Max Annas – Die Mauer

Annas, Max; Die Mauer; Rowohlt Taschenbuch Verlag, Hamburg 2016, ISBN 978 3 499 27163 2, 221 S., 12.- Euro

Wenn ein Buch auf Platz 1 der KrimiZEIT-Bestenliste erscheint und in allen Besprechungen so hoch gelobt wird, dass muss es auch gut sein – meint man. So sagt der Deutschlandfunk: „Lange nicht hat ein deutscher Autor so furios, so gewalttätig und so entschieden mit den Bestandteilen des Genres jongliert. Lange nicht ist ein derart radikaler Krimi auf Deutsch erschienen. So groß wie brutal. Als ob es das Kino nie gegeben hätte …“. Und die Süddeutsche Zeitung meint: „Sich ducken, sich verbergen, weglaufen, das macht die Dynamik des Romans aus, seine minutiöse Choreografie. Instinkte bestimmen das Verhalten, das heißt auch: Vorurteile, Aversionen, Rassenhass.“ Für Die Welt ist «Die Mauer» „der schlackenloseste Thriller, der zurzeit zu haben ist: schnell, hart und gefährlich. Ein Gepard in Buchform“.

Und das ist die Handlung: Moses, ein junger farbiger Wissenschaftler an der Fort-Hare-Universität in Südafrika (einer Universität am Ostkap, an der u.a. Robert Mugabe und Nelson Mandela studiert hatten und die bis in die 1960er Jahre die einzige höhere Bildungsanstalt für schwarze Afrikaner in Südafrika war) ist auf dem Weg von seinem Professor zu seiner Freundin, als sein Auto stehen bleibt – in Südafrika immer und überall ein Problem. Nachdem auch sein Handy schlapp macht, versucht er in der nahe gelegenen Gated Community Hilfe zu finden, die von einer MAUER umgeben wird. Dort, in der Welt der Weißen, ist schließlich alles geregelt – so denkt er. Doch: Dort drinnen ist er erst recht ein Außenseiter. Und er begeht einen Fehler.  Zur selben Zeit sind auch Nozipho und Thembi innerhalb der Mauern unterwegs, sie verdienen ihren Unterhalt mit Diebstählen. Was sie nicht wissen: Ausgerechnet in dem Haus, in dem sie Beute zu machen hoffen, wurde gerade erst ein Mord verübt. Über dies alles stolpert Moses, und dies alles macht aus seiner Hoffnung, in geschütztes Terrain zu kommen, einen Alptraum.

Was sich auf den ersten Blick etwas gekünstelt anhört, ist die Rahmenstory, die eben wirklich nicht mehr ist als der Rahmen. Der Roman lebt von der Beschreibung seiner Akteure, und hier muss man dem Autor ein großes Kompliment machen. Man spürt, dass Max Annas in Südafrika gelebt hat (er hat dort an einem Forschungsprojekt zu südafrikanischem Jazz an der University of Fort Hare in East London gearbeitet und ist erst vor kurzem nach Berlin zurückgekehrt). Für seinen ersten Roman «Die Farm» erhielt er übrigens den deutschen Krimipreis.

Jedenfalls: Die rasante Geschichte (Moses ist quasi ständig „on the run“ innerhalb der Mauer) gibt einen Einblick in das Denken und Fühlen sowohl der Weißen, als auch der Farbigen Südafrikaner, und dies ohne ideologisch verkünstelt zu sein oder überhöht zu wirken. Mit Humor und dennoch voller Spannung verfolgt man den Weg von Moses, der sich in der Gated Community natürlich keinesfalls blicken lassen darf, weil er als Farbiger sofort als „Fremder“ und als jemand gesehen würde, der Böses vorhat. Getreu dem Spruch von Karl Valentin: „Fremd ist der Fremde in der Fremde“. Dass Moses dabei dann dennoch Unterstützung bekommt, überrascht – oder vielleicht auch nicht. Lesen!

Rezensiert von:  Thomas Feltes