Thomas Fischer u.a., Strafgesetzbuch mit Nebengesetzen. Rezensiert von Holger Plank.

Thomas Fischer, Stephan Anstötz, Hans-Joachim Lutz: Strafgesetzbuch mit Nebengesetzen. 72. Auflage 2025, ISBN: 978-3-406-82044-1, 2.793 Seiten, C. H. Beck, München, Reihe Beck’sche Kurzkommentare, Band 10, 115.– €

Das materielle Strafrecht unterliegt beständig der Änderung. Das BMJ schreibt hierzu in einem Eckpunktepapier vom 23.11.2023 für die 20. Legislaturperiode des Bundestages: „Die Fortentwicklung des Strafrechts ist eine Kernaufgabe der Rechtspolitik. Daher müssen wir fragen: Setzt der Staat die richtigen Prioritäten? Passen unsere Straftatbestände noch ausnahmslos in die Zeit? (…) Wir haben nun das Strafgesetzbuch systematisch durchgesehen und überprüft, welche Straftat­bestände historisch überholt sind, sodass sie gestrichen oder angepasst werden müssen. Wir gehen damit eine überfällige Modernisierung der Strafrechtspolitik an. Das stärkt Akzeptanz und Wirksamkeit unseres Rechtsstaates.“[1]

Im Koali­tionsvertrag der Bundesregierung aus dem Jahr 2021[2] heißt es dazu:

  • „Wir werden den Straftatbestand der Abgeordnetenbestechung und -be­stechlichkeit wirksamer ausgestalten“ (S. 9),
  • „(…) wir führen die Strafbarkeit rechtswidriger De-Anonymisierung ein“ (S. 14, z. B. iZm anonymisierten Gesundheitsforschungsdaten[3]),
  • „wir überführen Teile des Tierschutzrechts in das Strafrecht und erhöhen das maximale Strafmaß (S. 35),
  • „wir führen die kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu Genusszwecke in lizensierten Geschäften ein (…)“, S. 68,
  • „das Strafrecht ist immer nur Ultima Ratio. Unsere Kriminalpolitik orien­tiert sich an Evidenz und der Evaluation bisheriger Gesetzgebung im Aus­tausch mit Wissenschaft und Praxis. Wir überprüfen das Strafrecht syste­matisch auf Handhabbarkeit, Berechtigung und Wertungswidersprüche und legen einen Fokus auf historisch überholte Straftatbestände, die Mo­dernisierung des Strafrechts und die schnelle Entlastung der Justiz. Das Sanktionensystem einschließlich Ersatzfreiheitsstrafen, Maßregelvollzug und Bewährungsauflagen überarbeiten wir mit dem Ziel von Prävention und Resozialisierung (…)“, S. 84,
  • „wir machen die Bekämpfung der Organisierten Kriminalität (OK, ein­schließlich der sogenannten Clankriminalität) zu einem Schwerpunkt unse­rer Sicherheitsbehörden: durch mehr und bessere Strukturermittlungen, die Nutzung strafrechtlicher Möglichkeiten u. a. bei der Vermögensab­schöpfung, die Optimierung der Strukturen bei der Geldwäschebekämp­fung und ihrer Ressourcen (…)“, S. 85,
  • „Ärztinnen und Ärzte sollen öffentliche Informationen über Schwanger­schaftsabbrüche bereitstellen können, ohne eine Strafverfolgung befürch­ten zu müssen. Daher streichen wir § 219a StGB“ (S. 92),
  • „geschlechtsspezifische und homosexuellenfeindliche Beweggründe wer­den wir in den Katalog der Strafzumessung des § 46 Abs. 2 StGB explizit aufnehmen“, S. 95.

Zusätzlich wurde aufgrund evidenter Wertungswidersprüche der Neuregelung aus dem Jahr 2021[4] eine Anpassung der Mindeststrafe für die Verbreitung kinder­pornographischer Inhalte (§ 184b Abs. 1 S. 1, Abs. 3 StGB – neu) notwendig, die so nicht im KoaV explizit vereinbart worden war (s. u.).

Nach 25 Jahren und 22. Auflagen der „Alleinbearbeitung“ durch Thomas Fi­scher[5], wird mit der aktuellen Auflage des „Kurz-Kommentars“ ein Übergang eingeleitet. In der 72. Auflage 2025 erläutern Stephan Anstötz[6] und Hans-Joachim Lutz[7] nun gemeinsam mit Hr. Fischer den im Behörden- und Gerichtsalltag wohl meist genutzten Kommentar[8] in gewohnt solider Ausführung (mit Rechtsstand November 2024). Seit der 71. Auflage 2024 (Rechtsstand No­vember 2023) traten zahlreiche Änderungen in Kraft, die in der Neu­kom­mentierung allesamt berücksichtigt sind.

Nach dem Scheitern der „Ampel-Koalition“ im November 2024 will die FDP-Fraktion (zusätzlich) einen noch von Hr. Buschmann als Bundesjustizminister verantworteten, in der Ressortabstimmung innerhalb der Bundesregierung jedoch gescheiterten Gesetzesantrag zur „Modernisierung des StGB“[9]  (gleichlautend mit dem RefE[10] des BMJ) in den Bundestag einbringen.[11]

Von den im KoaV gemeinsam verabredeten Änderungen materiellen Strafrechts traten in Kraft:

  • „StÄG – Aufhebung des Verbots der Werbung für den Schwanger­schaftsabbruch (§ 219a StGB) (…)“, BGBl. I Nr. 25 (S. 1082ff.) vom 11.07.2022 (à bereits in der 70. Auflage kommentiert),
  • „Gesetz zur Überarbeitung des Sanktionenrechts – Ersatzfreiheitsstrafe, Strafzumessung, Auflagen und Weisungen sowie Unterbringung in einer Entziehungsanstalt“ (SanktRÜG), BGBl. 2023 I Nr. 203 vom 02.08.2023 (à bereits in der 71. Auflage kommentiert, u. a. auch mit Ergänzung des § 46 Abs. 2 S. 2 StGB, s. o.),
  • 12 „CanG“, BGBl. 2024 I Nr. 109 vom 27.03.2024,
  • StÄG – „Strafbarkeit der unzulässigen Interessenwahrnehmung“ (§ 108f StGB – neu), BGBl. 2024 I Nr. 190 vom 17.06.2024.

Das zuletzt noch von Hr. Buschmann als Bundesminister der Justiz verantwortete „Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches. Modernisierung des Computer­strafrechts“ vom 04.11.2024[12] wird wohl bis zur Bundestagswahl im Februar 2025 nicht mehr im Bundestag beraten werden. Darüber hinaus vereinbarten die Koalitionspartner noch folgende Änderungen:

  • „Gesetz zur Änderung des BZRG und des StGB (§ 130)“, BGBl. I Nr. 48 (S. 2146ff.) vom 04.12.2022 (à bereits in der 71. Auflage kommentiert),
  • „Gesetz zur Anpassung der Mindeststrafen des § 184b Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 StGB – Verbreitung, Erwerb und Besitz kinderpornographischer Inhalte“, BGBl. I Nr. 213 vom 27.06.2024,
  • 2 „Gesetz zur Fortentwicklung des Völkerstrafrechts“ (VStRFG), § 234b StGB neu, BGBl. I Nr. 255 vom 30.07.2024.

In akribischer Feinarbeit berücksichtigt das Werk – neben der profunden Kom­mentierung der legislativen Neuregelungen – Hunderte neuer obergerichtlicher Entscheidungen. Der „Kurz-Kommentar“, der alles andere als „kurz“ ist, besticht daher wie gewohnt durch seine Aktualität und umfassende, stets zuverlässige Kom­mentierung. Er verdient daher ohne Einschränkung das vielzitierte Prädikat „Referenzwerk für alle Prozessbeteiligten“ voll und ganz.

Holger Plank (im Dezember 2024)

[1] Eckpunktepapier zur Modernisierung des StGB vom 23.11.2023, abgerufen: 18.12.2024.

[2] „Mehr Fortschritt wagen“, KoaV 2021-2025, abgerufen: 18.12.2024. Die neue Bundesregie­rung wurde am 08.12.2021 vereidigt.

[3] Vgl. Specht-Riemenschneider, 2021, S. 150ff.

[4] Art. 1 – „Gesetz zur Bekämpfung sexualisierter Gewalt gegen Kinder“, BGBl. I Nr. 33 vom 22.06.2021, S. 1810ff.

[5] Prof. Dr. iur. Thomas Fischer, Vorsitzender Richter am BGH a. D.

[6] Dr. iur. Stephan Anstötz, seit Juni 2019 Mitglied des 3. Strafsenats am BGH.

[7] Dr. iur. Hans-Joachim Lutz, seit August 2020 Mitglied des 4. Strafsenats am BGH.

[8] Siehe Verlags-Website mit Inhaltsverzeichnis.

[9] Vgl. Website des BMJ, „Eckpunktepapier“.

[10] Suliak, LTO.de vom 16.10.2024.

[11] Sehl, LTO.de vom 17.12.2024. Hierin sollen u. a. die §§ 142 und 265a StGB reformiert und in einigen Tatbegehungsvarianten als OWi-Tatbestände gewandelt werden, die §§ 211ff. StGB sollen sprachlich angepasst werden.

[12] Vgl. Website des BMJ.