Karlhans Liebl – Das Dunkelfeld der Kriminalität in Hessen – Rezensiert von: Thomas Feltes

Liebl, Karlhans; Das Dunkelfeld der Kriminalität in Hesse; Verlag für Polizeiwissenschaft, Frankfurt/Main, 2019, 115 S., ISBN: 978-3-86676-550-4, 19.90 Euro

Nach den Dunkelfelduntersuchungen, die der Autor im Freistaat Sachsen durchgeführt hat, legt er nun eine weitere Untersuchung zu diesem Forschungsgegenstand für das Bundesland Hessen vor. Auch für dieses Bundesland lag bisher keine vergleichbare Untersuchung vor, sodass nun zum ersten Mal Hinweise auf die (so der Autor) „tatsächliche Kriminalitätsbelastung“ in Hessen vorliegen und andererseits auch für die gesamte Forschung zum Kriminalitätsaufkommen weitere interessante Ergebnisse erzielt werden konnten. So konnte festgestellt werden, dass eine Viktimisierung starke Auswirkungen auf die Kriminalitätsfurcht und auf das Freizeitverhalten der Bevölkerung hat.

Leider ist die für diese Studie angewendete Methode nur bedingt geeignet, um tatsächlich repräsentative Ergebnisse zu erzielen. Liebl hat von Studierenden der Polizeihochschule „ca. 4.000 Befragungsbögen in Hessen“ verteilen lassen (S. 1), wobei sowohl die Unterstützung der hessischen Polizei dort erwähnt wurde (was sicherlich einige Befragte von einer Beantwortung des Fragebogens abgehalten hatte), als auch unklar bleibt, wie viele Fragebögen tatsächlich verteilt wurden und vor allem, wie diese Verteilung im Einzelnen erfolgte.

Insgesamt kamen 1.356 Fragebögen zurück, aus denen der Autor eine Rücklaufquote von 32,3 % errechnet – wobei er hier von 4.200 verteilten Fragebögen ausgeht. Bei den sog. „Gütekriterien“ stellt der Verfasser dann lediglich auf das Alter und die Verteilung auf Stadt und Land ab; Bildungsstand und andere relevante Faktoren bleiben unberücksichtigt. Im Ergebnis zeigt sich hier eine deutliche Verfälschung: Während im sog. „Landbereich“ lt. Statistischem Landesamt fast 64 % der hessischen Bevölkerung wohnen, sind in der Studie von Liebl nur 48,6 % diesem Bereich zuzuordnen. Entsprechend sind mittlere und größere Städte überrepräsentiert – und da bekanntlich dort die (zumindest die registrierte) Kriminalität höher ist als auf dem Land, liegt hier eine deutliche Verzerrung vor. Auch bei Alter und Geschlecht zeigen sich deutliche Unterschiede. So sind Frauen in der Befragung über-, ältere Menschen aber unterrepräsentiert in der Befragung. Wieso der Autor dann zum dem Schluss kommt, dass „die Untersuchung repräsentative Ergebnisse für das Bundesland Hessen liefert“ (S. 5) bleibt sein Geheimnis.

Insgesamt waren in der Studie 58,9 % der Befragten 2015 von einer Viktimisierung betroffen (s. 94). Zum Vergleich : In der 2015/16 in Bochum durchgeführten Studie „Bochum IV“ lag dieser Prozentsatz bei lediglich 15 %[1]. Auch die Angabe, wonach auf jedes Opfer 5,6 Vorfälle entfielen, sollte zum Nachdenken Anlass geben.

Insgesamt wäre es zu wünschen, dass die Polizei Hessen bzw. das Innenministerium die finanziellen Mittel für eine wirklich repräsentative Studie zur Verfügung stellt.

[1] Feltes/Reiners: Sicherheit und Sicherheitsgefühl in Bochum. Exemplarische Befunde der Bochumer Dunkelfeldstudie 2015/2016 (»Bochum IV«). In: MSchrKrim 2019, 102(2): 1–15.

Rezensiert von: Thomas Feltes