Malte Seyffarth, Möglichkeiten und Grenzen der Kontrolle von Polizeigewalt durch einen Bundespolizeibeauftragten. Rezensiert von Thomas Feltes

Malte Seyffarth, Möglichkeiten und Grenzen der Kontrolle von Polizeigewalt durch einen Bundespolizeibeauftragten. Reihe „Das Recht der inneren und äußeren Sicherheit“ (RS), Band 24, Duncker & Humblot Berlin, 2023, 242 S., ISBN 978-3-428-18764-5, 89,90 Euro

Die Dissertation von Seyffahrt an der Deutschen Hochschule der Polizei[1] beschäftigt sich mit den Gesetzesentwürfen auf Bundes- und Landesebene (NRW), die einen Polizeibeauftragten[2] als Hilfsorgan des Parlaments etablieren wollten (von ihm als „echter Parlamentsbeauftragter“ bezeichnet). Seine „Bewertungsmaßstäbe“ für die Studie gewinnt er „aus dem Kontrollgegenstand »Polizeigewalt« und dem rechtlichen bzw. dogmatischen Rahmen von Verwaltungskontrolle“ (Verlagstext). Der Autor kommt zu dem Ergebnis, dass sich der Polizeibeauftragte der Gesetzentwürfe als defizitär erweist. Überzeugen könne hingegen ein Polizeibeauftragter, der bei der Verwaltung etabliert wäre (sog. „unechter Parlamentsbeauftragter bzw. Verwaltungsbeauftragter“).

Die Arbeit, die zum Ende einen eigenen Gesetzesvorschlag für einen solchen Beauftragten entwirft, beschäftigt sich ausschließlich mit den Gesetzesentwürfen auf Bundesebene und in NRW. Der Autor geht aber nicht auf Gesetzesentwürfe in anderen Bundesländern wie Rheinland-Pfalz, Hessen und Schleswig-Holstein ein. Warum, erläutert er nicht, obwohl die Materialien und Stellungnahmen dazu gebündelt hier verfügbar sind. Gerade was die ausreichende Einbeziehung der Polizistinnen und Polizisten in den Entwürfen anbetrifft, hätte er hier den eine oder andere wichtigen Hinweis finden können.  Es bleibt unverständlich, warum der Erstbetreuer und Gutachter (Prof. Dr. Dr. Thiel von der Deutschen Hochschule der Polizei in Münster) hier nicht insistiert hat.

Der Verfasser beschreibt sein Ziel zu Beginn der Arbeit wie folgt: Er unternehme den Versuch, „sowohl die Besonderheiten, die sich aus dem philosophischen und rechtlichen Sollen und dem durch die Cop Culture geprägten Sein ergeben, als auch die Polizisten- und die Bürgerperspektive zu vereinigen“. Da der Kontrollgegenstand auch immer das Kontrollverfahren (mit-)präge, könne nur ein Kontrollverfahren, „welches alledem (sic) gerecht wird“, überzeugen.

Wie in der Arbeit gezeigt werden soll, hält der Kontrollgegenstand der Polizeigewalt sowohl mit Blick auf das philosophische und rechtliche Sollen, als auch mit Blick auf die Cop Culture Besonderheiten bereit. Diese müssen daher von den hierauf bezogene Kontrollverfahren angemessen erfasst werden. Eine Zweipoligkeit findet sich ferner bei den Kontrollparametern der internen und externen Kontrolle sowie bei den Ursachen für Fehler und Fehlverhalten“. Durch die Heranziehung der Gesetzesvorschläge für einen externen Polizeibeauftragten könne, so der Autor, besonders gut die „Zweipoligkeit der Vor- und Nachteile einer internen Verwaltungskontrolle“ und der Vor- und Nachteile einer externen Verwaltungskontrolle deutlich gemacht werden.

Das Verständnis von Polizeigewalt als „Kontrollgegenstand“ macht schon an dieser Stelle eine administrative, verwaltungsrechtlich fokussierte Sichtweise auf dieses Problem deutlich, die wesentliche rechtstatsächliche und sozialwissenschaftliche Aspekte ausklammert, die aber für dieses Phänomen konstitutiv sind und daher einbezogen werden müssen.

Das wird z.B. auch hier deutlich: Bei den Ursachen für Fehler und Fehlverhalten stünden sich, so der Autor, individuelle und strukturelle Ursachen gegenüber. Die Ursachen „können etwa in der Person des einzelnen Polizisten (sic – bei Polizistinnen nicht? TF) zu finden sein oder in den Strukturen des Polizeialltages und der Polizeiführung“ (S. 25).

Diese Aussage greift zu kurz, denn diese „Ursachen“ sind keine Ursachen im tatsächlichen Sinn, sondern quasi Oberbegriffe oder besser Avatare, die für komplexe Handlungssysteme stehen. Vor allem aber stehen sie sich nicht „gegenüber“, wovon der Autor ausgeht, sondern sie ergänzen und bedingen sich gegenseitig. Diese Abhängigkeit berücksichtigt der Autor nicht ausreichend, sicherlich auch, weil er sich auf die „Zweipoligkeit“ als seine Ausgangsthese derart fixiert, dass er nicht erkennt, das polizeiliches Handeln eine Interaktion ist, die von einer großen Anzahl von institutionellen und individuellen Faktoren beeinflusst wird. Dies ist in unserer, ebenso wie in vielen anderen nationalen und internationalen Studien zu „Police Use of Force“ immer wieder nachgewiesen worden.

Daher ist die Arbeit und die Analyse des Autors zwar in sich juristisch konsistent, insgesamt aber trägt sie zum Gegenstandsbereich der notwendigen Kontrolle der Polizei wenig bei, weil sie scheuklappenartig wesentliche (und überzeugendere) andere Lösungen ausblendet. Zumindest hätte der Autor dieses Problem erkennen, diskutieren und Kompromisse vorschlagen müssen. Hier sind z.B. externe Untersuchungsausschüsse bei größeren Ereignissen (Loveparade, Hanau, NSU, Dortmund, Oktoberfest-Attentat u.a.m.) denkbar (und wurden im Ausland auch mit Erfolg praktiziert) und interne Polizeibeauftragte möglich für den „normalen“ Alltag, der so normal ja auch nicht ist.

Die Differenzierung zwischen „polizeiintern“ und „verwaltungsintern“ wird zwar in der Arbeit durchgängig begründet, aber die Begründungen überzeugen nicht wirklich, zumal sich die Polizei ja nach Auffassung der DHPol und wohl auch des Autors als Verwaltungsinstitution sieht – und es daher keine Rolle spielen dürfte, wo der/die Beauftragte angesiedelt ist.

Auf der anderen Seite sieht der Autor einen (sic) Polizeibeauftragten auf der Verwaltungsebene quasi als „externe“ Kontrolle: „Denn nur ein Kontrollverfahren, das sowohl die Vorteile der externen als auch der internen Kontrolle nutzen und hierbei individuell und strukturell bedingte Fehler bzw. entsprechendes Fehlverhalten aufgreifen kann, vermag Polizeigewalt einer sachgerechten Behandlung zuzuführen“ (aaO.).

Polizeigewalt muss und kann aber nicht „behandelt“ werden, wie der Autor meint, sondern sie muss als strukturelles Problem in der Institution Polizei erst einmal erkannt und analysiert werden, bevor man Lösungen angeht. Dazu taugen Polizeibeauftragte aufgrund ihrer strukturellen Abhängigkeit nicht, auch wenn sie dem Parlament Bericht erstatten. Sie sind und bleiben auf die Unterstützung der Polizei als Institution und der Beamtinnen und Beamten als Protagonisten angewiesen, nicht zuletzt bei den in diesen Fällen immer notwendigen eigenen (unabhängigen) Ermittlungen.

Das Ziel, „eine sachgerechte Erfassung der Möglichkeiten und Grenzen der (verwaltungsinternen) Kontrolle von Polizeigewalt durch eine Bundespolizeibeauftragten darzubieten“ (aaO.) mag die Arbeit letztlich erreichen. Aber eine „Darbietung“ ist zu wenig, und das Ergebnis, wonach ein Polizeibeauftragter, „der bei der Verwaltung allerding außerhalb der Polizeihierarchie angesiedelt ist, aber vom Parlament gewählt wird, … am besten in der Lage (ist), Polizisten- und Bürgerperspektive ebenso zu vereinigen wie den durch die Cop Culture geprägten Arbeitsalltag der Gewaltmonopolausübung und den rechtlichen und staatsphilosophischen Rahmen der Gewaltmonopolausübung“, kann nicht geteilt werden, solange andere, wesentlich effektivere Möglichkeiten nicht in die Überprüfung einbezogen werden. Wer den Blick nicht über den Tellerrand richtet, erkennt nicht, dass andere Optionen vielleicht besser (oder überhaupt erst) geeignet sind.

Dass der Autor selbst an der Reichweite seiner Lösung zweifelt, kann man vielleicht daran erkennen, dass er schreibt, seine Lösung könne individuell und strukturell bedingt Fehler bzw. bedingtes Fehlverhalten angemessen „beheben„, um so die „Legalität zu gewährleisten und die Legitimität zu fördern“ (S. 24 f.) – wobei er das Wort „beheben“ selbst in Anführungszeichen setzt. Und nur nebenbei: Legalität wird nur durch ein gerichtliches Verfahren überprüft und gesichert, nicht durch einen Polizeibeauftragten.

Letztlich geht der Autor zwar zu Beginn kurz (auf S. 19) auf die grundsätzliche Kritik an internen Polizeibeauftragten und der Forderung nach externen, unabhängigen Stellen ein, und seine Differenzierung nach polizeiintern und verwaltungsintern überzeugt, wie dargestellt, nicht. Beides schränkt die Bearbeitung erheblich ein und schließt im internationalen Vergleich wichtige Aspekte von Anfang an aus.

Letztlich ist auch die vom Autor vorgeschlagene Lösung in diesem (engen) Rahmen angesiedelt. Sein Bundespolizeibeauftragter soll „als Kontrolleur der verwaltungsinternen Selbstkontrolle eine nachträgliche Kontrolle anhand von Rechtsmaßstäben vornehmen“ (S. 227). Genau dies ist aber, zumindest bei relevantem polizeilichem Fehlverhalten, Aufgabe der Justiz und nicht eines Verwaltungsbeamten.

Seyffarth spricht von einem „Verwaltungsbeauftragten“ als „unechten Parlamentsbeauftragten“. Es geht, wie er mehrmals betont, um die „verwaltungsinterne Kontrolle“ (z.B. S. 223). Ob sie in der Praxis überzeugen könne, sei eine andere Frage, so der Autor. Nun ja, ob man zu Petitionsausschüssen, bereits existierenden internen Kontrolleinrichtungen, Disziplinarabläufen und den oftmals bereits vorhandenen Bürgerbeauftragten einen weiteren „Verwaltungsbeauftragten“ benötigt, muss man bezweifeln.

Vielleicht aber ist genau das die Problematik der Arbeit: Nicht alles, was juristisch möglicherweise richtig ist, muss tatsächlich auch sinnvoll und umsetzbar sein. Da hilft auch der (zu) oft verwendete Verweis, dass man die „Cop Culture“ und den „Bürgerwillen“ berücksichtigen will wenig – wenn man beide Begriffe nicht mit Leben füllt und die dazu umfassend vorhandenen nationalen und internationalen Studien mehr oder weniger außen vor lässt.

Die eingeschränkte Sichtweise des Autors zeigt sich dabei bereits zu Beginn der Arbeit, wo eine knappe halbe Seite den „Besonderheiten polizeilicher Gewaltanwendung für die Bürgerinnen und Bürger“ gewidmet wird (S. 32), ohne auch nur ansatzweise auf dieses Spannungsfeld und die wissenschaftlichen Erkenntnisse dazu einzugehen. Ähnlich dann auch das anschließende Kapitel über „Polizeigewalt zwischen Legalität und Legitimität“ (S. 32 ff.), in dem auf weniger als sechs Seiten versucht wird, Aspekte der Polizeiforschung aufzugreifen. Hier dilettiert der Autor dann nur noch und macht deutlich, dass er die eigentliche Problematik der Polizeigewalt weder verstanden hat, noch tatsächlich einhegen will mit seinen Vorschlägen.

Im Ergebnis ist die Arbeit in sich betrachtet möglicherweise als wissenschaftlicher Qualifikationsnachweis geeignet; für ein Voranbringen der Diskussion um eine angemessene und effektive Kontrolle polizeilichen Handelns insgesamt aber nicht.

Thomas Feltes, August 2023

[1] Zum Promotionsrecht der Hochschule vgl. meine kritischen Anmerkungen hier.

[2] In der Arbeit wird durchgängig die männliche Sprachform verwendet, nur Polizeibeamte werden als „Polizistinnen und Polizisten“ bezeichnet. Warum?