Reinhart Michalke, Strafprozessuale Zwangsmaßnahmen. Rezensiert von Holger Plank.

Michalke, Reinhart[1] „Strafprozessuale Zwangsmaßnahmen“[2], ISBN: 978-3-406-78834-9, 221 Seiten, C. H. Beck, München, 2. Auflage 2022, 49.- €) 

Das von Werner Leitner in der 1. Auflage 2007 begründete und aktuell in der 2. Auflage 2022 vom Mitbegründer Reinhart Michalke (Fn. 1) fortgeführte Buch (mit Rechtsstand Feb. 2022) erscheint in der renommierten Reihe Strafverteidi­gerpraxis im C. H. Beck Verlag. Nach umfangreichen strafprozessrechtlichen Änderungen und der damit verbundenen signifikanten Ausweitung von Zwangsmaßnahmen einerseits und Beschuldigtenschutzrechten bzw. der notwendigen Umsetzung von europäischen Datenschutzregelungen im Ermittlungsverfahren seit der Erstauflage im Jahr 2007 anderer­seits war die Fortschreibung nun auch dringend geboten. Seither gab es immerhin (!) größere und kleinere Änderungen im Strafprozessrecht.

Mit Bezug auf das behandelte Sujet und den legislativen Umfang ausschnittsweise erwähnenswert sind zuletzt bspw. das „Gesetz zur Fortentwicklung der Strafprozessordnung und zur Änderung weiterer Vorschriften“ (BGBl. I, S. 2099 vom 25.06.2021), das „Gesetz zur Anpassung der Regelungen über die Bestandsdatenauskunft“ (…, BGBl. I, S. 448 vom 30.03.2021 und BGBl. I, S. 1380 vom 28.05.2021) das „Gesetz zur Bekämpfung sexualisierter Gewalt gegen Kinder“ (BGBl. I, S. 1810 vom 16.06.2021). In diesem Kontext erwähnenswert sind natürlich auch das „Gesetz zur Neuregelung des Rechts der notwendigen Verteidigung“ (BGBl. I, S. 2128 vom 10.12.2019, verbunden mit dem „Gesetz zur Stärkung der Verfahrensrechte von Beschuldigten im Jugendstrafverfahren“, BGBl. I S. 2146 vom 17.08.2019), nicht zuletzt das Gesetz zur Modernisierung des Strafverfahrens (BGBl. I, S. 2121 vom 10.12.2019) oder aber auch das „Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung“ (BGBl. I, S. 872 vom 13.04.2017). Man könnte die Liste der strafprozessrechtlich für die im Kontext des Buches behandelten Eingriffsmaßnahmen und die hierbei vorgenommenen bedeutsamen strafprozessrechtlichen Modifikationen – gerade auch in den beiden letzten Legislatur­perioden des Deutschen Bundestages (18. und 19.[3]) und damit über den in der kursorischen Aufzählung gewählten Fünf-Jahres-Zeitraum 2017 – 2021 hinaus – beliebig fort­setzen. Dabei bleiben durch die titelgebende thematische Einschränkung des Buches die inzwischen für das spätere Ermittlungsverfahren aufgrund der datenschutzrechtlichen Transformations­klauseln nach dem „Doppeltürmodell“ immer wichtiger werdenden gefahrenab­wehrrechtlichen Regelungen der Polizeigesetze, die z. T. weit im Vorfeld strafrechtlich relevanter Tatbestände ansetzen und weitreichende (verdeckte) Gefahrenerforschungseingriffe ermöglichen, sogar noch unberücksichtigt.[4] Bei einer der nächsten wünschenswerten Neuauflagen könnte man diese im Rahmen des legislativ weiten Feldes der „vorbeugenden Verbrechensbekämpfung“ bzw. „Gefahrenvorsorge“ inzwischen nicht mehr nur im Einzelfall fortfolgend strafprozessrechtlich relevanten Fragestellungen ggf. ergänzend an jeweils passender Stelle einordnen.

Dennoch gelingt es Michalke in prägnantem (221 Seiten) und sehr ansprechendem Stil Dogmatik / Theorie und Praxis der im Verteidigeralltag bedeutsamen Fragestellungen anschaulich auf den Punkt zu bringen und derart     „ (…) Lehrbuch‘ und ‚Handbuch‘ in einem Buch zu vereinen“.[5] Das Buch gliedert er hierzu sachgerecht in zwei Hauptteileeile (vgl. Link zum Inhaltsverzeichnis, Fn. 2), namentlich „Heimliche Zwangsmaßnahmen“ (1. Teil) und „Offene Zwangsmaßnahmen“ (2. Teil). Er zieht hierbei neueste Kommentarliteratur (S. XIX f.) bei, das umfangreiche Verzeichnis der Zeitschriftenbeiträge (S. XX ff.) wäre mit Bezug auf die o. g. sehr umfänglichen jüngeren legislativen Änderungen durchaus ausbaufähig. Inhaltlich ändert diese jedoch eher marginale Kritik aber nichts an der grundlegend hohen Qualität des Werkes. Es bietet zu den behandelten Themen jeweils einen schnellen, dennoch hinreichend tiefen Einblick in die materiell-rechtlichen Voraussetzungen der einzelnen Maßnahmen, woraus sich für die Verteidigung prozesstaktische Anknüpfungspunkte ergeben können. Sehr hilfreich sind hierbei auch die die einzelnen Kapitel jeweils abschließenden „Praxishinweise“ bzw. die Hinweise für die „Verteidigung“, die u. a. wichtige formell-rechtliche, prozesstaktische, kosten­rechtliche Aspekte oder aber auch Rechtsbehelfsfragen thematisieren. Das macht das Buch über den primären Adressatenkreis (Strafverteidiger) hinaus auch für Studierende an Universitäten oder aber (polizeilichen) Fachhochschulen als beachtenswerten „Wegweiser“ für ein tiefergehendes Studium der behandelten Problemstellungen interessant und damit sehr lesenswert.

Holger Plank (im August 2022)

[1] Fachanwalt für Strafrecht, Sozietät Michalke / Rosskopf (München), Vita.

[2] Siehe Verlags-Website von C. H. Beck; Inhaltsverzeichnis vgl. Deutsche Nationalbibliothek.

[3] Kritisch hierzu bilanzierend z. B. Burhoff, o. D. oder auch Kölbl, „Die dunkle Seite des Strafrechts“, in: NK (31) 2019, 3, S. 249 – 268.

[4] Vgl. hierzu bspw. jüngst Kniesel, „Kriminalitätsbekämpfung durch Polizeirecht“, 2022, bea. kurze Besprechung des sehr lesenswerten Buches, zugleich Diss. iur., im Polizei-Newsletter.

[5] Rezension Stern, 2022.