Dölling/Hermann/Laue, Kriminologie. Rezensiert von Thomas Feltes

Dieter Dölling, Dieter Hermann, Christian Laue, Kriminologie. Ein Grundriss. Springer-Lehrbuch, Berlin, Heidelberg, 2022, 490 S., Softcover ISBN 978-3-642-01472-7 (29,90 Euro), eBook ISBN 978-3-642-01473-4 (22,90 Euro).

An Lehrbüchern zur Kriminologie herrscht inzwischen kein Mangel[1], und das ist gut so. So kann sich jede/r Studierende das Lehrbuch aussuchen, dass ihr/ihm inhaltlich und didaktisch am besten zusagt. Im Studium und bei Qualifikationsarbeiten ist zudem eine gute Ausgangsbasis für weitere Literaturrecherchen gegeben. Neu in die Liste der Lehrbücher hat sich nun der „Grundriss“ von Dölling, Hermann und Laue im Springer-Verlag eingereiht.

Das Lehrbuch vermittelt die Grundlagen der Kriminologie (Begriff, Geschichte und Methoden), erläutert die Kriminalitätstheorien und arbeitet zentrale Befunde zum Verbrechen, zu Tätern und Opfern von Verbrechen sowie zur Verbrechenskontrolle (Kriminalprävention und Strafrechtspflege) heraus. Sodann werden wichtige Deliktsbereiche unter kriminologischen Gesichtspunkten dargestellt. Statistische und methodische Grundlagen empirisch-kriminologischer Untersuchungen werden jeweils berücksichtigt.

Das Inhaltsverzeichnis des Lehrbuches mit jeweils einer kurzen Zusammenfassung des Kapitels ist hier zu finden. Dies ist hilfreich, wenn man (was aber nach wie vor empfohlen wird) nicht den Weg zum Buchhändler seines Vertrauens wählt, um sich das oder die Bücher dort anzusehen.

Das Buch ist in sieben Teile gegliedert. Zu Beginn werden Begriff und Aufgaben der Kriminologie sowie ihre Stellung im Wissenschaftssystem dargestellt. Hier geht es auch um die Geschichte der Kriminologie, wobei die Zeit zwischen 1933 und 1960 etwas zu kurz kommt, und die Methoden. Letztere werden leicht verständlich, allerdings nur teilweise anhand von konkreten Beispielen oder Projekten dargestellt.

Kriminalitätstheorien werden im zweiten Teil dargestellt, auf knapp 100 der insgesamt 430 Textseiten. Hier wird zwischen „individuumsorientierten“ und „gesellschaftlich orientierten“ Theorien unterschieden, wobei letztere jeweils in Theorie und Empirie unterteilt sind.

Teil drei ist mit „Verbrechen“ überschrieben und behandelt im wesentlichen Hellfeld (also Kriminalstatistiken) und Dunkelfeld. Teil vier trägt die Überschrift „Verbrecher“. Hier geht es um Alter, Geschlecht, Nationalität, aber auch um Medien, Tätertypologien und Kriminalprognose. Ein insgesamt heterogenes Kapitel. Mit dem Verbrechensopfer beschäftigt sich Teil fünf und mit der Verbrechenskontrolle Teil sechs, bevor im Teil sieben einzelne Deliktsgruppen behandelt werden.

Insgesamt hat das Lehrbuch somit eine eher konservative, herkömmliche Gliederung, die den Nachteil hat, dass Beziehungen zwischen einzelnen Teilen (z.B. zwischen Delikten und Personen) nicht behandelt werden können, die aber den großen Vorteil einer klaren und übersichtlichen Struktur bietet.

International inzwischen intensiv diskutierte Themen wie der Zusammenhang zwischen Raum und Kriminalität (z.B. die Forschungen von David Weisburd) werden leider nicht, oder nur als Stichwort („Kriminalgeographie“, S. 4), und auch die Akteure der Kriminalitätskontrolle und hier vor allem Polizei und Staatsanwaltschaft spielen in dem Lehrbuch keine oder nur eine untergeordnete Rolle. Hier wird darauf hingewiesen, dass „Ermittlungen … ganz überwiegend von der Polizei geführt“ werden – keine Bewertung der (stigmatisierenden) Funktion der Institution, keine Bemerkung zur aktuellen Diskussion über Polizeigewalt und Rassismus in der Polizei, keine Aussage zur Schlüsselfunktion, die polizeiliches Alltagshandeln für den „Input“ in das Kriminalitätssystem hat. Auch Themen, die einen besonderen Bezug zur Sozialstruktur der Gesellschaft aufweisen (wie bspw. häusliche bzw. Partnergewalt oder Rechtsextremismus), werden leider ignoriert, ebenso aktuelle Themen wie Clankriminalität. Andere Themen kommen zu kurz, was sicherlich dem Umfang des Werkes geschuldet ist. So wird Wirtschaftskriminalität nur auf fünf Seiten behandelt, und das kriminalpolitisch aktuelle Thema der Entkriminalisierung von weichen Drogen leider gar nicht.

Insgesamt haben die Autoren ein solides Lehrbuch vorgelegt, das zur Begleitung von kriminologischen Vorlesungen und zur Nachbearbeitung bestimmter Inhalte sehr gut geeignet ist. Es überzeugt durch seine klare Struktur und verständliche Sprache. Zur Beschäftigung mit aktuellen, kriminalpolitisch brisanten Themen muss auf andere Informationsquellen zurückgegriffen werden – was aber letztlich nicht unbedingt von Nachteil sein muss.

Thomas Feltes, Januar 2023

[1] In alphabetischer Reihenfolge sind als Autoren entsprechender Lehrbücher zu nennen: Bock (ehem. Göppinger), Eisenberg/Kölbel, Meier, Neubacher, Schwind/Schwind und Singelnstein/Kunz. Sie alle unterscheiden sich mehr oder weniger in Inhalt und Form, aber auch in der (kriminal)politischen Grundausrichtung. Wer ein Buch zur Begleitung einer Vorlesung im Studium sucht, ist sicherlich mit den Werken von Meier und Singelnstein/Kunz am besten bedient, und jetzt mit dem Buch von Dölling/Hermann/Laue. Für spezielle Zielgruppen kommt das Lehrbuch Kriminologie und Soziale Arbeit des AK Hochschullehrerinnen Kriminologie hinzu.