissen bzw. For­derungen der Autoren des Sam­melbandes geben.

„Der Begriff Darknet gebe zunächst keine Auskunft über den rechtlichen Status der Inhalte, sondern lediglich darüber, wie diese Informationen abgerufen werden können“ (Tzanetakis, Einleitung zum Sammelband, S. 13). So stellt der freie Autor und Technologie-Journalist Stefan Mey[6] (S. 259 – 266), mit dem ich einsteigen will, in einem kurzen, dennoch facettenreichen Beitrag nicht nur mit recht eindeutigem Ergebnis die Frage zum medialen Image des Darknets. Er versucht darüber hinaus auch nach akribischer Recherche mit Fehlinformationen aufzu­räumen und „portraitiert (so) diesen (den meisten von uns unbekannten) Raum, in dem so vieles nah beieinander liegt: illegaler Kommerz und ethische Abgründe, aber auch poli­tischer Aktivismus und die Hoffnung auf ein besseres Internet“, als nicht nur „böse“. Dabei stellt er zunächst fest, dass neben den notwendigen und legalen insbesondere po­litischen Plattformen im Darknet, die überwiegend nur ein kryptierter Spiegel der Seiten der Betreiber im offenen Netz seien, der illegale Darknet-Kosmos sehr gut ausdifferenziert sei. Die Marktplätze dort verfügen über eine breite Produkt­palette, es gebe eine ambitionierte Selbst­regulierung und funktionierende Ge­schäfts­modelle. Er ermöglicht dem Leser so einen ersten Überblick zur ungefähren Reichweite / Nutzerzahl dieses für Außen­stehende nahezu vollständig kryptierten Raumes. Gleichzeitig räumt er ein, dass „ein seriö­ser Vergleich der Häufigkeit illegaler Handlungen im ‚normalen Netz‘ und im Darknet (schlichtweg) nicht möglich sei“. Die „sehr überschaubare Größe des Darknets lasse es (jedoch) wenig plausibel erscheinen, dass sich dort tatsäch­lich ein Großteil illegaler Aktivitäten abspielen könnte.“ So nutzen nach seinen Re­cherchen täglich etwa 2 Millionen Menschen den Anonymisierungsbrowser Tor, davon wiederum bewegen sich nur 3,4% (also etwa 70.000) im relevanten .onion-Bereich, der Rest versuche mit dem Tor-Browser nur unerkannt im offenen Netz zu surfen. Im Vergleich hierzu liegt die monatliche Nutzerzahl im „offenen Netz“ bei etwa 4 Milliarden. Alleine Facebook registriere daneben täglich etwa 1,5 Milliarden Menschen auf diesem Kanal!

Mit einem Quervergleich, bezogen auf den illegalen Ertrag einer (aus einer insgesamt überschaubaren Anzahl von) illegalen Handelsplattform(en) für ille­gale Drogen, versuchen Tzanetakis und Stö­ver in ihrem Ausblick (S. 267 – 275) das Phänomen zu konturieren. So setze eine der bekannteren Platt­formen jährlich etwa 100 Mio. US-Dollar um. Im Übrigen, nur etwa fünf Prozent der „Händler“ erziele dabei Erträge jenseits der 200.000 US-Dollar oder mehr, die über­wiegende Mehrzahl rangiere bei etwa 10.000 US-Dollar Umsatz p. a. Drei Viertel der Kunden dieser Plattformen konsumieren die erworbenen Substanzen selber, ein Viertel erwirbt Drogen auch zur Weitergabe. Im Vergleich hierzu rechnet die Europäische Drogenbeobachtungsstelle „EMCDDA“ (in ihrem Jahresbericht 2016 alleine den europäischen Einzelhandelsmarkt für Drogen auf etwa 28 Milli­arden US-Dollar hoch! Der kryptierte Markt führe dabei zu signifikanten Konzentrationsprozessen. Tzanetakis / Stöver sprechen sogar in Anlehnung an den legalen Wirtschaftssektor und die GAFAM-Player[7] von „Plattform-Oligo­polen“ auf dem Kryptomarkt. So seien max. 10-12 Kryptoplattformen gleichzeitig im Darknet online. Auch hinsichtlich der Kunden / Händler arbeiten die Hrsg. ein „Profil“ heraus. So sprächen anonyme Netz-Drogenmärkte vorwiegend männ­liche Nutzer zwischen 20-40 Jahren an, die einer Erwerbstätigkeit nachgehen oder eine Hochschulbildung absolvieren und technologisch gebildet sind, an. Im Kern handele es sich hier um „internetaffine, wohlsituierte, junge, männliche und sozial eher unauffällige Konsumierende“, die im Nutzer-Typus dem von Hess einleitend (S. 5 – 8) herausgearbeiteten Kategorien „experimenteller“ bzw. „kontrollierter Gebrauch“ entsprächen. Sozial ausgegrenzte Drogenkonsumenten, wie etwa „ver­elendete Heroinge­brau­cher*innen“ seien nahezu „ausgeschlossen“. Nun etwas näher zu den einzelnen Abschnitten des Buches:

Im ersten Abschnitt des Sammelbandes wird zunächst in den Beiträgen von Lampe (S. 23 – 50) und Neubacher (S. 51 – 62) die aus verschiedenen Gründen seit den 1970er Jahren keinesfalls komplikationsfrei verlaufende Diskussion um das Begriffsverständnis und notwendige Definition von „Organisierter Krimi­nalität“ aus historischem und phänomenologischem Blickwinkel berichtet. Die­ser sehr akribisch aufgearbeitete Entwicklungsabschnitt des OK-Begriffs und dessen aktuell dringliche Reformbedürftigkeit zeigen die Schwierigkeit des Umgangs mit sich modifizierenden Kriminalitätsphänomenen in einer föderalen Polizei­landschaft und beweisen verschiedentlich über deren „Bereichsegoismen“ sehr eindrücklich die Schwächen eines multilateralen Aushandlungsprozesses auf dem Weg zu einem „kleinen gemeinsamen Nenner“, weshalb ich diesen Part für mich persönlich besonders intensiv gelesen und das eine oder andere Mal auch geschmunzelt habe. Ein von Neubacher hierzu aufgeworfenes Problem ist bspw., dass die strukturelle Offenheit der OK-Definition nebst deren begleitenden Indikatoren (vgl. Anlage E, Ziff. 2 der RiStBV) gerade auf dem Feld der Dro­genkriminalität schon auf bzw. knapp über der „Konsumentenebene“ prinzipiell den „OK-Begriff“ eröffne und über eine derart fehlgeleitete Definitionsmacht phänomenologisch sinnlos Kräfte gebunden werden können. Das zeigt sich im Be­sonderen schon in der Definitionsphase des im Ergebnis als Brücke zur „Cyber-OK“ außerordentlich spannenden, aus Mitteln des EU-Programms „Kriminal­prävention und Kriminalitätsbekämpfung“ (ISEC) geförderten und im Jahr 2016 abgeschlossenen trans­nationalen[8] Forschungsprojektes „Cyber-OK – Ausmaß und Ausprägungen in ausgewählten EU-Mitgliedsstaaten“ schon bei der Begriffsbestimmung der „Cyber-OK“, für die die Definitionskriterien und das Indikatorenraster der Anlage E zur RiStBV im transnationalen Abstimmungs­prozess schlichtweg unpassend waren. Daher bedienten sich die Projektpartner schon im Setting des Projekts ersatzweise der OK-Definition von EUROPOL!

Der zweite Abschnitt eröffnet einige interessante Perspektiven über die Struk­turen des Drogenhandles im Darknet. So berichten die Autoren sehr dezidiert über die Abwicklung der Bestellvorgänge, die jenen von legalen E-Commerce Platt­formen und deren typischen Elementen wie Struktur der Plattform, Kundenkonto, Suchfunktion, Preis, Produktbeschreibung, Versandart und Feedback weitgehend entsprächen. Aufgrund des durchgängig pseudonymen Verkehrs in derartigen Foren seien einige „soziale Praktiken“ besonders bedeutsam, wie z. B. ein durchgängiges „Treuhand-Bezahl-“ und  „Kunden­feedback-System“ sowie aus­ge­klü­gelte „Streitbeilegungsverfahren“, ggf. sogar über „Mediatoren“. Vertrauen und Logistik seien auf diesem Markt ohne jegliche offizielle Klage- oder Beschwerdemöglichkeit für den Plattformbetreiber („Admin“), seinen „Me­diator“, die Händler und Kunden besonders wichtig für die relative Nachhaltigkeit des Geschäftsmodells. Selbst „Geschäftsbe­dingungen“, die auf den beobachteten Plattformen z. B. durchgängig den Handel von kinderpornografischem Material explizit ausschließen (!), seien gängige Praxis. Tzanetakis versucht in ihrem Beitrag (S. 113 – 136) auf Basis eigener und ausgewerteter sozialwis­senschaftlicher Studien derartige strukturelle Be­dingungen des Drogenhandels auf Kryptomärkten im Unterschied zum Dro­genhandel auf der Straße oder in geschlossenen Räumen analytisch zu erfassen und erkennt hierbei „sieben strukturelle Veränderungen“.[9] Logisch ist bei diesem Phänomen natürlich primär der gravierende Unterschied, dass sich „im Gegensatz zu materiellen Drogen­märkten (…) bei Kryptomärkten erstmalig die Sichtbarkeit der Handelnden massiv erhöhe, ohne dass zwangsläufig ebenso das Risiko der Strafverfolgung größer werde.“ Zudem sei das Substanzangebot umfassend, stets verfügbar und die Information zu der Ware (Reinheit / Inhalt) als auch durchgängig deren Qualität viel besser als auf den herkömmlichen Offline-Märkten. Dies erhöht einerseits ggf. die „Experimentierfreude“ und kann auch Auswirkungen auf das Ge­sundheitsrisiko entfalten. Interessant ist in diesem Zusammenhang der qualitative Forschungsansatz des Beitrags von Kamphausen und Werse (S. 161 – 185), in welchem die Autoren die „digitale Figuration“ unter Zugrundelegung der Hauptkategorien „Vertrauen, Logistik und Gewalt“ am Beispiel von Feedback-Kommunikations-Threads derartiger Foren analysiert haben. Dieser Ansatz konturiert die bislang dargelegten sozialen Mechanismen nochmals sehr klar im empirischen Setting.

Im dritten Abschnitt werden zunächst die Perspektiven Beratung und Schadens­mini­mierung („harm rediction“) aus der Sicht der Nürnberger Beratungsstelle „Enterprise“ (Beitrag von Löhner und Rösler, S. 229 – 240), also die besonderen Herausforderungen für die Drogenberatungspraxis unter dem Diktat der Online-Marktplätze über eine kleine, nicht-repräsentative Klientenbefragung der Beratungsstelle dargelegt. Außerdem wird die Alternative Regulierung der Drogenpolitik anstelle von bislang erfolgloser durchgängiger Repression (Beitrag Stöver, S. 241 – 249), letztere wird in einem gesonderten kurzen Beitrag von Mader (s. u.) eher kasusistisch geschildert, mit klarer Aussage behandelt.

Löhner / Rösler berichten von einer mir bis dato nicht präsenten „Honey-Moon-Phase“, welche die erste Zeit nach dem Einstieg in einen anonymisierten Marktplatz kennzeichnet und den Effekt einer Konsumsteigerung aufgrund der höheren Verfügbarkeit und Substanzqualität umschreibt. Einige der o. g. strukturellen Ver­änderungen würden auch die Drogenberatungsstellen zum Umdenken zwingen, bspw. auf dem Gebiet der „harm-reduction“, etwa was die Inhaltsstoffe der über diesen Markt im Besonderen erhältlichen „Neuen psychoaktiven Substanzen“ (NpS) angehe (Angebot von derzeit noch rechtlich unzulässigem Drugchecking etc.) oder auch der internen Fortbildung, z. B. hinsichtlich des technischen Zugangs zu derartigen Marktplätzen.

Die Ermittlungsbehörden, so berichtet Mader (S. 251 – 257), gingen davon aus, dass der illegale Drogenhandel auf den dunklen Handelsplattformen des Darknet ein Bestandteil der Drogenkriminalität mit wachsendem Potential geworden sei und sich bereits international etabliert habe. Neue Ermittlungsstrategien seien nötig, wie bspw. das von der EU geförderte transnationale Projekt (BKA Wien und Wiesbaden) namens „Joint Investigation to combat drug trafficking via the virtual market (darknet) within and also into the EU“ bewiesen habe. Hierbei wurden erfolgreich neue Ermittlungsstrukturen erprobt. Besonders die Team­bildung, bestehend aus Drogenermittlern, IT- und Cybercrime-Experten als „Best Practice“ Methode habe sich bei diesem Ansatz bewährt. Weitere Schwerpunkte waren die Funktionalität virtueller Währungen, dem Hauptzahlungsmittel der Drogendealer im Internet, sowie das Thema „Open Source Intelligence“ (OSINT), dem freien Informationspool im Internet, so die kurze Projektbilanz. Insgesamt muss man als Betrachter des Materials aber wohl nüchtern feststellen, dass die Ermittlungsbehörden bei diesem Medium im Moment wohl lediglich etwas „im dichten Nebel stochern“. Die Nachhaltigkeit repressiver Maßnahmen, so eine Langzeitstudie von Soska & Christin, 2015 im Zusammenhang mit der 2014 gemeinsam von FBI und Europol durchgeführten „Operation Onymous“ und der dabei vorgenommenen Schließung zahlreicher Schwarzmarkt-Plattformen, fehlt weitgehend. Zwar gab es zunächst einen star­ken, wenn auch nur sehr kurzfristigen Rückgang des Angebotes auch auf anderen, noch offenen Plattformen, der aber schon nach relativ kurzer Zeit wieder mehr als kompensiert war. Das lässt Tzanetakis (S. 132) auch unter Bezug auf o. g. Studie von Soska et al. schluss­folgern, „regelmäßige Schließungen von anonymen Drogenmarktplätzen durch Ermittlungsbehörden hätten kaum Einfluss auf die Resilienz des Systems der Kryptomärkte an sich.“

Brevi manu, die interdisziplinären Beiträge des Sammelbands sind allesamt sehr facettenreich und fokussieren den bislang unklaren Blick auf die zahllosen Kon­fliktfelder dieses „relativ neuen“ Online-Phänomens. Schon deswegen ist der gut strukturierte und inhaltlich unter den gegebenen eingeschränkten For­schungs­bedingungen dennoch inhaltsreiche Sammelband für einen Einstieg in die The­matik uneingeschränkt empfehlenswert. Dennoch, es bleiben noch viele Fragen offen, nicht nur die hinsichtlich der Kritik an der staatlichen Drogen­prohibitionspolitik evidente Frage, wie viele Suchtmittel verträgt eine Gesell­schaft denn überhaupt? Der weitergehende Forschungsbedarf wird nicht nur hinsichtlich der Anwendbarkeit der einzelnen Komponenten des seit den 1990er Jahren in der deutschen Drogen- und Suchtpolitik gebräuchlichen „Vier-Säulen-Modells“

  • Prävention
  • Beratung / Behandlung
  • Schadensminimierung („Harm-Reduction“) sowie
  • Repression

deutlich und zwar für alle Player im „Vier-Säulen-Modell“ und deren not­wendigem Zusammenwirken bei Wahrung der jeweils spezifischen Identität.

Die Kriminalpolitik, so die Herausgeber implizit, wird sicher über die bisherige strenge Dogmatik nachdenken müssen, wie Tzanetakis und Stöver (S. 270) abschließend resümieren. Die Entstehung von Krypto­märkten sei als „nicht beabsichtigter Effekt“ nämlich auch auf das globale „Drogenprohibitionsregime“ zurückzuführen, denn, „eine drogenfreie Gesell­schaft ohne illegalen Handel mag zwar im Sinne des Risiko- und Schädi­gungs­potentials ein wünschenswerter Slogan sein, doch seit der Implementierung der UN-Konventionen und der damit einhergehenden internationalen Kontrolle des annähernd universell akzeptierten Verbots von Drogen zeige sich, das dieses Konzept der gesellschaftlichen Praxis nicht standhalten könne.“ Als Nachweis für die gescheiterte Prohibitionspolitik wird u. a. eine im Auftrag der Eu­ropäischen Kommission erstellte Studie von Reuter und Trautmann („A Report on Global Illicit Drug Markets 1998 – 2007“, veröffentlicht 2009) angeführt. Der wesentliche Befund hieraus lautet, dass es trotz aller transnationalen Bemühungen (sowohl hinsichtlich der Reduzierung der Nachfrage wie auch des Angebots) keinen empirischen Nachweis für die Reduktion der globalen Drogenproblematik im Untersuchungszeitraum gebe. Der Anstieg der Delikts­zahlen in den polizeilichen Kriminalstatistiken gründe sich im Übrigen weit überwiegend auf den Verfolgungsindex „konsumnaher Delikte“ (so Stöver, S. 241 ff.).

[1] Dr. phil., Politikwissenschaftlerin, FWF Erwin-Schröder Postdoctoral Fellow am Department of Criminology and Sociology of Law an der Universität Oslo und am Department of So­ciology an der Universität von Essex, Mitherausgeberin des KrimJ.

[2] Prof. Dr. Heino Stöver, Professur für sozialwissenschaftliche Suchtforschung an der Frankfurt University of Applied Sciences, geschäftsführender Direktor des Instituts für Suchtforschung Frankfurt (ISSF).

[3] Vgl.Verlags-Website zum diesem Band nebst Inhaltsverzeichnis.

[4] Obwohl seit nahezu zwei Jahrzehnten bekannt, kam es eigentlich erst nach der Schließung des Kryptomarktplatzes „Silk Road“ durch das FBI und die Festnahme des 29-jährigen Betreibers William Ulbricht, der 2015 zu einer Strafe von „zweimal lebenslänglich ohne die Möglichkeit einer Strafaussetzung zur Bewährung“ verurteilt wurde, im Jahr 2013 nachdrücklich bzw. öffentlich wahrnehmbar auf die kriminalpolitische Agenda.

[5] RefE vom 27.03.2019, am 03.04.2019 auf der Plattform Netzpolitik.org veröffentlicht

[6] Der sich zuletzt in seinem 2018 bei C. H. Beck, München, in 2. Auflage herausgegebenen Buch „Darknet – Waffen, Drogen, Whistleblower. Wie die digitale Unterwelt funktioniert“ sehr intensiv empirisch mit der Thematik auseinandergesetzt hat.

[7] Google, Apple, Facebook, Amazon und Microsoft

[8] Hierbei arbeiteten das BKA Wiesbaden, der schwedische „National Council für Crime Prevention“ (Brå) und das niederländische „Research and Documentation Centre of die Ministry of Security and Justice“ (WODC) eng zusammen.

[9] Diese Kategorien sind a) die veränderte Sichtbarkeit der Akteure; b) das Vertrauen schaffende Feedbacksystem; c) das Treuhandverfahren zur Konfliktlösung; d) die Möglichkeit zur aktiven Vermarktung von Drogen; e) der grenzenlose Zugang und die ständige Verfügbarkeit der Waren; f) die lokale Zustellung der Sendungen sowie g) die durch die Digitalisierung veränderten Wettbewerbsbedingungen.

Rezensiert von: Holger Plank