Malek / Popp / Nadeborn: Strafsachen im Internet. 3. Auflage. Rezensiert von Holger Plank.

Klaus Malek, Andreas Popp, Diana Nadeborn: Strafsachen im Internet. 3. Auflage 2024, ISBN 978-3-8114-6062-1, 320 Seiten, C. F. Müller Verlag, Heidelberg, Reihe Praxis der Strafverteidigung, Band 21, 54.– €

Das „Internetstrafrecht“ galt lange Zeit als Spezialmaterie. Aktuell gibt es im Alltag der Behörden und Institutionen, die sich mit der Gefahrenabwehr und der Krimi­nalität beschäftigen, allerdings kaum noch einen Sachverhalt, der keine informations­technischen Bezugspunkte beinhaltet. Zusätzlich entstehen durch die besondere Tatgelegenheitsstruktur des virtuellen Raums beinahe täglich neuartige unerwünschte Phänomene, die fachwissenschaftlich diskutiert, in der Folge nicht selten im kriminalpolitischen Kontext aufgegriffen und als Anlass zur Fort­schreibung der Strafgesetzgebung genutzt werden. Die Dynamik dieses kriminalwissenschaftlichen Feldes hält deshalb ungebrochen an.

Das von Klaus Malek[1] in der 1. Auflage (2005) begründete, in der aktuellen 3. Auflage von Andreas Popp[2] und Diana Nadeborn[3] bearbeitete Handbuch „Straf­sachen im Internet“[4] vermittelt profundes rechtliches Fachwissen und gut nutz­bare Antworten auf praktische Fragen, für eine erfolgreiche Vertei­digung in cyber­­straf­rechtlichen Angelegenheiten, von strategischen Über­le­gungen und Taktiken bis hin zu alltäglichen Problemen des Verteidiger­alltags. Aber nicht nur Verteidiger, sondern viele andere in der Strafverfolgung und Gefahrenabwehr tätigen Professionen können von der geordneten Darstellung profitieren. Die Fort­schreibung des Werks nach der 2. Auflage 2015 war dringend geboten, da – neben den Kern­tatbeständen des Cyberstrafrechts („Cybercrime im engeren Sinne“ [5]) – inzwischen nahezu jede Straftat des Kern- und Nebenstrafrechts auch mit Hilfe des „Tat­mittels Internet“[6] („Cyber­crime im weiteren Sinne) vorstellbar ist und die „Erhebung von digitalen Beweis­mitteln sowie die Durchsicht und Beschlagnah­me von Datenträgern (loka­le oder externe Speichermedien sowie solchen in der Cloud) beim Beschuldigten oder bei Dritten das moderne Strafverfahren zuneh­mend prägen“[7] (S. V). Nicht zuletzt, durch internationale[8] und europarechtliche Regelungen beeinflusst[9], ergeben sich im (trans-) nationalen Verfahrensrecht signifikante Änderungen.

Im Wesentlichen wurden die strafrechtlichen Kerntatbestände des Phänomens „Cybercrime“ (im engeren Sinne) mit dem „Einundvierzigsten Strafrechtsän­derungs­­gesetz zur Be­kämpfung der Computerkriminalität“ (zuletzt) im Jahr 2007 eingeführt bzw. modifiziert.[10] Die Bedeutung der Internetkriminalität im Allge­meinen, die anhaltende Dynamik des Deliktsfeldes, der technischen Entwicklung und der potenziellen Schadensrisiken gebieten allerdings längst eine zeit-, phä­nomen- und technikangepasste Überar­beitung der gesamten Materie.[11] Das betrifft nicht nur die Cybersicherheitsforschung („White Hacker“), die derzeit beständig im Risiko der Strafbarkeit operiert, son­dern auch die Schadensrisiken, z. B. iZm dem groß angelegten, gewerbsmäßigen „Ausspähen von Daten“ (§§ 202a, 202b, 303a StGB[12]).

Die Gliederung des Buches ist prägnant. Die wesentlichen Inhalte lassen sich auf einen Blick erschließen. Nach einer kurzen Einleitung (S. 1-3), beschreiben die Autoren im Teil 1 (S. 5-214) die materiell-rechtliche Fortent­wicklung des Phä­nomens auf breiter Front. Dieser Teil geht weit über das (in der Fn. 5) skizzierte Phä­­nomen „Cybercrime“ (im engeren Sinne) hinaus und beschreibt komple­mentär bspw. auch die Ver­antwortlichkeitsregeln für „eigene“ und für „von Nutzern bereitgestellte“ Inhalte im digitalen Raum, es werden zahlreiche Tatbestände besprochen, die iZm dem „Tatmittel Internet“ besonders relevant erscheinen[13], oder die Erweiterung des Schriften­begriffs in § 11 Abs. 3 StGB wird thematisiert. Prozess- und verfahrensrechtliche Besonderheiten und Neure­gelungen werden im Teil 2 (S. 215-278) behandelt. Das Handbuch schließt mit einem ausführlichen Literatur- und Stichwortverzeichnis.

Die übersichtliche, sehr gut erschließbare Gliederung, der fundierte Sachverstand, die erkennbare Praxisorientierung und die gut lesbare Darstellung der Inhalte, immer wieder ergänzt durch kurze, als „(Praxis-)Hinweise“ gekennzeichnete Einschübe, machen das Handbuch zu einem wertvollen Begleiter, nicht nur im Arbeitsalltag, sondern auch für Studium und Lehre.

Holger Plank (im Dezember 2024)

[1] Dr. iur., Fachanwalt für Strafrecht, Kanzlei „Endriss und Kollegen“, Freiburg.

[2] Pof. Dr. iur., Inhaber des Lehrstuhls für Deutsches und Europäisches Straf- und Strafprozess­recht, IT-Strafrecht und Rechtsphilosophie an der Universität Konstanz.

[3] Fachanwältin für Strafrecht, Leiterin des Berliner Standorts der „Kanzlei Tsambikakis“, Lehr­beauftragte an der HU Berlin, Seminar „Digitalisierung & Strafrecht“,

[4] Siehe Verlags-Website mit Inhaltsverzeichnis.

[5] Kriminalstatistisch werden hierunter folgende Tatbestände (in der PKS in „Summenschlüs­seln“, 897000 – „Cybercrime“, beinhaltet den „Summenschlüssel Computerbetrug“, 897100, BKA, 2024, S. 6) subsummiert: §§ 202a, 202b, 202c, 202d, 263a, 269, 270, 303a, 303b StGB. Warum der recht neue Tatbestand § 127 StGB „Betreiben krimineller Handels­plattformen im Internet“ (kpl. modifiziert 2021, BGBl. I, S. 3544, Nr. 54 vom 19.08.2021) nicht in dieser Aufstellung aufgenommen ist, erschließt sich auf den ersten Blick nicht.

[6] Vgl. BKA, PKS, Tabelle 5 – Grundtabelle: Straftaten mit Tatmittel Internet und BKA, Lagebild Cybercrime.

[7] Vgl. hierzu bspw. nur Rückert, 2023, „Digitale Daten als Beweismittel im Strafverfahren“, Mohr Siebeck, Tübingen.

[8] Z. B. der Cybercrime Convention. Eine grundlegende überarbeitete Neufassung im Entwurf (Stand 07.08.2024) der „United Nations convention against Cybercrime“, die in der Fach­öffentlichkeit deutlich kritisiert wird (zusammenfassend hierzu vgl. Beitrag von netzpoliti.org vom 22.10.2024), befindet sich noch im Abstimmungsverfahren.

[9] Bspw. die „E-Evidence-Verodnung“ (VO (EU) 2023/1543) – das Gesetz zur Umsetzung dieser RiLi befindet sich derzeit als RefE noch im Abstimmungsprozess und wird wohl das Schicksal des RefE zur Modernisierung des Computerstrafrechts (vgl. Fn. 10) teilen; der „Digital Services Act“ (DSA); das „Digitale-Dienste-Gesetz“, welches das NetzDG weitgehend ablöst und an die Stelle des bisherigen Telemediengesetzes getreten ist (S. 3) etc.

[10] BGBl. I, S. 1786 (Nr. 38 vom 10.08.2007). Die Strafandrohung des § 202c wurde im Jahr 2015 (KorrBekG, BGBl. I, S. 2025, Nr. 46 vom 25.11.2015) von einem auf zwei Jahre erhöht;  § 202d wurde 2015 in das StGB aufgenommen (VerkDSpG, BGBl. I S. 2218, Nr. 51 vom 17.12.2015); § 263a wurde bereits im Jahr 1986 mit dem 2. WiKG (BGBl. I, S. 721, Nr. 21 vom 23.05.1986) in das StGB aufgenommen und zuletzt mit dem 61. StÄG, BGBl. I, S. 333, Nr. 10 vom 17.03.2021) geändert; §§ 269, 270, 303a, 303b wurden ebenfalls bereits im Jahr 1998 eingeführt bzw. neu gefasst (BGBl. I, S. 3322, Nr. 75 vom 19.11.1998), die beiden letzteren jedoch im 41. StÄG (s. o.) modifiziert.

[11] Neben den in dem Werk in besonderer Weise thematisierten Änderungen materiellen und formellen Strafrechts (de lege lata), insbesondere dem 60. StrÄG, BGBl. I, S. 2600, Nr. 57 vom 30.11.2020 (mit der Modernisierung des „Schriftenbegriffs“ und der Erweiterung der Strafbarkeit nach den §§ 86, 86a, 111, 130 StGB bei internetgestützten Handlungen im Ausland), dem „Gesetz zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskrimi­nalität“, BGBl. I, S. 441, Nr. 13 vom 01.04.2021, der Anpassung des § 238 StGB an neue Erscheinungsformen des „Cyberstalkings“, BGBl. I, S. 3513, Nr. 53 vom 17.08.2021, die Einführung eines eigenständigen Tatbestandes des „Betreibens krimineller Handelsplatt­formen im Internet“, § 127 StGB, BGBl. I, S. 3544, Nr. 54 vom 19.08.2021 oder den z. T. drastischen Verschärfungen und Erweiterungen des Pornographie- und Sexualstrafrechts durch das „Gesetz zur Bekämpfung sexualisierter Gewalt gegen Kinder“, BGBl. I, S. 1810, Nr. 33 vom 22.06.2021 ist ergänzend auch auf den jüngsten Referentenentwurf zur „Moder­nisierung des Computerstrafrechts“ des BMJ vom November 2024, S. 1, welcher im Wesent­lichen zwei Problemstellungen (von vielen) aufgreift; vgl. Kritik des Sachverständigen Prof. Dr. Kipker, 24.10.2024, an dem RefE; aufgrund des Scheiterns der Ampelkoalition am 06.11.2024 wird dieser Entwurf mutmaßlich nicht mehr ins parlamentarische Verfahren gelangen, zeigt dennoch aber wichtige, längst jedoch nicht ab­schließende Überlegungen zur Reform des Computerstrafrechts auf.

[12] Vgl. Informationspapier des BMJ vom November 2024 und die Synopse des BMJ hierzu.

[13] Z. B. §§ 86, 86a, 130 (aus dem Staatsschutzstrafrecht), 111, 126, 126a, 130a, 131, 140, 185-187, 192a241 (Neuregelung der Beleidigungs- Bedrohungsdelikte und der „Hasskrimina­lität“), 176, 176a, 183, 183a, 184a, b, c (Sexualdelikte, Pornografie), 184k, 201, 201a Abs. 3 203, 204, 238, 253 (Erpressung – kriminalstatistisch relevant, da nach den Erfassungs-RiLi nur das Delikt mit der höheren Strafandrohung in der PKS erfasst wird), 281, 284-287, 323c, 353d StGB, 106 u. 108a UrhG, 33 KunstUrhG, 42 BDSG (Doxing“).