Jan-Philipp Küppers, Polizei und Bürgerbeteiligung. Impulse für mehr Vertrauen, Kooperation und Akzeptanz. SpringerGabler Wiesbaden, 2024, ISBN978-3-658-44597-3, 162 S., 44,99 Euro, e-book 9,99 Euro
Polizeiarbeit ist ohne Mithilfe von Bürgern nicht möglich. Schon länger wissen wir, dass dies nicht nur für den alltäglichen Kontakt gilt, sondern auch für die Aufklärung von Straftaten. Ohne die Zu- und Mitarbeit von Bürgern würde die Polizei kaum Straftaten aufklären können. Nicht nur deshalb liegt es nahe sich intensiver mit der Frage zu beschäftigen, wie das Verhältnis zwischen Polizei und Bürgern verbessert werden kann.
In seinem Buch erklärt Küppers ausführlich, warum Beteiligungsprozesse für die Polizei an Bedeutung gewonnen haben und wie sie erfolgreich gestaltet werden können. Dafür verweist er auf die Tatsache, dass in Zukunft zunehmend eine integrierte Sicherheitsstruktur notwendig ist, in der Stakeholdergruppen und betroffene Bürger eine wichtige Rolle in der polizeilichen Gefahren- und Risikobewertung und damit an der Gestaltung ihres lebensweltbezogenen Sicherheitsempfindens einnehmen.
Wir haben diesen Ansatz bereits in den 1990er Jahren im Rahmen unserer Studien zur Kommunalen Kriminalprävention intensiv herausgearbeitet und empirisch mit Querschnittsbefragungen zu Verbrechensfurcht, subjektiven Wahrnehmung von Kriminalität und Bewertung von Polizeiarbeit belegt. Die „Forschungsgruppe Kommunale Kriminalprävention“[1] beschäftigte sich damals vor dem Hintergrund der Idee des „community policing“ mit der Frage, ob und wie objektive Kriminalitätslage und subjektives Kriminalitätsempfinden zusammenhängen und wie sich Kriminalitätsfurcht auf das Sicherheitsgefühl der Bürgerinnen und Bürger auswirkt. In den Jahrzehnten danach wurde deutlich, welche Auswirkungen Verbrechensfurcht, Sicherheitsgefühl und die „German Angst“ auf den Zusammenhalt in der Gesellschaft haben und wie diese Aspekte das Vertrauen in Politik und Demokratie beeinflussen. Bereits Anfang der 1990er Jahre stellen wir fest, dass Angst vor Kriminalität und Verbrechensfurcht eng zusammenhängen mit allgemeinen Lebensängsten. „Doch leider wissen das die Betroffenen nicht, und wenn sie es wüßten, dann würde ihnen dies wohl wenig helfen – eher im Gegenteil, denn die Verbrechensfurcht ist zumindest in Teilen greifbar und auf Personen zu übertragen, während allgemeine Lebensangst nicht personifizierbar ist und deshalb eher verdrängt wird“ (Feltes & Gramkow, 1994).
Das hier von Küppers vorgelegte Buch verfolgt einen „orientierenden und handlungsleitenden Anspruch, wie praktikable Beteiligungsprozesse der Bürger*innen in Planung und Vorhaben der Polizei eingebunden werden können. Theoretische Grundlagen und praktische Anwendungsfelder für die Umsetzung von Beteiligungsprozessen werden ermittelt: Mitwirkung in Kooperationsgesprächen zur diskursiven Konfliktbearbeitung im Vorfeld von Protestlagen, zur Meinungsbildung durch Information und diskursiven Austausch von Argumenten im Rahmen der kommunalen Sicherheits- und Präventionsarbeit oder anlassabhängige „Runde Tische“ im Wirkbereich von unabhängigen Bürger- und Polizeibeauftragten“ (Klappentext).
Dabei geht es sowohl um praktische Hilfestellung und besseres Verständnis von Beteiligungsprozessen für die Polizeiarbeit als auch um die Vorteile der Bürgerbeteiligung. Drei praxisorientierte Anwendungsfelder (Kooperationsgespräche in Protestlagen, unabhängige Bürger- und Polizeibeauftragte und kommunale Sicherheits- und Präventionsarbeit) werden intensiver vorgestellt.
Insgesamt ist das Buch ein Plädoyer für „mehr Bürgerbeteiligung wagen“ – ein zum gegenwärtigen Zeitpunkt, wo die Beziehungen zwischen Bürgern und Polizei so angespannt sind wie seit langem ein gleichermaßen wichtiger wie schwieriger Ansatz. Wenn sich die Polizei und Bürger gegenseitig steigende Gewaltbereitschaft vorwerfen und gleichzeitig die Zufriedenheit mit der Polizei und die Einschätzung der Effektivität der Polizeiarbeit durch die Bürger schlechter geworden ist (Feltes/Reiners 2019), dann schreit dies förmlich nach Erklärungs- und konkreten Mediationsversuchen – die aber müssen auf kleinräumiger, regionaler Ebene stattfinden. Das Buch von Küppers liefert dafür nicht nur den theoretischen Unterbau, sondern auch konkrete Handlungsansätze.
Um noch einmal den Klappentext zu zitieren: „In einer Zeit großer Verunsicherung angesichts gesellschaftlicher Veränderung und Komplexität eröffnen Beteiligungsprozesse die Chance, angespannte Verhältnisse von Polizei und Zivilgesellschaft zu befrieden und ein gegenseitiges Vertrauensverhältnis aufzubauen. Bürgerbeteiligung kann kein hoheitliches Handeln ersetzen, aber mit Alltags- und Erfahrungswissen anreichern. In diesen bewegten Zeiten gibt es kein besseres Rezept, um gemeinsam Sicherheit zu gestalten und Probleme zu bearbeiten“.
Thomas Feltes, August 2024
[1] Der Forschungsgruppe gehörten folgende Vertreter der Universitäten Heidelberg und Konstanz, des Max-Plank-Institutes in Freiburg sowie der Hochschule für Polizei Villingen-Schwenningen an: Dieter Dölling, Thomas Feltes, Wolfgang Heinz, Dieter Hermann, Helmut Kury, Joachim Obergfell-Fuchs, Christiane Simsa und Gerhard Spieß.