Park, Tido[1] „Durchsuchung und Beschlagnahme“[2], ISBN: 978-3-406-75805-8, 356 Seiten, C. H. Beck, München, 5. Auflage 2022, 95.- €.

Das von Tido Park in der 1. Auflage 2002 begründete und aktuell in der 5. Auflage fortgeführte Werk (mit Rechtsstand Januar 2022, in Einzelfällen jedoch darüber hinaus, z. B. zur ersten Entscheidung des BGH i. S. Verwertbarkeit der im Ausland heimlich erlangten sog. EncroChat-Daten vom 08.02.2022) erscheint bei C. H. Beck in der Reihe NJW Praxis.

Durchsuchung (§§ 102, 103 StPO) und Beschlagnahme (§§ 94, 98 StPO) als grds. offene strafprozessrechtliche Standardmaßnahmen gelten trotz beachtlicher Zunahme verdeckter Eingriffs­befugnisse im Strafprozessrecht, z. T. in Anpassung an die fortschreitende Digitalisierung unserer Umwelt, nach wie vor als die wichtigsten und häufigsten Ermittlungsmaßnahmen, entweder im Anschluss an vorbereitende heimliche Maßnahmen oder generell als Auftakt des Ermittlungs­verfahrens auf Grundlage eines Anfangsverdachts. Die „Durchsuchung“ hat in Form der massiv in die Rechte Betroffener eingreifende „Online-Durchsuchung“ (§§ 100b, 100d, 100e, 101, 101b StPO) jedoch auch eine in beachtlichen Teilen der Literatur kritisch kommentierte verdeckte Komponente, die der beachtlichen Eingriffstiefe angepasst strengen Verfahrensregeln unterliegt.

Die relevanten Normen (s. o.) sind über die Jahre zwar weitgehend unverändert geblieben. Dennoch hat sich seit der Vorauflage des Kompendiums im Jahr 2018 im Recht der Durchsuchung und Beschlagnahme legislativ wie auch judikativ Einiges fortentwickelt, sodass nach knapp vier Jahren eine beachtlich fortentwickelte Neuauflage erfor­derlich war. Sie ist im Umfang um 28 auf 356 Seiten gewachsen, dennoch erreicht sie das Volumen der beiden ersten Auflagen mit jeweils deutlich über 400 Seiten nicht. Das spricht in erster Linie für die Prägnanz der Kommentierungen des Autors, die durch viele praktische Hinweise und hilfreiche Checklisten angereichert werden. Als wesentliche in die Neu­auflage aufgenommene legislative Modifikationen der Materie erwähnenswert sind u. a.

  • die neu in die StPO aufgenommene Möglichkeit der Zurückstellung der Benachrichtigung des Beschuldigten von einer Beschlagnahme (§ 95a StPO neu, im Rahmen des „Gesetzes zur Fortentwicklung der StPO und zur Änderung weiterer Vorschriften“, BGBl. I, S. 2099 vom 25.06.2021), wodurch die Beschlagnahme für den Beschuldigten unter bestimten Umständen ebenfalls zu einer „heimlichen Ermittlungsmaßnahme“ werden kann,
  • die Erweiterung des § 99 StPO – „Postbeschlagnahme“ – (ebenfalls im Rahmen des „Gesetzes zur Fortentwicklung der StPO und zur Änderung weiterer Vorschriften“, s. o.) um ein Auskunftsverlangen, auch wenn sich die Postsendungen nicht mehr im Gewahrsam des Dienstleisters befinden,
  • die Veränderung der Nachtzeitregelung für Durchsuchungen von Räumen, § 104 StPO (im Zuge desselben Gesetzgebungsverfahrens) oder aber
  • die in 2021 erfolgte mehrmalige Erweiterung des Tatbestandskataloges des § 100b Abs. 2 StPO (zuletzt im Rahmen des „Gesetzes zur Änderung des StGB – Strafbarkeit des Betreibens krimineller Handelsplattformen im Internet“, BGBl. I, S. 3544 vom 01.10.2021)

sowie zahlreiche interessante obergerichtliche und höchstrichterliche Ent­scheidungen, der Autor erwähnt im Vorwort insbesondere die beachtenswerte Entscheidung des BVerfG zur Zulässigkeit des zwangsweisen Zugriffs auf Unterlagen aus unternehmensinternen Untersuchungen am Beispiel des Falles „VW/Jones Day“ (BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 27.06.2018, 2 BvR 1405/17), in welcher sich die Kammer mit der Durchsuchung der Münchener Kanzleiräume der von VW mandatierten Rechtsanwaltskanzlei Jones Day auf Grundlage des § 103 StPO beschäftigte.

Im Digitalzeitalter wächst die Eingriffsintensität der ursprünglich analog konzeptionierten Vorschriften exponentiell. Was wirft auch „Fragen nach einer zeitgemäßen Inter­pretation der §§ 94, 102 StPO auf“.[3] Das gilt schon deshalb, weil man sich in der digitalen Welt zunehmend von der Vorstellung verabschieden muss, man fände bei einer behördlichen Durchsuchungsmaßnahme prall gefüllte analoge und damit unmittelbar beschlagnahmefähige Akten­schränke. Vielmehr sind für das Ermittlungsverfahren relevante sowohl private wie auch Unternehmens- bzw. relevante Verkehrs- und Bestandsdaten inzwischen vielfach nur noch virtuell und ggf. Länder übergreifend gespeichert, mitunter sogar ohne im Einzelfall den Speicherort exakt bestimmen zu können („loss of location“, vgl. hierzu z. B. Burchard, 2018, Teile 1 und 2; Bell, 2019; Rühs, 2022). Dadurch wird nationales Strafver­fahrensrecht nicht nur transnational überlagert, sondern bedarf endlich auch bspw. verbindlicher EU-rechtlicher Standards über die bisherigen Regelungen zur Rechtshilfe (Kap. 4 und 6 des Werks) hinaus. Die EU arbeitet deshalb z. B. seit langem an dem Konzept einer „E-Evidence-Ver­ordnung“[4], in welcher Fragen des behördlichen Zugangs zu elektronischen Be­weis­mitteln geregelt werden sollen. Gerade bei digitalen Beweismitteln, deren umfängliche Beschlagnahme ggf. in unverhältnismäßiger Weise den laufenden Betrieb von Unternehmen stören kann, spielen darüber hinaus Maß und Umfang notwendiger / erforderlicher Eingriffe eine besondere Rolle. Das erfordert bei den Ermittlungsbehörden eine sachgerechte Ermittlungsplanung und umfänglicher Vorbereitung, hat also neben der rechtlichen auch eine sehr bedeutsame kriminaltaktische Komponente. Diese und viele weitere Fragen bedürfen zeitgemäßer Diskussion und rechtsstaatlicher Interpretation, wozu das mit großer Mühe umfänglich recherchierte und klug entwickelte Werk von Park einen wesentlichen Beitrag liefert, ohne die tiefgreifende Kommentierung der materiell-rechtlichen Grundzüge dieser Standardmaßnahmen in irgendeiner Weise zu vernachlässigen.

Die bewährte konzeptionelle Gestaltung der Vorauflagen in sieben Kapitel (vgl. Inhaltsverzeichnis, Fn. 2) wurde beibehalten, was angesichts der dargestellten Problemstellungen für die Weitsicht des Autors spricht. Das seit 2002 in fünfter Auflage von Tido Park konzeptionierte und bearbeitete Werk darf man daher nach wie vor als „Standardwerk des Strafprozessrechts“ bezeichnen, das sowohl „Einsteigern als auch Profis (im beruflichen / studentischen Alltag) gute Dienste leisten kann“[5], bezeichnen.

Holger Plank (im September 2022)

[1] Prof. Dr. Park, Honorarprofessur an der WWU Münster, Fachanwalt für Straf- und Steu­errecht, Kanzlei Park Wirtschaftsrecht (Dortmund), Kurzvita.

[2] Siehe Verlags-Website von C. H. Beck, inkl. Inhaltsverzeichnis.

[3] Hiéramente in ZIS, 2019, Heft 3, S. 231 f.

[4] Vgl. hierzu bspw. die Zeitleiste des Europäischen Rats, 26.08.2022; über den Vorschlag der EU-Kommission zu einer „Verordnung zur Sicherung und Herausgabe elektronischer Beweismittel in Strafsachen“ aus dem Jahr 2018 (2018/0108 [COD]) ist nach wie vor nicht abschließend entschieden

[5] Vgl. Hiéramente, Fn. 3