Frank Kawelovski, Thermospuren. Wärmeabstrahlungen als Tatortspuren und Hilfsmittel der Polizeiarbeit. Rezensiert von Thomas Feltes

Frank Kawelovski, Thermospuren. Wärmeabstrahlungen als Tatortspuren und Hilfsmittel der Polizeiarbeit. 124 S., ISBN 978-3-9822560-1-6, Eigenverlag, 2021, 16,90 Euro

Straftaten werden entweder durch Beweise oder Zeugenaussagen aufgeklärt. Vor Gericht gelten die sog. „objektiven“ oder Sachbeweise besonders stark, da sie, so glaubt man, im Gegensatz zu „subjektiven“ Beweisen (also Aussagen von Zeugen oder Angeklagten) als besonders valide gelten. Zwar gibt es eine sog. „kriminalistische Beweislehre“; entscheidend für das Strafverfahren ist aber, was in der sog. „Beweisaufnahme“ der Hauptverhandlung (s. § 244 StPO) festgestellt wird. Mit einer besonderen Form von Beweisen, den Thermospuren, beschäftigt sich dieses Buch.

Die Aufklärung von Straftaten ist auf Beweise auch deshalb angewiesen, weil man die Tat in ihren Abläufen nachvollziehen will. Einen maßgeblichen Anteil an der Tataufklärung haben – abhängig vom Delikt – die Tatortspuren. Der Umgang mit vielen Spurenarten wie daktyloskopische, Werkzeug-, Schuh-, Blut-, Speichel- oder digitale Spuren gehört zum täglichen Brot der Polizei. In ihrem Potential bislang unbeachtet geblieben ist die Tatsache, dass Täter und Opfer von Straftaten neben vielen anderen Spuren auch Wärmerückstände am Tatort zurücklassen. Dort, wo ein Mensch handelt, hinterlässt er unmittelbar durch seine Körperwärme, aber auch durch die Bedienung von technischen Geräten wie Kaffeemaschinen, Lampen, Kraftfahrzeugen oder Warmwasserhähnen an Badewannen und Waschbecken Wärmesignaturen. Diese Wärmeabstrahlungen lassen Rückschlüsse auf Ereignisse zu, die sich Minuten oder Stunden zuvor an einem Tatort ereignet haben. Sie können aber auch Auskunft über die Zahl der Personen am Tatort oder ihre Fluchtrichtung geben.

Entscheidende Vorteile dieser Spurenart, mit der sich das Buch von Kawelovski beschäftigt, und die er als „Thermospuren“ bezeichnet, sind die Tatsachen, dass sie für Täter weitgehend unvermeidbar sind, anders als andere Spuren Auskunft über den Zeitpunkt ihrer Entstehung geben und mit Wärmebildkameras sehr leicht zu finden und zu sichern sind. Der größte Nachteil, den Thermospuren besitzen, ist hier schnelle Flüchtigkeit. Während sich Körperwärmespuren je nach Umständen zwischen wenigen Minuten und einer Stunde halten können, lässt sie die Bedienung technischer Geräte über mehrere Stunden, teils über halbe Tage hinweg nachweisen. Der Tatsache der Flüchtigkeit von Thermospuren kann nur durch eine flächendeckende Ausstattung von Polizeikräften mit Wärmebildkameras begegnet werden. Die ersteintreffenden Kräfte an einem Tatort sind am ehesten in der Lage, Thermospuren am Tatort zu sichern. Derartige Geräte stehen heute schon in guter Qualität für einen verhältnismäßig geringen Preis zur Verfügung. Wärmebildkameras können Polizeibeamten aber nicht nur zur Arbeit mit Tatortspuren, sondern auch zur Entdeckung verborgener oder zur Verfolgung flüchtiger Personen dienen.

Der Verfasser dieses Buches hat über mehrere Monate hinweg ein Forschungsprojekt zur Feststellung und Messung von Thermospuren und der Geschwindigkeit ihres Wärmeverlustes ausgeführt. Die durchgeführten Experimente wurden so gestaltet, dass sie Situationen entsprachen, wie man sie als Ermittler auch an einem Tatort vorfinden kann. Die Ergebnisse dieser Versuchsreihe finden Sie mit umfangreicher Illustration durch Thermobildaufnahmen in diesem Buch. Die Arbeit beschäftigt sich nicht nur mit den durchgeführten Versuchen, sondern führt auch kurz in relevante Aspekte der Wärmelehre ein und beleuchtet Vor- und Nachteile von Thermospuren sowie den Forschungsbedarf, der noch befriedigt werden muss, um die Arbeit mit Thermospuren zu einem erfolgreichen Baustein forensischer Polizeiarbeit zu machen.

Die Idee der Beschäftigung mit Thermospuren ist, so der Autor auf S.3 des Buches, beim Besuch eines befreundeten Ingenieurs entstanden. Er führte mir im Rahmen des Besuches recht enthusiastisch seine Wärmebildkamera vor, die er bei der Behandlung von Problemen in öffentlichen Schwimmbädern als Handwerkszeug benötigt. Im Laufe der Vorführung stellte er sich auch kurz auf Strümpfen auf den Fliesenboden seiner Diele und richtete danach die Kamera auf die Stelle, an der er unmittelbar zuvor gestanden hatte. Sehr eindrucksvoll zeichneten sich dabei im Display der Kamera seine Fußsohlen und seine Zehen auf dem Boden ab.

Da Kawelovski als Dozent an einer Hochschule Kriminaltechnik unterrichtet, kam ihm beim Anblick der scharf konturierten Fußsohlen sofort der Gedanke an die Fußspuren, über die ich meine Studierenden im Rahmen des Themas „Daktyloskopie“ aufkläre. Weitere Fragen waren dann u.a.: Wie lange sind solche Wärmespuren denn möglicherweise sichtbar zu machen? In welcher Weise man solche Spuren für die Tatartarbeit in Kriminalfällen nutzen?

Diese und weitere Fragen behandelt Kawelovski in seinem Buch durchgängig verständlich und nachvollziehbar. Das Buch lebt jedoch von den vielen farbigen Abbildungen (wie man sie auch auf dem Buchcover sehen kann), mit denen deutlich gemacht wird wie Thermospuren aussehen und was man aus ihnen entnehmen kann – und was nicht.

Insgesamt ein nicht nur für Kriminalisten wertvolles Buch; vielmehr sollten es auch Staatsanwälte und Strafrichter kennen, ihre Bibliotheken sollten es vorhalten.

Thomas Feltes, Juni 2021