Dominic Kudlacek – Akzeptanz von Videoüberwachung.

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Kudlacek, Dominic; Akzeptanz von Videoüberwachung.; Eine sozialwissenschaftliche Untersuchung technischer Sicherheitsmaßnahmen.; SpringerVS, ISBN 978-3-658-10119-0, Wiesbaden 2015. 164 S., € 34,99

Akzeptanz_von_Videoueberwachung

Dominic Kudlacek liefert – so die Verlagsankündigung – „eine kritische Aufarbeitung der theoretischen und empirischen Literatur zum Thema Akzeptanz von Videoüberwachung in Deutschland. Ferner werden die Ergebnisse einer empirischen Untersuchung zum Thema Videoüberwachung vorgestellt und dabei auch die Einstellungen gegenüber Smart CCTV berücksichtigt. Der Autor behandelt das Thema Videoüberwachung nicht aus einer deterministischen Perspektive. Zugleich verweist er darauf, dass die Legitimität von Überwachung niemals nur durch breite öffentliche Akzeptanz hergestellt werden kann“.
Die Arbeit, als Dissertation in Bochum begonnen und in Wuppertal abgeschlossen, basiert auf einer Umfrage im Rahmen eines Forschungsprojektes, an dem der Autor am Lehrstuhl für Kriminologie der Ruhr-Universität mitgewirkt hat. Im ersten Teil der Arbeit wird zunächst der Stand der Forschung geschildert. Hier werden theoretische Überlegungen zur sozialwissenschaftlichen Dimension der Videoüberwachung erörtert. Dabei werden auch die übergeordneten Themenfelder Überwachung und Kontrolle behandelt. Danach stellt der Autor die Ergebnisse empirischer Untersuchungen vor. Der Autor beansprucht hier, „eine bisher einmalige Gesamtschau der einschlägigen Forschung“ zu liefern. Ob dies auf rund 50 Seiten möglich ist, mag man bezweifeln. Allerdings gelingt es dem Autor, die wesentlichen Ergebnisse der von ihm dargestellten Studien knapp und präzise zusammenzufassen. Leider sind keine Studien nach 2012 aufgenommen, wie generell die Literatur (im ersten Teil der Arbeit) etwas veraltet erscheint (keine Werke nach 2010).
Danach wird die eigene Untersuchung vorgestellt. Zu Beginn wird das methodische Design der Studie beschrieben und begründet. Hypothesen, anhand derer die Fragestellungen entwickelt wurden, sucht man allerdings vergeblich. Warum gerade diese und keine anderen Fragen den Flughafenbesuchern gestellt wurden, erwähnt der Verfasser nicht. Zwar erörtert er die Operationalisierung seiner Variablen; wie er zu den Variablen selbst kommt, erläutert er leider nicht. Die Frage der (sehr) eingeschränkten Repräsentanz der Studie wird ebenfalls nur kurz (auf S. 101) angesprochen. Zudem fragt sich der Leser, welcher Bezug zwischen dem Forschungsprojekt , in dessen Kontext die Befragung stand, und der vorgelegten Studie besteht. Die Arbeit erfasst das Thema Akzeptanz der Videoüberwachung generell; die Befragung selbst fand aber an einem Flughafen (Hannover) und im Kontext des Projektes statt, das sich mit Videoüberwachung an Flughäfen beschäftigte .
Ab S. 103 und bis S. 143 werden die Ergebnisse der Befragungen dargestellt. Anschließend „werden multivariate Analysen besprochen“ (S. 18, Hervorh. von TF) und im sechsten Kapitel (S. 145 – 149) die Ergebnisse „resümiert, kritisch diskutiert und Anknüpfungspunkte für folgende Untersuchungen skizziert“ (aaO.).
Insgesamt handelt es sich um eine Arbeit, in der recht knapp die Ergebnisse einer Befragung am Flughafen Hannover zur Akzeptanz von Videoüberwachung dargestellt werden. Die Zusammenstellung vergleichbarer Studien zu Beginn der Arbeit ist verdienstvoll. Inhaltlich ist die Argumentation des Autors oftmals recht affirmativ und wenig kritisch in Bezug auf die Videoüberwachung (s. z.B. S. 146 f.). Die umfangreichen Studien bspw. aus England werden jedenfalls nicht angemessen rezipiert. Formulierungen wie die, dass die Annahme, „dass Videoüberwachung bestimmte Täter von der Begehung bestimmter Taten an den überwachten Orten abhalten kann“ nicht „abwegig und naiv“ sei (S. 145), ist ein Beispiel dafür – denn abwegig und naiv sind keine wissenschaftlichen Kriterien.
Insgesamt kommt der Verfasser zu dem Ergebnis, dass es „nach den hier vorliegenden Daten daher mindestens zwei Faktoren zu geben (scheint), welche die Einstellung zur Videoüberwachung beeinflussen: Das Empfinden von Kriminalitätsfurcht sowie die Furcht vor Anschlägen. Es ist keinesfalls abwegig, dass (sic) eine als Ausdruck des anderen zu interpretieren, das heißt die Furcht vor Anschlägen als Ausdruck von Kriminalitätsfurcht zu verstehen. Die Effektstärken, die sich in den Regressionsanalysen gezeigt haben, lassen jedoch gegenteiliges vermuten. Es scheint sich um zwei voneinander relativ unabhängige Aspekte zu handeln“. Für eine wissenschaftliche Studie ziemlich viel „Schein“ und wenig Sein. Und wenn der Autor der Auffassung ist, dass sich der Einsatz von Technik „nur durch seinen direkten Nutzen“ rechtfertigen lässt (S. 149), so ist dies doch etwas kurz gegriffen. Gerade die Verbrechensfurcht, mit der sich der Autor auch (leider nicht wirklich vertieft) beschäftigt, hat sehr viele affektive und emotionale Aspekte. Die gilt es zu beachten, nicht nur die (ohnehin zweifelhaften) Erfolge von Videoüberwachung.

[1] S. http://www.bmbf.de/pubRD/Projektumrisse_WS-Sicherheit_im_Luftverkehr.pdf kritisch dazu http://www.heise.de/tp/artikel/32/32859/1.html

[2] http://www.sicherheits-berater.de/startseite/artikel-ohne-abo/hannover-airport-startet-forschungsprojekt-zur-flughafensicherheit.html

Rezensiert von: Thomas Feltes