Frank Kawelovski, Illustrierte Polizeigeschichte Nordrhein-Westfalens. Chronik 1945 – 2020. Rezensiert von Thomas Feltes

Frank Kawelovski, Illustrierte Polizeigeschichte Nordrhein-Westfalens. Chronik 1945 – 2020. 386 Seiten, 155 teils farbige Fotografien, Index mit über 2000 Stichwörtern. Kawelovski Eigenverlag, Mühlheim 2020, ISBN 978-39822560-0-9, 16,90 Euro

Polizeigeschichte ist eine in Deutschland wenig bekannte und kaum vertretene Wissenschaftsdisziplin. Einer derjenigen, der sich als Chronist, als Kriminalist und als Wissenschaftler damit beschäftigt ist Frank Kawelovski, dessen neuestes Buch hier vorgestellt wird.

Es gibt zwar eine 1989 gegründete Deutsche Gesellschaft für Polizeigeschichte e.V., die auch eine eigene Schriftenreihe herausgibt; eine intensive sozialwissenschaftliche oder kriminologische Beschäftigung mit der Geschichte der Polizei findet sich seit einigen Jahrzehnten eher selten. Das war in den 1980er Jahren noch anders, als die Studie von Falco Werkentin (Die Restauration der deutschen Polizei: innere Rüstung von 1945 bis zur Notstandsgesetzgebung, Frankfurt 1984) für Beachtung sorgte, ebenso wie der von Busch, Funk, Kauß, Narr und Werkentin herausgegebene Band „Die Polizei in der Bundesrepublik Deutschland“ (Frankfurt 1985). Auch der weniger fundierte Band „Deutsche Polizeigeschichte: Eine allgemeine Einführung in die Grundlagen“ von Harnischmacher, Semerak und Wegener stammt aus den 1980er Jahren. Wer beispielsweise zum Stichwort „Polizeigeschichte“ im Verzeichnis antiquarischer Bücher recherchiert, dem werden vor allem Kinderbücher mit „Polizeigeschichten“ angezeigt.

Umso verdienstvoller ist es, dass Frank Kawelovski, Polizeibeamter und Dozent an der Fachhochschule der Polizei NRW, sich die Mühe gemacht hat, eine Chronik der Polizei NRW für die Jahre 1945 bis 2020 vorzulegen. Zwar ist das Buch keine wissenschaftliche Analyse, und will es auch nicht sein. Aber es ist ein guter Steinbruch für all diejenigen, die bestimmte Ereignisse in NRW nachrecherchieren oder sich einen Überblick über die Entwicklung der Polizei in diesem Bundesland verschaffen wollen.

Sein Handwerk hat der Autor bei der Polizei gelernt, wo er seit 1980 tätig ist. Von 1991 bis 2014 war er Ermittler in verschiedenen Kommissariaten des Polizeipräsidiums Essen. 2010 – 2012 hat er das Masterstudium der Kriminologie und Polizeiwissenschaft an der Ruhr-Universität Bochum absolviert, nachfolgend dort seine Promotion zum Doktor der Rechte abgeschlossen.Seine Kritik an der Erfassung von Einbruchdiebstählen in der polizeilichen Kriminalsiatistik war nicht nur Thema seiner Masterarbeit, sondern hat auch in der medialen Öffentlichkeit und der Politik für Interesse gesorgt. Mit Einbrüchen in Gewerbeobjekte hat er sich dann in seiner Dissertation beschäftigt. Seit 2014 ist Kawelovski Dozent für Kriminalistik und Kriminaltechnik an der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung in Duisburg.

Von zerbombten Polizeipräsidien und unbewaffneten Polizisten auf uralten Fahrrädern zur hochtechnisierten, akademisierten Polizei: Diese Chronik der nordrhein-westfälischen Polizei spannt, so der Klappentext, „den Bogen über 75 bewegte Jahre einer Institution, die gleichermaßen fasziniert wie polarisiert“. Das vorliegende Buch versucht nicht zu erklären, sondern unter weitgehendem Verzicht auf Bewertungen zu dokumentieren. In 1.170 Einzelereignissen und mit 155 größtenteils noch unveröffentlichten Fotografien wird die Polizei und ihre Arbeit dargestellt. Ihre technischen und taktischen Entwicklungen, ihre Organisationsveränderungen, ihre Einstellungen und ihr Bild in der Bevölkerung werden genauso nachgezeichnet wie die demografischen Veränderungen bei den Mitarbeitern. Themen sind sowohl Erfolge, als auch Misserfolge, „ihre Helden und ihre schwarzen Schafe“ oder ihre Veränderung durch gesellschaftliche, politische und gesetzgeberische Einflüsse. In den zahlreichen Artikeln, deren Quellen immer für Recherchezwecke benannt werden, wird die Normalität des Polizeialltags ebenso abgebildet wie das Aufsehenerregende, Tragische und Kuriose. Das gewaltsame Sterben von Polizeibeamten, die sich dem Schutz ihrer Mitbürger verschrieben hatten, kommt ebenso zur Sprache der Tod von Bürgern durch polizeilichen Schusswaffengebrauch.

Neben der chronologischen Darstellung zahlreicher Einzelereignisse aus 75 Jahren der NRW-Polizei soll dieses Buch auch eine Funktion als Nachschlagwerk zur Polizeigeschichte erfüllen. Daher findet der Leser als Anhang zur Chronik einen Index mit mehr als 2.000 Stichwörtern. Vervollständigt wird dies durch ein umfangreiches Namensverzeichnis all der Menschen, die in den einzelnen Artikeln der Chronik aufgeführt sind.

Das Buch ist ein „Muss“ für all diejenigen, die über den engen Tellerrand des Alltags hinausschauen wollen und sich ein unverstelltes Bild der Entwicklung der Polizei machen wollen. Übrigens kann man eine Leseprobe und das Stichwortverzeichnis hier herunterladen.

Und zum Schluss: Ebenso ansehenswert ist die Website des Autors, auf der auch wissenschaftliche Aufsätze und Monografien des Autors verzeichnet sind, ebenso wie Material zu interessanten Einzelthemen und Zeitzeugenberichte verfügbar sind. Sehr empfehlenswert!

 

Thomas Feltes, Mai 2021