Robert Chr. Van Ooyen; Irina van Ooyen: Polizei und politisches System in der Bundesrepublik. Rezensiert von Carsten Lauber

Robert Chr. Van Ooyen; Irina van Ooyen: Polizei und politisches System in der Bundesrepublik. Aktuelle Spannungsfelder der Inneren Sicherheit einer liberalen Demokratie, 6. Auflage. Frankfurt am Main, Verlag für Polizeiwissenschaft, 2020, 297 Seiten, ISBN: 978-3-86676-620-4, 32.90 Euro

Bei diesem Buch handelt es sich um die 6. Auflage des Sonderbands 8 des Jahrbuchs Öffentliche Sicherheit. Das Inhaltsverzeichnis ist über die Deutsche Nationalbibliothek abrufbar[1]. Der Umfang des Buches ist gegenüber der Vorauflage um 46 Seiten gestiegen und seit der ersten Auflage im Jahr 2011 hat sich dieser mehr als verdoppelt. Die Aufsätze stammen aus den Jahren 2000 bis 2019 (S. 14). Im direkten Vergleich mit der Vorauflage fällt vor allem das neue Kapitel „Externe Kontrolle der Polizei durch ‚Kommissionen‘ sowie die deutliche Ausweitung des Kapitels „Die ‚verspätete‘ Polizeiwissenschaft in Deutschland“ auf. Ausweislich des Vorworts versteht sich die Zusammenstellung der Aufsätze als Beitrag einer „Neuen Polizeiwissenschaft“ (S. 14).

Eine grundlegende Rezension der bereits publizierten Aufsätze in diesem Sammelband ist entbehrlich, erschienen sie bereits u.a. in Polizei & Wissenschaft, Die Polizei oder Aus Politik und Zeitgeschichte oder diversen Sammelbänden. Die Wiederveröffentlichung einiger (älterer) Beiträge (zum Teil handelt es sich um Rezensionen) ist aus Gründen der Aktualität oder Anschlussfähigkeit nicht immer unproblematisch, spätestens dann, wenn z. B. die vielfältig genannten Internetquellen nicht mehr verfügbar sind. Auf der anderen Seite laden (Gast-)Beiträge wie der von Martin Möllers (S. 79 ff) aus dem Jahrbuch Öffentliche Sicherheit 2012/2013[2] über die Tätigkeit der sog. Werthebach-Kommission zum Neu- oder Wiederentdecken ein.

Auffällig ist die Fokussierung auf die Bundespolizei, die sich durch die vormalige Tätigkeit der Koautorin begründen lässt. Einige der Beiträge fallen durch eine recht plakative und kriminalpolitische Ausrichtung auf, andere durch einen mitunter (zu) niedrigschwelligen Zugang zum Thema. Im Detail ergeben sich dann doch hin und wieder Unschärfen. In dem durchaus informativen Beitrag zum Community Policing (S. 198 ff) finden die originären Zuständigkeiten der Kommunen im Bereich der Gefahrenabwehr zu geringe Berücksichtigung. Ohnehin rekurriert dieser Aufsatz auf die prominenten Facetten des Community Policing-Diskurses in Deutschland. Unberücksichtigt bleiben beispielsweise (und leider wieder einmal) diejenigen Stimmen, die via Community Policing versuchten, „die Rolle und Funktion der Polizei im Gemeinwesen neu zu überdenken“[3], denn bürgernahe Polizeiarbeit kann nur „mit veränderten Organisations- und Managementstrukturen bei der Polizei“[4] einhergehen, die polizeiliches Handeln an die (Alltags)Probleme und Konflikte der Bürger/-innen ausrichten[5]. Die regelmäßig wiederkehrende Feststellung, wonach bereits die bloße Präsenz von Sicherheitsakteuren (hier: ABM-Sheriffs und Sicherheitspartnerschaften, S. 203) zur Erhöhung des Sicherheitsempfindens beitragen, sollte zumindest in der Fachliteratur differenzierter dargestellt werden. Aus soziologischer Sicht überzeugt in diesem Beitrag zudem die Trennung zwischen Polizei(aufgaben) und (bürgerlicher) Sozialkontrolle nicht (formelle vs. informelle Sozialkontrolle).

Der umfangreichste und letzte Beitrag befasst sich mit der Polizeiwissenschaft in Deutschland (S. 233 ff). Es handelt sich um einen Auszug aus einer Monografie der Koautorin. Die These des Beitrags, wonach sich eine Polizeiwissenschaft in Deutschland bislang nicht etablierten konnte, ist zwar nicht neu[6], wird allerdings an dieser Stelle umfangreich aufbereitet. Die Autorin kommt dabei zu dem Ergebnis, dass sich eine unzureichende Polizeiwissenschaft etabliert hat (S. 234). Angesichts der mitunter älteren Beiträge in diesem Sammelband sticht dieser Aufsatz mit seiner Aktualität hervor. So berücksichtigt die Autorin bereits den Vorschlag des Präsidenten der DHPol, Hans-Jürgen Lange, die Polizeiwissenschaft den Verwaltungswissenschaften zuzuordnen. Ein Vorschlag, der bereits angesichts des gesetzlichen Auftrags der DHPol aus § 4 Abs. 2 DHPolG nicht unproblematisch ist, hat doch die Hochschule die Aufgabe, die Polizeiwissenschaft durch Forschung, Lehre, Studium und Weiterbildung zu pflegen und zu entwickeln. Darauf aufbauend hätte sich, ergänzend zu dem Querverweis auf eine mögliche „Sicherheitswissenschaft“ (S. 268), angeboten, den Begriff des Polizierens in den Kontext der Frage nach der Polizeiwissenschaft zu stellen.

Im Ergebnis handelt es sich bei dem Sammelbund um einen bunten Mix aus Aufsätzen, Rezensionen und Auszügen aus Monografien. Da etliche Beiträge bereits in bekannten Fachzeitschriften erschienen sind, ist die Frage, an wen sich der Band richtet, nicht einfach zu beantworten. Im einfachsten Fall an diejenigen, die sich mit dem Werk der Autoren gebündelt auseinandersetzen möchten. Die Einbeziehung von einigen älteren Beiträgen überzeugt nicht immer. Trotz guter Papierqualität stören vor allem drucktechnische Fehler auf etlichen Seiten (in der Hoffnung, dass dies nur das Rezensionsexemplar betrifft).

Karsten Lauber, April 2020

[1] Verfügbar unter http://d-nb.info/1203984928.

[2] Vgl. https://www.jbös.de/buecher/archiv. Abgerufen am: 26.04.2020.

[3][3] Feltes, T. (1990): Polizei, Bürger und Gemeinwesen, in: Neue Kriminalpolitik, Nr. 4/1990, S. 32-39.

[4] Baier,R.; Feltes, T. (1994): Kommunale Kriminalprävention, in: Kriminalistik, 11/1994, S. 693-697.

[5] Vgl. Feltes, T. (1990): Polizei, Bürger und Gemeinwesen, in: Neue Kriminalpolitik, Nr. 4/1990, S. 32-39.

[6] Vgl. Polizei & Wissenschaft, Nr. 1/2015.