Entscheidung des BVerfG zum Richervorbehalt

Aus Art. 13 GG ergibt sich die Verpflichtung der staatlichen Organe, dafür Sorge zu tragen, dass die effektive Durchsetzung des grundrechtssichernden Richtervorbehaltes gewährleistet ist. Damit korrespondiert die verfassungs-rechtliche Verpflichtung der Gerichte, die Erreichbarkeit eines Ermittlungs-richters, auch durch die Einrichtung eines Bereitschaftsdienstes, zu sichern. Zu den Anforderungen an einen dem Gebot der praktischen Wirksamkeit des Richtervorbehalts entsprechenden richterlichen Bereitschaftsdienst gehört die uneingeschränkte Erreichbarkeit eines Ermittlungsrichters bei Tage, auch außerhalb der üblichen Dienststunden. Die Tageszeit umfasst dabei ganzjährig die Zeit zwischen 6 Uhr und 21 Uhr. Während der Nachtzeit ist ein ermittlungsrichterlicher Bereitschaftsdienst jedenfalls bei einem Bedarf einzurichten, der über den Ausnahmefall hinausgeht.

Wichtig für die polizeiliche Praxis sind insbesondere die Ausführungen unter Rn. 76:

Der Verweis auf die tatsächliche Erreichbarkeit des ermittlungsrichterlichen Bereitschaftsdienstes ist aber nur dann verfassungsrechtlich tragfähig, wenn die konkrete Ausgestaltung den Anforderungen von Art. 13 Abs. 1 und Abs. 2 GG genügt. Danach können Durchsuchungsanordnungen der Staatsanwaltschaft oder ihrer Ermittlungspersonen nicht unter Berufung auf Gefahr im Verzug gerechtfertigt werden, wenn diese gerade aus der unter Verstoß gegen Art. 13 Abs. 1 und Abs. 2 GG unterbliebenen Einrichtung eines ausreichenden ermittlungsrichterlichen Bereitschaftsdienstes resultiert. Zwar kann den Ermittlungsbehörden in einem solchen Fall keine Pflichtverletzung vorgeworfen werden; darauf kommt es indes auch nicht an. Denn die Verpflichtung, die Voraussetzungen für eine tatsächlich wirksame präventive richterliche Kontrolle zu schaffen, richtet sich an alle staatlichen Organe. Diese Verpflichtung könnte unterlaufen werden, wenn die Rechtmäßigkeit von Eingriffsmaßnahmen in das Grundrecht aus Art. 13 Abs. 1 GG letztlich mit einem dauerhaft Art. 13 Abs. 2 GG verletzenden Zustand der Gerichtsorganisation begründet werden könnte. Verletzen die Gerichtspräsidien ihre Pflicht zur Einrichtung eines das Regel-Ausnahme-Verhältnis des Art. 13 Abs. 2 GG wahrenden ermittlungsrichterlichen Bereitschaftsdienstes und stützen die Ermittlungsbehörden ihre Anordnungskompetenz deswegen auf Gefahr im Verzug, führt dies zur Rechts- und Verfassungswidrigkeit der Durchsuchungsanordnung. Bei freiheitsentziehenden Maßnahmen dürfte kaum ein niedrigerer Standard anzulegen sein.

Quelle: https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2019/03/rs20190312_2bvr067514.html