Christoph Keller – Persönlichkeitsrecht von Polizeibeamten – Polizeibeamte im Spannungsverhältnis zwischen Amtsträger und „Bürger in Uniform“ – Rezensiert: Bijan Nowrousian

Keller, Christoph; Persönlichkeitsrecht von Polizeibeamten – Polizeibeamte im Spannungsverhältnis zwischen Amtsträger und „Bürger in Uniform“; VDP-Verlag, Hilden 2019; 480 Seiten; ISBN 9783801108243, 34.90 Euro

Fotos von sich während der Begleitung einer Demonstration, abwertende Kommentare im Rahmen einer Kontrolle, „Hausbesuche“ durch Beschuldigte – muss man sich dies als Polizeibeamter gefallen lassen? Diese Fragen sind leider nicht nur theoretischer Natur. Der spürbar abnehmende Respekt zumindest in politisch extremen und in kriminogenen Milieus gegenüber der Polizei lassen Grenzüberschreitungen gegenüber eingesetzten Beamten mehr und mehr zum Regelfall werden, auch bis in den privaten Bereich hinein. Was also muss man sich als Polizeibeamter hier „bieten lassen“? Wo ist die Grenze erreicht, an der man solches Verhalten rechtlich abwehren darf?

Doch nicht nur das Verhalten des polizeilichen Gegenübers kann neue Rechtsfragen aufwerfen. Auch die Wünsche und Vorstellungen über die Vereinbarkeit von privaten Lebensentscheidungen und dem Polizeiberuf können dies, gerade in Zeiten von Wertewandel und Digitalisierung. Darf man trotz großflächiger Tattoos Polizeibeamter werden? Und muss man einer Kollegin die Hand schütteln, auch wenn man meint, dies aus religiösen Gründen nicht zu „dürfen“?

Mit diesen hochaktuellen und hochbrisanten Fragen befasst sich das neue Buch von Polizeidirektor Christoph Keller, Dozent an der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung NRW/ Studienort Münster. Sein Werk „Persönlichkeitsrecht von Polizeibeamten“, erschienen im Verlag Deutsche Polizeiliteratur, behandelt die Frage nach den Persönlichkeitsrechten von Polizeibeamten dabei, und das ist das erste große Verdienst des Werkes, umfassend – unter allen rechtlichen Gesichtspunkten und allen gängigen wie aktuellen Fallkonstellationen der Praxis.

Die zehn Hauptkapitel des Buches sind dabei:

  • das allgemeine Persönlichkeitsrecht,
  • Kommunikationsgrundrechte,
  • Ehrverletzungsdelikte,
  • das Recht am eigenen Bild,
  • das Recht am eigenen Wort,
  • Tatmittel Internet,
  • Widerstand gegen die Staatsgewalt,
  • Datenschutz im Arbeits- und Dienstverhältnis,
  • Persönlichkeitsrechte im öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis sowie
  • Rechtsschutz

Die Darlegung liest sich jeweils sehr flüssig und ist zugleich detailreich und doch immer erkennbar an einem roten Faden wie an großer Praxisrelevanz orientiert. Dies zeigt sich in den zahlreichen Praxisbeispielen. Es zeigt sich ebenso in der bei der Lektüre besonders hilfreichen Vorgehensweise, jedes Kapitel mit einer Kurzzusammenfassung zu versehen und Abwägungsvorgänge in Übersichten darzustellen (etwa zum „allgemeinen Persönlichkeitsrecht versus Medienfreiheit“, Seite 170). Trotz der großen Stoff- und Themenfülle behält man so als Leser immer den Überblick und kann das Werk sowohl als Lehrbuch wie auch als Nachschlagewerk mit hohem Gewinn und guter Handhabbarkeit nutzen.

Positiv hervorzuheben ist neben der Vollständigkeit und Übersichtlichkeit weiter auch und gerade die besondere Aktualität des Werkes – wie etwa bei den oben angesprochenen Themenfeldern zu den Grenzen religiöser Betätigung im Dienst (S. 403 ff.) und Tattoos als Einstellungshindernis (S. 367 ff.), aber auch etwa der Teilnahme von Polizeibeamten an sozialen Netzwerken (S. S. 354 ff.) und der Berichterstattung einiger Medien nach den Krawallen im Rahmen des G20-Treffen in Hamburg (S. 86 f.). Gerade angesichts der schnellen Entwicklungen im behandelten Themenbereich garantiert dies einen hohen Nutzwert.

Erfreulich ist weiterhin, das Keller auch vor kontroversen Themen wie etwa der Frage nach den Regeln und Grenzen der medialen Befassung mit Kriminalfällen (S. 83 ff.), der ausreichenden Unterstützung beleidigter Polizeibeamte durch Dienstvorgesetzte (S. 140 ff.), der Frage danach, ob die Grenze strafbarer Beleidigung durch das Bundesverfassungsgericht nicht zu eng gezogen ist (S. 135 ff.), aber auch dem „Dauerbrenner“ Kennzeichnungspflicht (S. 390 ff.) oder hochsensiblen Themen wie Mobbing und sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz (S. 413 ff.) nicht ausweicht, bei den Beurteilungen aber stets das oft bestehende besondere Spannungsfeld der Rechtsmaterie, etwa beim Widerstreit von Persönlichkeitsrechten und Meinungsfreiheit, mitbedenkt. Er kommt so zu klugen und ausgewogenen Stellungnahmen, die den jeweiligen Debattenstand bereichern und den Leser zu eigenem Nachdenken anregen.

Mit dieser Mischung aus Grundsätzlichem und Aktuellem, aus breiter theoretischer Fundierung und Praxisbezug, aus Vollständigkeit und einer Darstellung „auf den Punkt“ erweist sich das neue Werk von Keller für jede Art der Nutzung bestens geeignet: Sowohl der Praktiker, der eine rasche Antwort auf eine konkrete Rechtsfrage braucht, wie auch derjenige, der mit wissenschaftlicher Tiefe an einen Aspekt der Thematik herangehen will, bis hin zum das Ganze Themenfeld für sich erschließenden Leser findet jeder Nutzer in dem Werk von Keller einen ebenso verlässlich informierenden wie für gerade sein Anliegen hilfreichen Ratgeber.

Und ein solcher Ratgeber wird nicht nur jetzt schon dringend gebraucht. Die steigende Sensibilität von Polizeibeamten für ihre Persönlichkeitsrechte einerseits und die fortschreitende technische Entwicklung und damit die Möglichkeit, Persönlichkeitsrechte zu verletzen sowie die leider zunehmende Respektlosigkeit gegenüber Polizeibeamten andererseits werden den Bedarf an ebenso umfassenden wie aktuellen Ratgebern in diesem Themenfeld in Zukunft noch erhöhen. Kellers Werk kommt daher gerade zur rechten Zeit. Und mit seinem umfassenden Anspruch und seiner hohen Tauglichkeit für jeden Ratsuchenden hat es in seinem Bereich das Potenzial zum Standardwerk.

Rezensiert: Bijan Nowrousian