Lutz Meyer-Goßner[1], Bertram Schmitt[2]. Strafprozessordnung mit GVG und Nebengesetzen[3]. München; C. H. Beck Verlag; Auflage 2024, ISBN 9783406809842, 2.852 Seiten, 115.- €
Der von Otto Schwarz (bis zur 22. Auflage) begründete, in dessen Nachfolge von Theodor Kleinknecht, Karlheinz Meyer, bis zur 60. Auflage 2017 von Lutz Meyer-Goßner und seither von Bertram Schmitt (Fn. 2) unter Mitarbeit von Marcus Köhler[4] in der nunmehr 67. Auflage herausgegebene „Kurzkommentar“ zur Strafprozessordnung erscheint regelmäßig jährlich als Band 6 in der Reihe Beck`sche Kurzkommentare des C. H. Beck Verlags.
Der Kommentar umfasst Gesetzgebung, Rechtsprechung und Schrifttum auf dem Stand März 2024. Die wesentlichen, seit der 66. Auflage aufgenommenen und kommentierten legislativen Änderungen sind
- (zuletzt) Gesetz zur Fortentwicklung des Völkerstrafrechts[5],
- Gesetz zur weiteren Digitalisierung der Justiz[6],
- Gesetz zur Einführung der elektronischen Akte in der Justiz und zur weiteren Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs[7],
- Gesetz zur Modernisierung des Strafverfahrens[8],
- Rückführungsverbesserungsgesetz[9],
- Gesetz zur Regelung des Sozialen Entschädigungsrechts[10],
- Entscheidung des BVerfG (2 BvR 900/22) zur Verfassungswidrigkeit des § 362 Nr. 5 StPO[11],
- Gesetz zur Überarbeitung des Sanktionenrechts – Ersatzfreiheitsstrafe, Strafzumessung, Auflagen und Weisungen sowie Unterbringung in einer Entziehungsanstalt[12],
- sowie die Neufassung der RiStBV[13].
Aus der jüngeren strafprozessrechtlichen höchstrichterlichen Rechtsprechung wurden insbesondere folgende Entscheidungen des BGH in Strafsachen eingearbeitet, z. B.
- BGH, 03.11.2022 – 6 StR 296/21, zum Ergänzungsschöffen als zur Urteilsfindung berufenen Person (§ 229 III S. 1 Nr. 1 StPO, § 192 II GVG),
- BGH, 13.12.2022 – 6 StR 467/22, zur vernehmungsersetzenden Vorführung einer richterlichen Videovernehmung,
- BGH, 13.12.2022 – 6 StR 95/22, zu sog. „Schiebeterminen“ (§ 229 StPO),
- BGH, 17.01.2023 – 2 StR 87/22, zur Präklusion der Besetzungsrüge bei Rechtsmittelentscheidungen nach Urteilsverkündung,
- BGH, 24.01.2023 – 3 StR 386/21, zur Vollmacht des Verteidigers bei Abwesenheitsverhandlung in der Berufungsinstanz,
- BGH, 08.02.2023 – 6 StR 284/22, zur revisionsrechtlich erheblichen Mitteilungspflicht über Verständigungsgespräche außerhalb der Hauptverhandlung (§§ 243 Abs. 4 S. 2, 257c, 337 Abs. 1 StPO),
- BGH, 30.03.2023 – StB 58/22, zum Anfangsverdacht bei einer Wohnungsdurchsuchung,
- BGH, 16.08.2023 – 5 StR 126/23, zum Konfrontationsrecht des Angeklagten,
- BGH, 23.08.2023 – StB 54/23, zur Beschränkung des freien Verkehrs zwischen Verteidiger und Beschuldigtem,
- BGH, 26.09.2023 – 5 StR 164/22, zur Verletzung der Wartepflicht nach Selbstanzeige eines Schöffen,
- BGH, 19.12.2023 – 3 StR 160/22, zur Fristsetzung der Anbringung von Beweisanträgen nach § 244 VI S. 3 StPO,
darüber hinaus des BVerfG in Strafsachen, z. B. (siehe auch oben, erste Aufzählung, § 362 Nr. 5 StPO), z. B. BVerfG, 09.08.2023 – 2 BvR 1373/20, zur Verfassungsmäßigkeit der gleichartigen Wahlfeststellung,
bzw. des EuGH, z. B. zum Doppelbestrafungsverbot (ne bis in idem) auf Vorlage des OLG Bamberg, EuGH, 23.03.2023 – C-365/21 sowie zur gerichtlichen Überprüfung grenzüberschreitender Ermittlungsmaßnahmen der Europäischen Staatsanwaltschaft (EUStA), EuGH, 21.12.2023 – C-281/22.
Die jährliche Neuauflage des Meyer-Goßner / Schmitt inhaltlich ausführlich besprechen oder gar würdigen zu wollen, ist angesichts des Umfangs auch ausschnittsweise über das Highlighten wesentlicher Neuerungen hinaus nur schwer möglich und hieße außerdem, „Eulen nach Athen zu tragen“. Nicht umsonst fehlt der Kommentar in keiner fachanwaltlichen Kanzlei, keinem gerichtlichen Sitzungssaal, keiner Fachbibliothek und er ist in nahezu allen Bundesländern zur Zweiten Juristischen Staatsprüfung zugelassen. Es dürfte sich deshalb nach wie vor um den meistgenutzten (Kurz-)Kommentar zur StPO handeln. Aus gutem Grund, er bietet eine fundierte und – wo erforderlich – auch hinreichend tiefe Orientierung zu den allermeisten relevanten Problemstellungen und bietet zudem Verweise auf die hierzu ergangenen Entscheidungen / zur in diesem Kontext lesenswerten Literatur / weitergehenden Kommentierungen. So bleibt der Blick auf die jeweils herrschende Meinung klar, ohne kritische Untertöne hierzu zu vernachlässigen.
Ich kenne keine kritische Besprechung des Werkes, vielmehr kumulieren die Superlative in der einschlägigen Besprechungsliteratur. Man darf sich also guten Gewissens der h. M. der Kommentierungen, gekennzeichnet durch die Prädikate „Goldstandard“ bzw. „Maßstab und Referenz für alle Verfahrensbeteiligten“[14], anschließen.
Insofern stimmt – trotz des Umstandes, dass der Kommentar in der Neuauflage seit 2022 (wieder) die 100-Euro-Marke reißt – auch weiterhin das Preis-Leistungs-Verhältnis.
Holger Plank (im Juli 2024)
[1] Vorsitzender Richter am BGH a. D., Honorarprofessor für Strafrecht und Strafprozessrecht an der Philipps-Universität Marburg (von der 40. – 60. Auflage des Kommentars).
[2] Richter am IStGH in Den Haag, Honorarprofessor an der Universität Würzburg.
[3] Siehe Verlags-Website mit Inhaltsverzeichnis. Ohne explizite Namensnennung auf dem Frontcover als Mitautor der Kommentars auf dem Deckblatt genannt Marcus Köhler, Richter beim 5. Strafsenat des BGH in Leipzig, Lehrbeauftragter an der Universität Leipzig.
[4] Seit 2018 Mitglied des 5. Strafsenats des BGH.
[5] Vgl. TOP 5 der Bundesratssitzung vom 05.07.2024; bereits vollständig berücksichtigt.
[6] BGBl. 2024 I Nr. 234; nur teilweise in der Neuauflage berücksichtigt, da noch nicht in Kraft.
[7] BGBl. 2017 I Nr. 45; noch nicht vollständig in Kraft getreten.
[8] BGBl 2019 I Nr. 46, S. 2121 (in Bezug auf Veränderung in § 100a II Nr. 1j StPO); in Kraft Treten am 12.12.2024.
[9] BGBl. 2024 I Nr. 54 (in Bezug auf § 100a Abs. 2 Nr. 5a StPO)
[10] BGBl 2024 I Nr. 50, S. 2652 (in Bezug auf die Neuregelung des Opferentschädigungsrechts im 14. Buch des SGB, hier Hinweis in § 406j S. 1 Nr. 3 StPO)
[12] BGBl. 2023 I Nr. 203 (hinsichtlich §§ 153a, 246a, 459e, 463, 463d StPO)
[13] Vom 28.03.2023, BAnz AT 19.06.2023 B1
[14] Juralit, 13.05.2022