Marc Liesching, Jugendschutzrecht. Rezensiert von Holger Plank

Marc Liesching[1]: „Jugendschutzrecht mit JuSchG, JMStV, StGB, MStV und NetzDG“[2], ISBN: 978-3-406-76871-2, 1069 Seiten, C. H. Beck, München, 6. Auflage 2022, 109.- €. 

Der von Rainer Scholz[3] im Jahr 1985 begründete und von Marc Liesching (Fn. 2) seit der 3. Auflage im Jahr 2003 bis zur aktuellen 6. Auflage fortgeführte Kom­men­tar zum Jugendschutz­recht[4] erscheint in der Reihe Gelbe Erläuterungsbücher des C. H. Beck Verlags. Unter Jugendschutzrecht versteht der Kommentator inhaltlich (vgl. Fn. 2) vor allem das Jugendschutzgesetz (Kap. 1), den Jugendmedienschutz- und den Medien-Staatsvertrag (Kap. 2 und 4, JMStV / MStV, s. u.), jugendschutzrelevante Bestimmungen im materiellen Strafrecht (Kap. 3) sowie des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes (NetzDG, Kap. 5). Der nütz­liche Anhang (Kap. 6) enthält sowohl die Grundsätze der freiwilligen Selbst­kontrolle der Filmwirtschaft und für Unterhaltungssoftware sowie die Gemein­samen Richtlinien der Landesmedienanstalten zur Gewährleistung des Schutzes der Menschenwürde und des Jugendschutzes (Jugendschutzrichtlinien, JuSchRiL).

Die Bedeutung des klassischen (sozialen) Kinder- und Jugendschutzgedankens hat im Digitalzeitalter zahlreiche neue Facetten entwickelt. Das Leben von Kindern und Jugendlichen wird inzwischen immer stärker durch die neuen Nutzungs-, Partizipations- und Kommunikationsmöglichkeiten des Internets und der Online-Dienste geprägt. Kinder und Jugendliche werden nicht nur, gerade aber im Internet immer wieder mit Inhalten konfrontiert, die negative Auswirkungen sowohl auf ihre mentale Gesundheit als auch ihre Persönlichkeitsentwicklung haben können.[5] Das erzeugt natürlich mannigfaltige, z. T. transnationale legislative Hand­lungs- und Schutzbedarfe. Sowohl für den Kinder- und Jugendschutz im analogen wie auch im digitalen Raum ist deshalb eine z. T. zerklüftete und unübersichtliche Landschaft zahlloser Rechtsquellen und Zuständigkeiten entstanden. Die neueste Auflage 2022 des Kommentars bietet daher eine willkommene aktualisierte „Landkarte“ zur Orientierung und der kompetente „Reiseführer“ Marc Liesching erläutert fachkundig und ansprechend das erweiterte UTM-Gitternetz über die weitreichende Gesetzes-, Verordnungs-, Richtlinien- und Vertragslandschaft. Er geht (vgl. Fn. 2, Inhaltsverzeichnis) dabei u. a. vertieft auf folgende wichtige Änderungen / Neuregelungen seit der schon etwas länger zurück­liegenden Vorgängerauflage (5. Auflage, 2011, damals noch unter Mitautoren­schaft von Susanne Schuster und Rainer Scholz) ein:

  • Das zweite „Jugendschutzänderungsgesetz (JuSchGÄndG)“ (BGBl. I 18, S. 742 vom 09.04.2021), welches u. a. den Begriff der „Entwicklungs­beeinträchtigung“ medial dem digitalen Zeitalter angepasst hat,
  • die seither beträchtlichen Änderungen am Jugendmedienschutz-Staatsvertrag[6] (JMStV), vor allem durch den Neunzehnten Rundfunkände­rungs­staats­vertrag (RfÄndStV) sowie durch Art. 3 des Medienordnungs-Modernisierungs­staatsvertrags (MedModStV) im Jahr 2020. Hierdurch wurde der bisherige Rundfunkstaatsvertrag (RStV) durch den Medien­staatsvertrag (MStV) abgelöst,
  • die seit der Vorauflage vielfachen Änderungen jugendschutzrelevanter Straftatbestände des StGB, zuletzt insbesondere das „60. StRÄndG“ (BGBl. I 57, S. 2600 vom 03.12.2020, dort insbesondere die Modi­fikation des Schriftenbegriffs), das „Gesetz zur Bekämpfung sexualisierter Gewalt gegen Kinder“ (BGBl. I Nr. 33, S. 1810 vom 16.06.2021) sowie das „Gesetz zur Verbesserung des strafrechtlichen Schutzes gegen sog. Feindeslisten, Strafbarkeit der Verbreitung und des Besitzes von Anleitungen zu sexuellem Missbrauch von Kindern und Verbesserung der Bekämpfung verhetzender Inhalte sowie Bekämpfung von Propaganda­mitteln und Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organi­sationen“ (BGBl. I Nr. 66, S. 4250 vom 21.09.2021).
  • Neu aufgenommen wurde das 2017 verabschiedete und zuletzt 2021 umfangreich novellierte NetzDG mit vielfältigen Nahtstellen zum Jugendschutzrecht (jüngere Jugendschutznovellen des MedModStV haben inzwi­schen bspw. die Regulierungsmechanismen des NetzDG, etwa die Beschwerde­meldeverfahren oder sonstige Vorsorgemaßnahmen, adaptiert, vgl. z. B. § 5a, § 5b JMStV oder §§ 24 a JuSchG),

Zudem hat Liesching die nach der grundlegenden Reform des Jugendschutzes im Jahr 2003[7] erhebliche Rechtsprechungskasuistik und das relevante, sehr mächtige Schrifttum ergänzt und inhaltlich überarbeitet, fürwahr eine Kärrnerarbeit!

Insgesamt bleibt der inhaltlich erheblich erweiterte Komentar zum Jugendschutz­recht damit auch in der 6. Auflage sicher ein bewährtes Standardwerk, in der Lehre, aber auch für (Berufs-)Einsteiger und für erfahrene Praktiker sowieso. Die erhebliche Erweiterung (von 706 Seiten der Vorgängerauflage auf aktuell 1069 Seiten) bringt allerdings auch einen signifikanten Preisanstieg von 64.- auf 109.- Euro mit sich. Trotzdem gehört das Werk in die Fachbibliotheken der rechts- und sozialwissenschaftlichen Fakultäten sowie der jugendschutzrechtlichen (behörd­lichen) Fach­dienste auf kommunaler, regionaler, landes- und Bundes­ebene.

Holger Plank (im September 2022)

[1] Prof. Dr. iur. Marc Liesching, Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur in Leipzig, Fakultät für Informatik und Medien, Berufungsgebiet Medienrecht und Medientheorie.

[2] Siehe Verlags-Website von C. H. Beck; Inhaltsverzeichnis und Sachverzeichnis des Werks.

[3] Dr. Rainer Scholz, damals Ministerialrat im zuständigen Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit.

[4] Die nach Verabschiedung des Gesetzes zum Schutze der Jugend in der Öffentlichkeit (JSchÖG) im Jahr 1951 seit der ersten Kommentierung durch Tillmann und Göke im Jahr 1952 beginnende Chronologie wird einschließlich der Begründung des hier besprochenen Kommentars sehr schön von Nikles, in: Kinder- und Jugendschutz in Wissenschaft und Praxis, 2011 (56), Heft 4, S. 125-131 entfaltet.

[5] „Jugendschutz im Internet“, Deutscher Bundestag, Wissenschaftliche Dienste, WD 10-012/22 vom 29.04.2022.

[6] Die jeweils aktuellen Fassungen finden sich auf der Website der „die medienanstalten – ALM GbR“.

[7] Vgl. Lieven, Mitteilungen LJA WL 153/2003, S. 167 ff.