Meyer-Goßner, Lutz / Schmitt, Bertram; Strafprozessordnung. Kommentar. Rezensiert von Thomas Feltes

Meyer-Goßner, Lutz / Schmitt, Bertram; Strafprozessordnung; 61. Aufl. München 2018, 2.597 Seiten, 92,00 €, ISBN 9783406703843

Die 60. Auflage des Meyer-Goßner/Schmitt hatte Andreas Ruch bereits hier im Buch-Blog vorgestellt. Er hat dabei betont, dass der Kommentar „in gewohnt präziser Form die Regelungen der Strafprozessordnung und die Vorschriften verfahrensrechtlicher Nebengesetze (u.a. GVG und EGGVG)“ behandelt. Sein Ruf als „Standardkommentar“ gründe auf zwei wesentlichen Merkmalen: Praxisrelevante Auslegungsfragen würden zunächst durch die Kommentierung selbst beantwortet. Hierbei profitiere der Praktiker von einem klaren und einheitlichen Aufbau der Erläuterungen, der zur raschen Beantwortung der spezifischen Fragestellung beitrage. Über die inhaltliche Kommentierung hinaus finden sich umfassende Nachweise zur obergerichtlichen Rechtsprechung, mit der die eigene Argumentation vertieft werden kann.

Dies kann uneingeschränkt auch für die aktuelle 61. Auflage gelten, die insgesamt mehr als 10 Änderungsgesetze und mehr als 160 Vorschriften der stopp und des GVG neu kommentiert. Dabei geht es u.a. um so wesentliche Regelungenwie die Quellen-TKÜ und die Online-Durchsuchung, sowie um die Vermögensabschöpfung.

ZWar erscheint im April 2021 bereits die 64. Auflage; dennoch soll hier stellvertretend die 61. Auflage besprochen werden. Selbstredend wurden auch alle zwischenzeitlich neu ergangenen BGH- und andere Entscheidungen verarbeitet, so die zu legendierten Kontrollen des BGH (NJW 17, 3173), des BVerfG zu den Zulässigkeitsvoraussetzungen für ein Klageerzwingungsverfahren (NJW 17, 3141) oder des EGMR zur Verwertung der durch eine rechtswidrige Durchsuchung erlangten Beweise.

Schon diese drei Beispiele machen deutlich, dass es sinnvoll, notwendig und geboten ist, dass sich Polizeipraktiker*innen, gleich ob der Schutz- oder der Kriminalpolizei angehörend, mit dem jeweils neusteten Stand der Gesetzgebung, aber auch der Rechtsprechung vertraut machen. Nur so kann rechtswidriges polizeiliches Handeln verhindert werden, wenn bspw. ein Bürger dazu genötigt wird, Handyaufnahmen zu löschen, obwohl dies unzulässig ist – wie dies jüngst wieder einmal geschehen ist, und später eingeräumt werden musste, dass den eingesetzten Beamten nicht bekannt war, dass eine Löschung von Aufnahmen nicht verlangt werden dürfe[1]. Auch wenn diese Frage nicht unbedingt direkt strafprozessual relevant ist, so kann sie indirekt in einem Strafverfahren gegen Polizeibeamte oder gegen betroffene Bürger große Relevanz besitzen.

Behandelt werden in dem Kommentar die legendierten Kontrollen (§ 105 Rdnr. 1 a-c), die ebenfalls von vielen Polizeibeamt*innen für zulässig erachtet werden. Dabei wird verkannt, dass der BGH solche Kontrollen zwar für grundsätzlich zulässig erklärt hat; die ausführlich von Schmitt (aaO. Rdnr. 1c) vorgetragenen Bedenken machen aber deutlich, dass es nicht genügt, sich auf diese Feststellung des BGH zu verlassen, sondern dass jeweils eine Einzelfallentscheidung getroffen werden muss. Genau um diese Entscheidungen auf der Grundlage fundierten Wissens treffen zu können, sollten Polizeibeamt*innen häufiger einmal einen Blick in diesen Kommentar werfen. Zwar sind die Kommentierungen (wie auch hier) oftmals nicht einfach zu verstehen; es genügt aber, wenn sie Zweifel am eigenen polizeilichen Handeln wecken und die Bereitschaft erhöhen, als „gewöhnlich richtig“ eingeschätzte Maßnahmen zu hinterfragen und zu überprüfen.

Daher sollte dieser Kommentar auf jedem Polizeirevier verfügbar sein. Es gibt immer wieder einmal auch im Alltagsgeschehen zeitliche Leerläufe, in denen man sich mit dem Kommentar und dort abgehandelten Rechtsfragen beschäftigen kann – wenn man dies will. Das „Wollen“ kann aber durchaus durch geeignete Maßnahmen der Vorgesetzten „unterstützt“ werden – sofern diese selbst bereit sind, sich angemessen und tagesaktuell zu informieren.

Thomas Feltes, Januar 2021

[1] Vgl. dazu Feltes, „Polizeigewalt & Social Media“; Vortrag, verfügbar hier.