Rüdiger / Bayerl (Hrsg.): Handbuch Cyberkriminologie 1. Rezensiert von Karsten Lauber

Thomas-Gabriel Rüdiger, P. Saskia Bayerl (Hrsg.): Handbuch Cyberkriminologie 1. Theorien und Methoden. Wiesbaden, Springer VS 2023, 765 Seiten, Softcover: ISBN: 978-3-658-35438-1, 119,99 EUR, E-Book: ISBN: 978-3-658-35439-8, 109,99 EUR

Das Handbuch Cyberkriminologie, bestehend aus zwei Bänden, erscheint in der Reihe „Cyberkriminologie – Theorien, Methoden, Erscheinungsformen“, herausgegeben von Thomas-Gabriel Rüdiger und P. Saskia Bayerl. Bis dato besteht diese Reihe lediglich aus dem zweibändigen Handbuch. In der Selbstbeschreibung soll „die Reihe ‚Cyberkriminologie – Theorien, Methoden, Erscheinungsformen‘ […] einen fachlichen Rahmen [bieten], um eine strategische Entwicklung der Cyberkriminologie als Wissenschaft voranzutreiben.

In ihr erhalten Autoren aus allen relevanten Themenbereichen die Möglichkeit, ihre Publikationen in dieser Reihe zu veröffentlichen, methodische Ansätze zur Untersuchung des Forschungsfeldes zu diskutieren und systematische Begriffsauseinandersetzungen und klar strukturierte phänomenspezifische Beschreibungen zu liefern“.

Das Handbuch wird herausgegeben von Thomas-Gabriel Rüdiger, Hochschule der Polizei des Landes Brandenburg, und Petra Saskia Bayerl, Sheffield Hallam University, UK. An dem Sammelband beteiligten sich 37 Autorinnen und Autoren. Ausweislich des Autorenverzeichnisses haben neun Autoren und eine Autorin einen polizeilichen Hintergrund. Aussagekräftig ist das Autorenverzeichnis im Übrigen nicht. Bei den meisten Autoren ist lediglich die dazugehörige Hochschule genannt – ohne Hinweise auf den Lehrstuhl, die Fakultät oder das Institut. Bei den Polizeiautoren schwankt der Informationsgrad zwischen „Polizei Niedersachsen“ (Frank-Holger Acker) und präzisen Angaben über die organisatorische Anbindung, z.B. „KPI Neubrandenburg, FK Cybercrime, digitale Spuren und digitale Ermittlungen, Landespolizei M-V, Neubrandenburg, Deutschland“ (André Fiedler). Bei zwei Autoren ist lediglich der Name und ein Ort genannt.

Band 1 des Handbuchs Cyberkriminologie gliedert sich in drei Teile: Theorien (6 Aufsätze), Methoden (9 Aufsätze) und Rechtliche Grundlagen (7 Aufsätze). Nicht genannt im Inhaltsverzeichnis ist die 20-seitige Einführung sowie das Autorenverzeichnis. Die Aufsätze enden jeweils mit einem eigenen Literaturverzeichnis.

Den Teil I (Theorien) des Sammelbandes eröffnet der Co-Herausgeber. „Cyberkriminologie – Kriminologische Ansätze für eine digitale Weltgesellschaft?“, lautet dabei die Fragestellung (S. 3 – 37), die mit einem gut 7,5-seitigen Literaturverzeichnis unterlegt ist. Kurzgefasst beschäftigt sich der Aufsatz mit der Hell-/Dunkfeldproblematik, der Problematisierung bzgl. der Anwendung von nationalem Strafrecht und der Wahrnehmung von Polizei im digitalen Raum. Kapitel 1 des Aufsatzes befasst sich im Wesentlichen mit dem Geltungsbereich von (strafrechtlichen) Normen bei Cybercrime, u.a. auch dann, wenn sich der/die Täter/-in nicht auf der Erde befindet, was durch einen Aufenthalt in einem Raumschiff oder auf einem anderen Planet begründet sein kann. Ganz neu sind derartige Gedanken nicht, wenn man an das Weltrechtsprinzip oder das internationale Seerecht denkt. Aus der Frage nach einem internationalen (digitalen) Strafrecht leitet der Autor die Notwendigkeit für eine Disziplin ab, die als Cyberkriminologie („Lehre von digitalen Normenbrüchen“) bezeichnet werden soll. Das Kapitel 2 widmet sich ausgewählten kriminologischen Besonderheiten im digitalen Kontext, an das lediglich zwei Unterkapitel anschließen: (1) Die Präventivwirkung des Nichtwissens im Internet und die damit zusammenhängende (2) „[d]igitale Kriminalitätstransparenz oder von der Gewöhnung an digitale Normenbrüche“. In Bezug auf die Präventivwirkung des Nichtwissens wird die Hell-/Dunkelfeldproblematik im Bereich Cybercrime beschrieben und argumentiert, dass es bei digitalen Straftaten zu einem Kontrolldefizit kommen könnte. Im zweiten Unterkapitel argumentiert der Autor bei der Wiedergabe von Daten aus der PKS mit einem 2-Jahresvergleich, um den Anstieg von Delikten im Bereich von Cybercrime im engeren bzw. weiteren Sinne zu problematisieren. Aus kriminologischer Perspektive eigenen sich derartige 2-Jahresvergleiche allerdings nicht für eine solide Argumentation. Das Kapitel schließt mit einer Hypothese des Autors, die hier vollständig zitiert wird: „Die aus diesen Umständen zu ziehende Hypothese ist, dass im Netz durch die Transparenz von digitaler Kriminalität die ‚Präventivwirkung des Nichtwissens‘ durchbrochen zu sein scheint“. Man kann sich diese „Hypothese“ kaum an den Beginn einer Forschung vorstellen, so diffus wie sie formuliert ist. Das Kapitel 3 befasst sich mit der formellen Sozialkontrolle. Auch wenn wiederkehrend von „den“ Sicherheitsbehörden die Rede ist, geht es vor allem um die Länderpolizeien. Dabei steht insbesondere die Frage der Sichtbarkeit digitaler Polizeistreifen im Fokus. Einleitend wird behauptet, dass „es unwahrscheinlich [ist], dass eine polizeiliche Streife tatsächlich auch proaktiv auf Straftaten trifft“ – gemeint ist dabei die herkömmliche (analoge) Streifentätigkeit. Treffend wird dabei das bürgerveranlasste Anzeigeverhalten in Höhe von ca. 85 % bis 95 % benannt. Weshalb der Autor angesichts der verbleibenden 5 % bis 15 %, die den Kontrolldelikten oder unmittelbar wahrgenommenen Delikten zugeordnet werden können, zu dem Ergebnis kommt, es wäre „unwahrscheinlich“, dass eine Streife „proaktiv auf Straftaten trifft“ muss offen bleiben. An zwei Stellen folgt der Aufsatz der allgemein anzutreffenden Tendenz, das Lüchow-Dannenberg-Syndrom lückenhaft darzustellen und die Primärquelle nicht zu nennen. Zum Abschluss wird im Kapitel 4 die Frage gestellt, ob „das Internet [sic!] ein anomischer Raum“ ist. Ausgehend von der bereits in Deutschland vorhandenen mangelhaften Abstimmung bei der polizeilichen Vorgangsbearbeitung und der Frage der Strafbarkeit von Äußerungen, die der KI entspringen, wird die Forderung nach der „Etablierung einer Art [sic!] digitalen Weltstrafrechts“ erhoben. Europol oder Interpol sollen dabei eine „entsprechende Funktion übernehmen“, wenn es um die Bündelung staatenspezifischer Ressourcen (welche?) geht. Die in diesem Aufsatz anzutreffende Idee, klassische sozialwissenschaftliche Texte (Popitz, Durkheim) für die Cyberkriminologie fruchtbar zu machen, überzeugt nicht; die Argumentation ist zu wenig analytisch, zu wenig theoriebezogen und bewegt sich durchwegs auf recht oberflächlichem Niveau. Ebenso wenig greift der Versuch, ein „Broken Web Phänomen“ [sic!] zu etablieren. Das Beispiel des „Broken Web“ eignet sich zudem für die Verdeutlichung der sprachlichen Probleme, die in diesem Aufsatz beinhaltet sind: „Dies könnte die Hemmschwelle im Netz für den Normenbruch erhöhen und damit auch das sog. Broken Web Phänomen, also dass die Sichtbarkeit von Normenbrüchen und der fehlenden Sanktionierung das Gefühl der Rechtsfreiheit fördert und damit die Hemmschwelle und damit die Hemmschwelle [sic!] zur Tatbegehung senken“. Ein anderes Beispiel bezieht sich auf die formelle Sozialkontrolle durch die Polizei: „Dies könnte Menschen zeigen, dass die formelle Kontrolle kein allzu großes Interesse an der Ahndung eines Normenbruchs hat, das Risiko des Normenbruchs also gering ist“ (Hervorhebung d. KL). Die hohe Fehlerquote in Bezug auf Rechtschreibung und Grammatik ist auffällig, trübt den Lesefluss und ist insofern bemerkenswert, als dass es sich um den Co-Herausgeber handelt. Die dahingehenden Beanstandungen in anderen Aufsätzen dieses Sammelbandes lassen sich damit begründen. Im Übrigen sind Begriffskonstellationen wie der intrastellare digitale Kommunikationsraum, steigende Statistiken oder der „Globus Erde“ ebenso auffällig und wenig überzeugend wie die Behauptung, Menschen würden „immer weniger Zeit im analogen Raum verbringen“.

„Das ‚Spuren- und Indizienparadigma‘ – Bedeutung innerhalb der kriminalistischen Handlungslehre im Kontext der Cyberkriminalistik und -kriminologie“ (S. 71 – 136) wurde verfasst von Holger Plank und André Fiedler. Die Autoren befassen sich mit den Auswirkungen der Cyberkriminalität auf die Kriminalistik bzw. die institutionelle Kriminalitätskontrolle. Es handelt sich um den längsten Aufsatz in diesem Sammelband, der mit 15 Kapiteln recht ausdifferenziert ist. Ein Essay von Wolfgang Flender, erschienen 2020 in der Süddeutschen Zeitung, bildet die analytische Grundlage für die Autoren; darin beschäftigt er sich mit den Auswirkungen des digitalen Zeitalters auf die Kriminalliteratur.  Der Beitrag von Plank/Fiedler beginnt mit grundlegenden Ausführungen zur Spurenkunde, die jederzeit in einem Lehrbuch Aufnahme finden könnten (bzw. sollten). Verschiedene Aussagen Flenders werden daran anschließend analysiert. Als Kernaussage formulieren die Autoren: „Polizeiarbeit wird auch zukünftig eine im wesentlichen menschliche Denkleistung bleiben“, ergänzt um eine bereits jetzt praktizierte Erweiterung um eine digitale Forensik. Im zweiten Themenblock, ab Kapitel 6, werden die Auswirkungen auf die kriminalpolizeiliche Praxis analysiert – einschließlich des Hauptverfahrens, so dass auch die Justiz bzw. die Strafverteidiger Berücksichtigung finden. Die Klammer, die beide Themenblöcke zusammenhält, bildet das (digitale) Austauschprinzip nach Edmond Locard, also die Aussage, wonach jeder Täter eine Vielzahl an Spuren hinterlässt. Die Beschreibung des Begriffsverständnisses des digitalen vs. des analogen Raumes bzw. die theoretische Einordnung des digitalen Raumes verdeutlicht exemplarisch die Qualitätsunterschiede ggü. dem o.a. ersten – kaum überzeugenden – Aufsatz in diesem Sammelband. Bei Plank/Fiedler ist eine solide wissenschaftlichen Analyse anzutreffen, die auf sozialwissenschaftliches und philosophisches Grundlagenwissen aufbaut. Demgegenüber bietet die einleitende Aufsatz im ersten Teil des Sammelbandes nicht mehr als Versatzstücke. Zusammengefasst legen Plank/Fiedler einen der besten Beiträge aus den Bereichen Kriminalistik und Cyberkriminologie vor, die derzeit auf dem deutschsprachigen Gebiet vorliegen. Man kann den Autoren zu dieser Leistung nur gratulieren.

Mit umfangreichen Quellennachweisen wartet ebenfalls die Arbeit von Michael Graßl auf: „Hate Speech, Influencer, Medienkompetenz: Aufgaben und Herausforderungen für die digitale Polizeiarbeit in Sozialen Medien“ (S. 193 – 221). Vor dem Hintergrund der Doppelrolle der Polizei in den sozialen Medien als Teilnehmerin und als Instanz formeller Sozialkontrolle widmet sich Graßl der Fragen: „Wie muss sich die zukünftige digitale Polizeiarbeit rund um soziale Netzwerke operativ und organisatorisch aufstellen?“ und „Welche Kompetenzen sind im Hinblick auf Phänomene wie Hate Speech, Fake News und Influencer nötig?“ Der Aufsatz beinhaltet eine anschauliche und praxisnahe Beschreibung des Wandels von der Polizeipressestelle hin zur digitalen Polizeiarbeit in den sozialen Medien. Deutlich wird allerdings nicht, weshalb dieser Beitrag im Teil I (Theorien) verortet ist.

„Erhebungs- und Analysemethoden der zukunftsorientierten Polizeiarbeit für die Zwecke der (kommunalen) Kriminalprävention“ lautet der Titel des Beitrags von Isabell Daschmann und Frederik Herden (S. 225 – 260). Im Kern geht es im Allgemeinen um die Durchführung regionaler Kriminalitätsanalysen und im Besonderen um die mikroräumliche Konzentration von Kriminalität. Als Ausgangspunkt dienen die nach Einschätzung der Autorenschaft „in Deutschland [bisher] kaum erprobten Konzepte des „Hot-Spot“- und „Problem-Oriented-Policing“. Die Arbeit nimmt Bezug auf das zwischen 2019 und 2021 BMBF-geförderte Projekt AKTIO (Sicherheitsaufgabe Kriminalprävention), dessen Schlussberichte hier nachgelesen werden können. Hervorzuheben sind die Beschreibungen der polizeilichen Datenbanken (Eingangsstatistiken) – abseits der polizeilichen Kriminalstatistik -, da diese oft zu wenig Berücksichtigung finden. Wie Daschmann/Herden zurecht feststellen, handelt es sich um „für strategische Analysen äußerst wichtige Informationen“, trotz der zum Teil unzureichenden Qualitätssicherung. Die im Aufsatz beschriebenen Schwierigkeiten bei der Datenanalyse und -visualisierung in diesem Projekt weisen darauf hin, dass die Polizei in ihrer täglichen Lagearbeit (= Datenanalyse) viel Potential brach liegen lässt. An dieser Stelle wird auch der Mehrwert der Arbeit deutlich: das Aufzeigen von Schwierigkeiten, die polizeiliche erfasste Kriminalität überhaupt visuell darzustellen zu können. Die (geografische) Verwendung von Daten einer Eingangsstatistik in diesem Projekt hätte allerdings stärker problematisiert werden sollen. Zudem wird der Zweck kriminologischer Regionalanalysen nicht deutlich, so dass auch diese Arbeit die Kriminalgeografie auf eine Kriminalitätsverteilungslehre begrenzt – ergänzt um die räumliche Verteilung der Kriminalitätsfurcht. Die ergänzende grafische Darstellung von Angsträumen und die direkte Gegenüberstellung mit der registrierten Kriminalität wird nur kurz angerissen, so dass eine (wichtige) Methodenkritik an dieser Vorgehensweise ausbleibt. Gleichwohl repliziert die Untersuchung wichtige Erkenntnisse, wie beispielsweise in Bezug auf Mehrfach- und Intensivtäter. 36 Personen sind „mit jeweils mindestens zehn Straftaten im Jahr 2019 in Erscheinung getreten. Diese 36 Personen (0,9 % der Tatverdächtigen) vereinen insgesamt 476 Straftaten im Jahr 2019 auf sich und sind somit für 5 % der Gesamtstraftaten verantwortlich“. Der Aufsatz hat mitunter das Gepräge eines Werkstattberichts und kann nicht zuletzt auch für diejenigen empfohlen werden, die sich mit polizeilichen Datenbanken befassen. Bedauernswert ist, dass die Untersuchung der Leipziger Waffenverbotszone von Kurt Mühler, Universität Leipzig, Institut für Soziologie, keine Berücksichtigung fand; diese hätte sich sehr gut in die hier vorgestellten Überlegungen einfließen lassen. Gleichwohl es sich um eine solide Arbeit zur kommunalen Kriminalprävention und zu David Weisburds „law of crime concentration at places“ handelt, wird nicht klar, weshalb sich dieser Beitrag in einem Handbuch zur Cyberkriminologie wiederfindet.

Wim Hardyns und Hoel Klima, Universität Gent, widmen sich in ihrem kürzeren, jedoch recht informativen Beitrag der Kriminalitätsprognose: „Predictive policing: Eine methodische und operative Bewertung“ (S. 347 – 363). Der Beitrag beruht auf der seit dem Jahr 2015 erfolgten Forschung zum Predictive Policing an den Universitäten Antwerpen und Gent (Belgien). Die Fragestellungen in diesem Aufsatz lauten: „Was bedeutet prädiktive Polizeiarbeit eigentlich? Welche Möglichkeiten bieten neue (große) Datenquellen? Welche statistischen Modelle können wir wählen? Welchen Einfluss haben methodische Parameter wie zum Beispiel das vorhergesagte Gebiet oder das gewählte Zeitfenster? Inwieweit ist prädiktive Polizeiarbeit kontextspezifisch? Wie sollte prädiktive Polizeiarbeit bewertet werden?“. Die vorgestellten Forschungsergebnisse beinhalten beispielsweise eine vergleichende Analyse der statistischen Modelle Near Repeat, Risk Terrain und Machine Learning, wobei sich zeigte, dass „das maschinelle Lernmodell bei allen getesteten Parametern am besten abschneidet“. Den Autoren gelingt es in ansprechender Weise, ihre Forschungsergebnisse mit grundlegenden Ausführungen zu dem bis dato noch wenig erforschten Predicitive Policing in Einklang zu bringen.

Den Teil III (Rechtliche Grundlagen) eröffnet Jasmin Haider mit „Strafverteidigung im digitalen Zeitalter: über neue Anforderungen, Strafbarkeitsfallen und Drogenhandel über soziale Netzwerke“ (S. 501 – 541).[1] Der Schwerpunkt in diesem Aufsatz liegt bei einem Überblick über die Strafvorschriften mit Bezug zu Cybercrime, d.h. Kurzbeschreibungen derjenigen Strafnormen, die der Cybercrime im (a) engeren und im (b) weiteren Sinne zuzuordnen sind: (a) Ausspähen von Daten (§ 202a StGB), Abfangen von Daten (§ 202b StGB), Vorbereiten des Ausspähens und Abfangens von Daten (§ 202c StGB), Datenhehlerei (§ 203 StGB), Verletzung des Post- oder Fernmeldegeheimnisses (§ 206 StGB), Computerbetrug (§ 263a StGB), Fälschung technischer Aufzeichnungen (§ 268 StGB), Fälschung beweiserheblicher Daten (§ 269 StGB), Urkundenunterdrückung (§ 274 StGB), Datenveränderung (§ 303a StGB), Computersabotage (§ 303b StGB), Störung von Telekommunikationsanlagen (§ 317 StGB) – einschließlich ausgewählter Normen außerhalb des StGB: Urheberrechtsverletzungen (§§ 106 ff. UrhG), Verrat von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen (GeschGehG); (b) Vermögensdelikte (Geldwäsche, Betrug, Erpressung (Online-Betrug, Betrug mit Kryptowährungen, Online-Erpressung), Kommunikationsdelikte (Verbreiten von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen und Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen – §§ 86, 86a StGB, Anleitung zur Begehung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat – § 91 StGB, Öffentliche Aufforderung zu Straftaten – § 111 StGB, Volksverhetzung – § 130 StGB, Gefährdendes Verbreiten personenbezogener Daten – § 126a StGB, Anleitung zu Straftaten – § 130a StGB, Cybermobbing, Beleidigung – § 185 StGB, Üble Nachrede – § 186 StGB, Verleumdung – § 187 StGB, Verhetzende Beleidigung – § 192a StGB) und Sexualdelikte (Verbreitung pornographischer Schriften – § 184 StGB, Verbreitung gewalt- und tierpornographischer  StGB, Verbreitung jugendpornographischer Schriften – § 184c StGB, Einwirkung auf Kinder zur Ermöglichung der Vornahme sexueller Handlungen – §§ 176a, 176b StGB).

Das knapp 2-seitige zweite Kapitel befasst sich mit der Frage, inwieweit Strafverteidiger im digitalen Zeitalter neue Skills mitbringen müssen – konkret technische und fachliche Kenntnisse, die Kompetenz zur Verarbeitung von Massendaten und ein Verständnis bzgl. digitaler Spuren. Im dritten Kapitel erläutert die Autorin am Beispiel des internetbasierten Kaufs von Rauschgift, wo im digitalen Zeitalter Strafbarkeitsfallen nach dem Betäubungsmittelgesetz (BtmG) drohen. Analysiert werden Anwendungsmöglichkeiten des BtmG auf Käufer, Verkäufer und Plattformbetreiber. Fraglich ist jedoch, ob hier tatsächlich Strafbarkeits“fallen“ vorliegen. Das abschließende vierte Kapitel stellt die Frage nach den sozialen Netzwerken als rechtsfreier Raum und rückt die Verantwortung der Internetprovider am Beispiel des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes in den Vordergrund. In der Gesamtbetrachtung richtet sich der Aufsatz von Haider – sieht man vom zweiten Kapitel ab – nicht nur an Strafverteidiger/-innen.

Mit der „Strafbarkeit und Rechtsstaatlichkeit in Zeiten der Cyberkriminologie“ (S. 675 – 699) befasst sich Sophie Tschorr. Die Autorin veranschaulicht und analysiert jüngere Gesetze mit Bezug zur Cyberkriminologie; zudem widmet sie sich dem strafrechtlichen Gehalt von kinderpornographischem Material. Im ersten Abschnitt befasst sich die Autorin mit Blick auf den im Jahr 2021 in Kraft getretenen § 127 StGB (Betreiben krimineller Handelsplattformen im Internet) der underground economy und beschreibt das bzw. die Gesetzgebungsverfahren und die dazugehörigen Hintergründe. Als wenig analytisch erweist sich hier die Aussage, wonach „[t]rotz vehementer und im Übrigen auch grundsätzlich einstimmiger Kritik von Seiten der Rechtswissenschaft“ der Bundestag für die Einführung des § 127 StGB stimmte – und zwar nicht nur wegen seiner problematischen Generalisierung, sondern auch wegen des Fehlens dazugehöriger Quellen. Der zweite Abschnitt beschäftigt sich mit der Kinderpornographie in einer Blockchain. Wer Kinderpornographie und Blockchain inhaltlich nicht verbinden kann, wird nach der Lektüre auch nicht wesentlich schlauer sein; insofern hat das „Handbuch“ hier seinen Zweck verfehlt. Der dritte Abschnitt hat den EU-Kodex für elektronische Kommunikation zum Inhalt und dessen Auswirkung auf die Selbstverpflichtung von Anbietern wie Facebook, erfasste Inhalte nach kinderpornographischem Material zu scannen. Der fünfte Abschnitt ist mit „Dark Social als Herausforderung für die Strafverfolgung“ beschrieben und handelt im Wesentlichen von der Quellen-Telekommunikationsüberwachung (Quellen-TKÜ), bleibt dabei jedoch an der Oberfläche. Der abschließenden Abschnitt ist dem Ausblick gewidmet, in dem sich die Autorin mit dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz befasst. Mit Blick auf das Lektorat ist in diesem Aufsatz abermals der Umfang an Rechtschreib- und Grammatikfehlern auffällig.

Fazit

Die Bezeichnung des Sammelbandes ist mit „Handbuch Cyberkriminologie 1. Theorien und Methoden“ unzutreffend beschrieben. Einige Aufsätze befassen sich zwar mit Themen, die IT-Bezüge aufweisen (z.B. Predictive Policing, Law of Crime Concentration at Places), beziehen sich jedoch auf allgemeine (analoge) Kriminalitätsformen. Die Aufsätze weisen in qualitativer Hinsicht eine (zu) große Bandbreite auf. Vor allem der herausragende Beitrag von Plank/Fiedler deckt die Schwächen in anderen Beiträgen auf. Lediglich der hohe Preis für dieses Buch hält davon ab, den Kauf bereits wegen dieses Aufsatzes zu empfehlen, bei dem es sich um einen der gelungensten Beiträge aus den Bereichen Kriminalistik und Cyberkriminologie handelt, die derzeit im deutschsprachigen Raum zur Verfügung stehen. In der Gesamtbetrachtung ist es zu begrüßen, dem Cybercrime zu mehr Aufmerksamkeit in der Kriminologie zu verhelfen; denn auch das verdeutlicht der Sammelband: Die Bindestrich-Kriminologie steht noch am Anfang ihrer Entwicklung.

Karsten Lauber, März 2024

[1] Auffällig ist, dass in dem Buch die Seite 542 fehlt.